laut.de-Kritik

Musik, die in die Dunkelheit steuert.

Review von

Im Interview zum Release der Ambient/Electronic-Kompilation "Eye Of The Soundscape" äußerte sich Mariusz Duda, Bandkopf der polnischen Artrock-Heros Riverside, prophetisch: "Die neue Platte wird definitiv eine Rückkehr zu einem intensiveren und härteren Stil." Nicht im Sinne von "Anno Domini High Definition", aber kompliziert sollte sie konzipiert sein, fügte der Multiinstrumentalist an.

Zwei Jahre später liegt "Wasteland" vor. Die post-apokalyptische Thematik spiegelt die äußere wie innere Wirklichkeit aus Sicht der Band wider. Europa steht am Scheideweg und scheint von rechtspopulistischen Gedanken und sozialen Divergenzen durchzogen. Die Band selbst erlebte mit dem Tod von Gitarrist Piotr Grudzinski ihre eigene Zerreißprobe, entschied sich jedoch dafür, weiterzumachen, um die Erinnerung an ihren Feeling-Gitarristen aufrechtzuerhalten.

Riverside steuern ihre Musik nun in dunkle Gewässer. Entsprechend bleibt von der naiven Stimmung des Vorgängers "Love, Fear And The Time Machine" wenig übrig. Die schwelgerische Melancholie weicht der Finsternis. Diese durchzieht das Konzept um den einsamen Protagonisten, der auf das Ende der Welt zurückblickt. Dazu passend schlägt Duda die Brücke zu früheren Werken, indem er vor allem auf rohe, analoge Texturen setzt. Die Heavyness fällt selten so offensichtlich aus wie in "Acid Rain" und "Vail Of Tears".

Der Rest des Materials gerät spürbar zurückhaltender, gräbt dadurch aber umso tiefer in den dunklen Ecken der Seele. Dazu bedient sich die Band einiger Neuerungen. Das Faible für Western-Sountracks im Morricone-Stil lebt das Trio besonders im zweiten Teil des Titelstücks aus. Der sakrale Unterton in "The Night Before" oder "Lament" korrespondiert mit der religionskritischen Haltung in den Lyrics.

Die Melodien gestaltet Duda zudem anders und bringt dadurch sein tiefes Timbre erstmals in der Hauptstimme zur Geltung ("Guardian Angel"). Die Mad Max meets Western-Story entfaltet ihre hypnotische Wirkung insbesondere im zehnminütigen Instrumental "Struggle For Survival". Diesen ehernen Koloss aus feingliederigen Kontrapunkten bei den Saiteninstrumenten bringen die krachigen Soli in bester Robert Fripp-Manier (King Crimson) zum Bersten. Dieser Track bringt die innere Zerrissenheit und die Sinnsuche auch ohne Lyrics auf den Punkt. Die Rückehr ist geglückt. Möge der Fluss noch lange fließen.

Trackliste

  1. 1. The Day After
  2. 2. Acid Rain
  3. 3. Vale of Tears
  4. 4. Guardian Angel
  5. 5. Lament
  6. 6. The Struggle for Survival
  7. 7. River Down Below
  8. 8. Wasteland
  9. 9. The Night Before

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LAUT.DE-PORTRÄT Riverside

Ob die Polen von Riverside wirklich das Städtchen an der amerikanischen Westküste im Sinn hatten, als sie sich diesen Namen gaben, oder ihn nur im Allgemeinen …

8 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Ich mochte bisher jedes Album unheimlich gerne und das hat sich mit diesem hier nicht geändert. Es sind auffällig viele ruhigere Songs mit dabei und für meinen Geschmack hätten es auch ruhig noch 2-3 mehr sein können - vor allem angesichts der Tatsache, dass Track 1 maximal als Intro durchgeht. Die Qualität ist allerdings durch die Bank weg absolut hoch (Ohrwurmgarantien!), die Atmosphäre dicht und Mariusz Vortrag abwechslungsreich und emotional. Ich find vor allem überraschend, wie häufig er in diversen Songs in die tiefsten ihm möglichen Stimmlagen wechselt und wie angenehm das Ganze dabei bleibt.
    Top Album, vor allem für diese Jahreszeit. Für mich wieder Höchstpunktzahl mit kleinem Wehmutstropfen weil zu kurz. :)

  • Vor 6 Jahren

    Gutes Album. Gefällt bereits beim ersten Hörgang.

  • Vor 6 Jahren

    Mir bleibt nichts anderes übrig, ich muss jubelpersern.

    Bin bei Din dem Dildo. Gerade die ruhigen Tracks stechen heraus. Den Thron besteigt dabei "River down below".

    An den Dildo: hörst Du da auch soviel "Hands cannot erase" und mitunter Tool/APC/Puscifer raus wie es mir teilweise vorkommt?

    Also, wer die Wilson-Scheibe mochte, macht hier aber mal gar nichts verkehrt!

    8,5/10

    • Vor 6 Jahren

      Jetzt erst gelesen..
      Definitiv HCE, ja, wobei wie immer bei Riverside das Technik-Gefrickel außen vor bleibt. Tool Puscifer und Konsorten (sogar ein wenig Rishloo, aber vielleicht bilde ich mir das ein) stellenweise auch, find ich allerdings nicht so deutlich wie Wilson.
      Duda und Wilson sind sich ja sowieso musikalisch ziemlich nahe und die kleine Zusammenarbeit auf "The Old Peace" ist ein absolutes Schmankerl... Man darf sich erträumen, was bei ner richtigen Kollabo möglich wäre... So à la Storm Corrosion...

  • Vor 6 Jahren

    kriege bei prog blutungen im arsch...aber die rezi und das inti lesen sich zu verführerisch. bei nick cave und dystopischen western-sounds bin ich dabei :phones: ich höre rein... ich hoffe, die arschblutungen halten sich in grenzen. drückt mir die daumen

  • Vor 6 Jahren

    A Perfect Circle und Anathema plus alle Referenzen, die Rezi und andere Kommentatoren bereits genannt haben.

    Und das ist dann nach drei konzentrierten Hördurchläufen auch das einzige, was ich dieser Band seit Jahren und auch auf Wasteland wieder vorwerfe: Einzelnen Songparts sind ihre offensichtlichen Paten einfach zu überdeutlich anzuhören. Anders als auf vielen ihrer Vorgängerplatten gelingt es Riverside auf Wasteland aber m.E. erstmals, diese part- bzw. auf früheren Werken häufiger songweise Huldigung aufzuschlagen und einzuschmelzen, um sie auf Albenlänge in eine eigens geschaffene Form zu gießen. Statt einiger solider und mehrerer eindeutig abgekupferter Songideen haben wir hier nun einen Haufen Kupferparts verschiedener persönlicher Helden von Riversde, die durch Bearbeitung der Band zu einem neuen, wertigeren Metall veredelt werden. Das Ergebnis nötigt mir musikalisch wie atmosphärisch höchsten Respekt ab.

    Wasteland und ich, das wird wohl was für länger. :)

    4,5/5