laut.de-Kritik
Robbie, du bist der Größte! Kreisch!
Review von Jasmin LützIch kann es noch gar nicht glauben. Ich habe tatsächlich endlich die Ehre, eine Robbie Williams-Platte zu besprechen. Ist zwar "nur" eine Best of, aber dafür sind alle Hits, die das Entertainer-Herz braucht, darauf chronologisch-erfolgreich sortiert. Am Ende gibt es sogar noch zwei aktuelle Überraschungen. Da kann sich ein anderer Ex-Boygroup-Artist, Mr. Supersoftie Ronan, mal wieder ein Beispiel dran nehmen. Der hat ja kürzlich, nach gerade mal drei Solo-Alben (lächerlich), eine Greatest Hits herausgebracht, die dann auch noch "10 Years Of Hits" hieß! Aha, wohl noch ein paar Boyzone-Klassiker drauf gebrannt. Tolle Wurst, da bekommt man schnell eine Super-Compilation zusammen. Noch mal Buh! und Beschwerden bitte direkt an die Schreiberin!
Sicher hätte Rob auch ein paar Take That-Schmankerl zu seiner "Greatest Hits" dazu gesellen können, aber das hat der Mann aus Stoke-On-Trent nicht nötig. Seine Diskographie zählt sechs Longplayer in knapp sieben Jahren. In dieser verflixten Zeit hat sich der umworbene Teenieschwarm zu einem göttlichen Popmusiker entwickelt, das sieht man ihm nicht nur äußerlich an.
Man darf natürlich darüber streiten, ob ein Best of-Album wirklich notwendig ist. Jeder närrische Fan (Ich!) besitzt eh die Platten seines Sexgottes, und die zwei neuen Schmuckstücke kann man sich ab sofort und demnächst als Single besorgen. Ist ja eh nur eine Promo-Aktion der Plattenfirma. So kurz vor Weihnachten ist eine derartige Zusammenstellung mit dem unglaublichen Erfolgsweg eines smarten, verträumten, schüchternen auf seine Art talentierten und very charmanten Engländers der Kassenschlager galore. In jedem Musiktitel steckt eine kleine Anekdote, die jeder Hörer und jede Hörerin für sich erzählen kann.
Wenn es nach Mr. Williams und mir gegangen wäre, dann hätte man auf Songs wie "She's The One" oder "Rock DJ" mit Sicherheit verzichten können. Aber die kuschelige Eiskunstlauf-Ballade und der versuchte Rap-Dancer gehören nun mal zu seinen Kassenschlagern, und ich gebe zu, ich gröle auch heute noch fröhlich mit. Insgesamt 16 Superhits und zwei, die es noch werden wollen, umfasst die Compilation. Ich muss gestehen, dass die echten Prachtpopmelodien des Mr. Robert Peter Maximillian Williams dem Weihnachtseinkäufer leider verborgen bleiben. Daher meine Empfehlung, bitte "Karma Killer" von "Ive Been Expecting You" und "I Will Talk And Hollywood Will Listen" von der Swing-Platte unbedingt anhören!
Dennoch lehne ich mich gerne zurück und lausche der Karriere eines jungen Mannes, dessen Drogen- und Alkoholexzesse ihn fast umgebracht hätten. Der jetzt lieber Backstage wassertrinkend Uno spielt und nur auf der Bühne den rotzigen Rock'n'Roller, den sexy Frauenschwarm, den smarten Swing-Sinatra oder den verschmitzten Jung-Entertainer raus lässt. Seufz!
Der Beginn seiner leidenschaftlichen Karriere war "Old Before I Die" (1997). Ich persönlich wurde 1998 von den magischen Kräften der Superschnulze "Angels" in den Williams-Bann gesogen. Der erste Song, den er gemeinsam mit Guy Chambers schrieb, und der mir heute noch die Augen wässert. Seitdem zieren Poster und Kalender mein Erwachsenenzimmer, und einige männliche Gäste wirken oft irritiert. Für die Stimmung einer gelungenen Party darf der gut gelaunte Rockfetzen "Let Me Entertain You" natürlich nicht fehlen. Hier kreischen die Gitarren, und der Rhythmus fährt dir durch sämtliche Gelenke.
Die dramatische Trennung von seinem ehemaligen Songwriter und besten Freund Guy Chambers dürfte sich mittlerweile herum gesprochen haben. Robbie brauchte allerdings nicht lange, einen neuen Jackpop zu ziehen und mit Stephen Duffy ein talentiertes und schon berühmtes Medium auf seine Seite zu bekommen. Duffy, selber als Folkmusiker bekannt, Frontmann der ebenfalls zu empfehlenden Gruppe The Lilac Time und Mitbegründer der Synthie-Popper Duran Duran, bekommt eines Tages Besuch von Robbie Williams, und die zwei verstehen sich auf Anhieb. Gemeinsam tüfteln sie an neuen Songs, und die lassen sich jetzt schon sehr gut hören.
"Radio" ist eine glanzvolle Neo-Wave-Hymne, mit der das Freundschaftsduo eine neue Williams-Ära einläutet. Ich hätte Robbie fast nicht erkannt. Aber der 80er-Sound à la Human League steht ihm gut. "Listen To The Radio" darf wieder mal als Beweis dafür gelten, dass Mr. Williams ein musikalisches Chamäleon ist und stets für Überraschungen sorgt. Der Robert will nicht länger Robbie sein. Seinen Reifeprozess offenbarte er uns schon mit dem letzten Album "Escapology". Hier trifft man neben den persönlichen Lebenshymnen "Come Undone" und "Feel" auf die bewegende und komplett selbst komponierte Ballade "Nan' Song", die er seiner geliebten Großmutter widmet (Ja, Robbie kann auch Gitarre spielen!).
Für das nötige Kribbeln im Bauch sorgt der Brite auch mit seiner zweiten Überraschung auf dieser Greatest Compilation. Bei der Single "Misunderstood", die pünktlich wie der Weihnachtsbraten unterm Tannenbaum liegen wird, merkt man erneut den Songwriter-Wechsel. Eine melodische Umarmung, klassisch mit Streichern untermalt, die sowohl Mädchen, als auch Jungs, Eltern, Oma, Opa, Billy The Kid und Rooney dahinschmelzen lassen.
Duffy holt so einiges mehr aus dem Entertainer heraus. Noch mehr Gefühl, mehr Mut zu musikalischen Experimenten und den immer noch teils verborgenen Talenten. Robbie probiert jetzt auch, selber Bass zu spielen, und auch einige "Radio"-Synthie-Parts stammen aus seinen Fingern.
Ich bin mir sicher, in spätestens fünf Jahren bringt Rob ein reines Singer/Songwriter-Album auf den Markt. Doch jetzt bleibt er erst mal der smarte Superstar im tätowierten Kleid, der mit seinem nächsten regulären Longplayer und neuem Helferlein, Stephen Duffy, im übrigen eine ausgesprochen gute Wahl, mit Sicherheit weitere Zuhörer auf sich zieht, so dass selbst alle fucking Independent Heads bald rufen: "Robbie, du bist der Größte"! Kreisch!
Noch keine Kommentare