laut.de-Kritik

Ein Trentemöller hätte Wunder bewirkt.

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Normalerweise tritt der Junior in die Fußstapfen des Seniors. Bei Norwegens Elektronik-Export Röyksopp ist es umgekehrt. Vor gut einem Jahr feierten sich Torbjörn Brundtland und Svein Berge mit "Junior" als die großen Bewahrer des discoiden Erbes der 80er Jahre.

Schon damals hatten Röyksopp genügend Material im Studio produziert, um damit einen zweiten Longplayer zu bestücken. Nun haben sie insgesamt neun Stücke ausgewählt und präsentieren sie unter dem Titel "Senior" als ruhigen Gegenpart zum Vorgängeralbum.

Das konnte zwar auch mit allerlei Ambient-Referenzen aufwarten, suchte über die volle Spielzeit betrachtet, dann aber doch häufig den Bezug zur Tanzfläche. Garniert haben Röyksopp ihren "Junior" mit jeder Menge Pop. Den trugen sie oftmals gleich so dick auf, dass die Grenze zur Schwülstigkeit greifbar wurde. Kein Wunder, dass Röyksopp bekennende Italo-Disco-Fans sind, wie sie vor drei Jahren bei der Trackauswahl ihres DJ-Set für die renommierte "Back To Mine" Compilation-Reihe eindrücklich zeigten.

Dem Hang zu schwülstigen Pop bleiben die beiden Norweger mit "Senior" treu. Allerdings leben sie diese Leidenschaft nicht ganz so exzessiv aus. Schließlich soll "Senior" ja auch so etwas, wie der große Bruder von "Junior" sein.

Eine Maßnahme um den Sound ernsthafter und erwachsener klingen zu lassen, war die Streichung sämtlicher Vokalisten. Abstriche musste darüber hinaus auch die Rhythmussektion hinnehmen. Sie rückt in die zweite Reihe und überlässt stattdessen Streichern und Flächen den großen Auftritt.

Die Qualität des Albums erhöht dieser Prioritätenwechsel nicht. Auch "Senior" bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die neun Tracks haben vielfach nicht die Klasse, um sich nachhaltig im Ohr festzusetzen. Beispielhaft dafür stehen Stücke wie "Senior Living" und "Coming Home", die erschreckenderweise kaum über omnipräsente Ambient-Standard-Sounds hinaus an Profil gewinnen können. Ein bisschen von der Raffinesse, die Trentemöllers "The Last Resort" zuhauf hat, hätte hier wahre Wunder bewirkt.

"Tricky Two", bei dem Röyksopp auch rhythmisch in die Offensive gehen, ist einer der wenigen guten Tracks. Aber auch der ist weit davon entfernt ein top zu sein. Wie man den Spagat zwischen Ambient und Pop auf äußerst stilvolle Weise meistert, könnten sich die beiden Norweger bei Faithless-Mastermind Rollo abschauen. Der hat bereits von zehn Jahren ein Album mit dem Titel "When We Were Young" vorgelegt.

Statt erwachsen klingen zu wollen, sollten sich Röyksopp vielleicht lieber von ihrer eigenen Jugend inspirieren lassen.

Trackliste

  1. 1. … And The Forest Began To Sing
  2. 2. Tricky Two
  3. 3. The Alcoholic
  4. 4. Senior Living
  5. 5. The Drug
  6. 6. Forsaken Cowboy
  7. 7. The Fear
  8. 8. Coming Home
  9. 9. A Long, Long Way

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1 Kommentar

  • Vor 13 Jahren

    Röyksopp gilt anscheinend für viele schon als "Electro-Pop-Duo". Also poppig klingt "Senior" ganz und garnicht. Die beiden haben viel mehr versucht, eine Platte zu machen, die einem "Melody A.M." nahesteht. Viele Sounds gehen auch in diese Richtung, allen Tracks voran z.B. "The Alcoholic". Die Streichung der Vocalisten finde ich persönlich auch absolut nicht schlimm, da Röyksopp schon immer gute instrumentale Tracks geschaffen haben. Und wo bitteschön wird der Bezug zur Tanzfläche deutlich? Also zu solch ruhigen Tracks würde nicht mal ich die Tanzfläche betreten.
    Anscheinend wird Röyksopp vom Rezensenten genauso abgestempelt, wie von manch anderen Leuten auch. Für jene ist "Junior" nämlich DAS Album, welches Röyksopp's Stil widerspiegelt. Was kompletter Irrsinn ist, da das Duo schon immer eher verträumte, mystische und experimentelle Tracks geschaffen hat, auch mit dem weniger beliebten Album "The Understanding". Ich hoffe zumindest, dass der Rezensent, die anderen zwei Alben kennt und nicht einfach nur die Krtitik auf "Junior" aufgebaut hat.