laut.de-Kritik

Ein Gefühlsbrei, stumpf wie ein MP3.

Review von

Einst hatten Rosenstolz ihre Daseinsberechtigung. Zwischen 1992 und 1996 suchte die Musikwelt irgendwo zwischen Nirvana, Guns N' Roses und 2 Unlimited nach einem gemeinsamen Nenner. In diesem Umfeld wirkte die Berliner Band hierzulande irritierend eigenständig: Ein Gegenpol zum Musikgeschmack der damaligen Zeit.

Selbst wenn man ihrer Musik, grenzenlos zwischen Schlager, Pop, Chanson und klassisch versuchtem Gesang angesiedelt, nichts abgewinnen konnte: Ihr Durchhaltevermögen und langsamer Aufstieg durch die übelsten Kaschemmen Deutschlands verdienten Respekt.

In der Folge wurden Rosenstolz immer größer, professioneller und begannen ihre Höhen und Tiefen wie bei einem MP3 abzuschleifen. Übrig blieben spätestens ab "Herz" ärgerliche 64 kbit/s. Gleichzeitig verdumpften die Texte zu den immer gleichen Durchhalteparolen. Doch der Zugang zu einer Hörerschaft, die am Anfang der Karriere nur die Nase über die Band gerümpft hätten, war gefunden. Ab nun wurde nichts mehr am Konzept verändert. Eine Platte gleicht der anderen. Die einzige Daseinsberechtigung die Rosenstolz heute noch haben, ist, die deutsche Wirtschaft durch den Tausch Geld gegen Musik anzukurbeln. Das ist sogar noch ärgerlicher, als wenn sie von Anfang an mit Andrea Berg und Nena in Konkurrenz gestanden hätten.

"Ich sing für uns das Lied von den Vergessenen / Die von ewig gestern / Die, die längst schon schlafen sind" ertönt es auf "Lied der Vergessenen", der neusten Auskopplung aus "Wir Sind Am Leben". Bei der Veröffentlichungspolitik rund um die Band könnten damit auch die Musikstücke aus der Anfangszeit gemeint sein. Denn wie viele Bands wechselten Rosenstolz nach den ersten Erfolgen das Label. Die Rechte der alten Songs blieben bei der alten Plattenfirma und dem Manager Tom Müller.

Und das bringt das große Dilemma auf den Punkt: Während am einen Ende eine doppelköpfige Natter das ewig gleiche Album unter wechselndem Namen und mit mindestens fünf Special Editionen "für den Fan" auf den Markt schmeißt, bringen am anderen Ende die alten Rechteinhaber den alten Kram in immer neuen Compilations auf den Markt. Es geht einzig um Geld.

Um eben eine solche Zusammenstellung handelt es sich bei "Balladen". Dabei wurde, wie der Titel schon androht, nur auf die langsamen Nummern der frühen Periode zurückgegriffen. Im Zusammenspiel der damaligen Alben hatten diese noch ihren Sinn. Lieblos aneinander gereiht biedern sich die Songs nun aber dem Geschmack des heutigen Rosenstolz-Hörers an. Es bleibt ein einziger Gefühlsbrei übrig, an dem der Zahn der Zeit schon kräftig genagt hat.

Nur "Blumenkind" und "Für Dich Mich Dreh'" brechen aus dem Schema F aus. Dazu kommt die überraschende Einsicht, dass der hölzerne Gesang von Peter Plate in der französischen Version von "Die Zigarette Danach" plötzlich fast funktioniert - und er wie ein ganz ganz kleiner Serge Gainsbourg klingt. Das ist am Ende selbst in dieser Konstellation verdammt wenig.

Trackliste

  1. 1. Kuss Der Diebe
  2. 2. Kleiner Prinz
  3. 3. Der Traum Vom Fliegen
  4. 4. Viel Zu Kalt
  5. 5. Die Zigarette danach
  6. 6. Lachen
  7. 7. Lebend Erwacht
  8. 8. Mondkuss
  9. 9. Strahlende Nächte
  10. 10. Die Im Dunkeln
  11. 11. Morgenlicht
  12. 12. Blumenkind
  13. 13. Lachen (70er Version)
  14. 14. Samstags
  15. 15. Für Dich Mich Dreh'
  16. 16. Sanfter VerfÜhrer
  17. 17. Cigarette D'apres (Frz. Version)
  18. 18. Kuss Der Diebe (Piano)

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16 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Ich gebe der Scheibe 1 Punkt - aus Prinzip.

  • Vor 12 Jahren

    mach ich zwar selten, dass ich meinen Senf dazu gebe, fühle mich jetzt aber doch irgendwie verpflichtet für Anna und Peter eine Lanze zu brechen. Musik ist vielfältig und wird es auch immer bleiben, die Spiele mit Wörtern und Texten ebenso. Musik kann auch ein Riesengeschäft sein, war immer so und ist auch legitim.
    @Sven Kabelitz Ich gebe Dir in vielen Punkten Deines Kommentars vollkommen recht, auch wenn ich ein Rosenstolz-Fan seit ziemlich den ersten Tagen bin und nur wenige Konzerte versäumt habe. Dennoch finde ich Dein Urteil total vermessen.
    Rosenstolz war immer irritierend eigenständig, ein Gegenpol, die Texte waren immer speziell und individuell interpretationsfähig. Peter selbst hat oft gesagt: ? Wir sind ja nicht wirklich gut?! Doch der Erfolg hat Ihnen recht gegeben.
    Kann und darf es denn nicht sein, dass sich bestimmte Menschen genau durch diesen eigenen Rosenstolz-Stil angesprochen fühlen und sich durch die damit vermittelten Stimmungen tragen lassen? Gefühlsbrei ist in diesem Zusammenhang ein ?böses Wort?, der Vergleich mit ?stumpf? auch und mit der Verwendung von Ausdrücken wie ? übelste Kaschemmen? wäre ich mal sehr vorsichtig.
    Anna und Peter eine ?Daseinsberechtigung? abzusprechen finde ich reaktionär und zwar der möglichen Vielfalt von Musik und Kunst gegenüber!!!
    Wem`s nicht gefällt braucht es sich nicht anhören. Es gibt genügend ?Anderes?. Ich jedenfalls habe only positive Gedanken und Gefühle, wenn ich Rosenstolz höre, auch dann wenn es um solche Scheiben wie ?Balladen? geht.
    Übrigens: der Zahn der Zeit nagt an uns allen, auch an Dir. Wir sind eben alle nur Menschen. Lach!

  • Vor 12 Jahren

    mach ich zwar selten, dass ich meinen Senf dazu gebe, fühle mich jetzt aber doch irgendwie verpflichtet für Anna und Peter eine Lanze zu brechen. Musik ist vielfältig und wird es auch immer bleiben, die Spiele mit Wörtern und Texten ebenso. Musik kann auch ein Riesengeschäft sein, war immer so und ist auch legitim.
    @Sven Kabelitz Ich gebe Dir in vielen Punkten Deines Kommentars vollkommen recht, auch wenn ich ein Rosenstolz-Fan seit ziemlich den ersten Tagen bin und nur wenige Konzerte versäumt habe. Dennoch finde ich Dein Urteil total vermessen.
    Rosenstolz war immer irritierend eigenständig, ein Gegenpol, die Texte waren immer speziell und individuell interpretationsfähig. Peter selbst hat oft gesagt: ? Wir sind ja nicht wirklich gut?! Doch der Erfolg hat Ihnen recht gegeben.
    Kann und darf es denn nicht sein, dass sich bestimmte Menschen genau durch diesen eigenen Rosenstolz-Stil angesprochen fühlen und sich durch die damit vermittelten Stimmungen tragen lassen? Gefühlsbrei ist in diesem Zusammenhang ein ?böses Wort?, der Vergleich mit ?stumpf? auch und mit der Verwendung von Ausdrücken wie ? übelste Kaschemmen? wäre ich mal sehr vorsichtig.
    Anna und Peter eine ?Daseinsberechtigung? abzusprechen finde ich reaktionär und zwar der möglichen Vielfalt von Musik und Kunst gegenüber!!!
    Wem`s nicht gefällt braucht es sich nicht anhören. Es gibt genügend ?Anderes?. Ich jedenfalls habe only positive Gedanken und Gefühle, wenn ich Rosenstolz höre, auch dann wenn es um solche Scheiben wie ?Balladen? geht.
    Übrigens: der Zahn der Zeit nagt an uns allen, auch an Dir. Wir sind eben alle nur Menschen. Lach!