laut.de-Kritik
Mit dramatischem Piano-Pop der Trauer entgegen.
Review von Martin Leute"Auf diesem Album geht es um Trauer", bemerkt Rufus Wainwright. Das erklärt das tränende Auge auf dem Coverartwork, das titelgebende Shakespeare-Zitat "All Days Are Nights" und den Verweis auf die literarische Figur der Lulu, die Rufus während der Entstehung der Songs als dunkle, dämonische Macht verstand, die ihn immer wieder zu ergreifen droht.
Anlass der Trauer war die Krankheit und schließlich der Verlust seiner im Januar verstorbenen Mutter Kate McGarrigle, der die Gefühlswelt des Rufus Wainwright prägte und über allem Erlebten schwebte. Nach dem orchestralen Bombast auf "Release The Stars" (2007), der Judy Garland-Hommage "Milwaukee At Last!!!" (2009) und dem Ausflug ins Oper-Metier ("Prima Donna") hat er nun auf Reduktion gesetzt und verlässt sich ganz auf die Intensität und Expressivität seines Gesangs, den er mit dem Klavier begleitet.
Noch nie klang Wainwright auf Albumlänge intimer und eindringlicher, nie hat er seine Vorliebe für Schubert und das klassische Kunstlied offener ausgestellt und mit seiner Affinität zum dramatischen Pop und zur Oper kombiniert. Sein musikalisches Schaffen ist stets von melodramatischen Theatralik durchdrungen, aber der Verzicht auf hedonistische Extravaganzen und übergewichtiges Pathos lassen ihn in einem neuen Licht erstrahlen.
Mit bemerkenswerter Leichtigkeit und Erhabenheit pendelt Wainwright atmosphärisch zwischen Melancholie und wieder aufkeimender Lebensfreude, die offenbart, dass er sich der destruktiven Wedekindsche Lulu schließlich doch entziehen konnte. Der dramaturgischen Spannung wird er mit variablem Pianospiel und verschlungenen Melodielinien gerecht, die aber immer wieder zu sich selbst finden und in herzerwärmender Harmonie aufgehen.
Das perlende Piano in "Who Are You New York?" versprüht bei aller Nachdenklichkeit dieselbe Offenherzigkeit und hoffnungsfroher Zugänglichkeit wie das rührende und äußert persönliche "Martha", mit dem er auf seine ihm entfremdete Schwester zugeht, oder "Give Me What I Want And Give It To Me Now!", dessen fröhlicher Vaudeville-Charme sich am hüpfenden klassischen Pianospiel bricht.
Neben drei auf Shakespeareschen Sonetten basierenden Stücken ("Sonnet 43", "Sonnet 20, "Sonnet 10") geht das in französischer Sprache intonierte "Les Feux D'Artifice T'Appellent" ganz in entrückter Sentimentalität auf, ehe Wainwright sich in "Zebulon" zu schlichten Akkorden ein letztes Mal ergreifend seine Stimme erhebt.
Die große Stärke dieses Albums liegt in seiner Kohärenz. Keines der Stücke drängt sich auf, alle reihen sich wunderbar in den durchweg niveauvollen Songzyklus. Rufus Wainwright mag ihn zur karthatischen Überwindung seiner Seelenpein komponiert haben, den Hörer lädt er damit auf eine tröstliche, wunderbare musikalische Reise ein.
Der hörbar gereifte Komponist und Songwriter stellt sich mit diesem besinnlich lächelnden Werk dem Pop-Mainstream entgegen und hat mit diesem Schritt doch alles richtig gemacht.
1 Kommentar
was muß man genommen haben, um so schreiben zu können?