laut.de-Kritik
Post-Garage-Dubstep in geschmeidigem Nivea-Mantel.
Review von Karim ChughtaiBislang experimentierte Aaron Jerome hauptsächlich mit instrumentalen EPs, die sich der zeitgenössischen britischen Bassmusik frönten. Für sein Debütalbum überrascht es dann umso mehr, dass er sich in der klassischen Produzentenrolle zurücklehnt, dafür zahlreichen Gast-Vokalisten den Vordergrund gewährt. Das Ergebnis ist ein Genre-Crossover, das sich als unverbrauchte Mischung aus Post-Garage, Dubstep-Pop und R&B-Dance verbuchen lässt.
Damit reserviert er sich eine ähnliche Nische, die direkte Nachbarn wie James Blake oder Jamie Woon bereits im vergangenen Jahr global für sich proklamierten. Mit dem Unterschied, dass Jerome singen lässt.
SBTRKT kitzelt stimmungsvolle Sequenzen aus den Synthesizern, gönnt ihnen atmungsaktiven Raum für Klang und Atmosphäre. Auch wenn er ein weiterer englischer Produzent ist, der die Spielgärten von House, Dubstep und UK Funky durchpflügt und für sich beansprucht, stechen seine Songs stets eigenwillig heraus, sie sind akustisch gebrandmarkt, auf eine positive Weise.
Heraus kommt ein farbenfrohes Album, das nicht umsonst in manch Fachkreisen als Future-Pop betitelt wird. Das sich der Basskultur verschreibt, ohne ihr verschuldet zu sein. Das zugänglicher als Blake und Woon erscheint und obendrein breitere Facette in sich trägt. Ebenbürtig in den Bässen und Sub-Anhängern, mit ausgewogener Balance seiner in Beziehung stehenden Einzelteile.
Offtime-Shuffles bauschen sich für Halftime-Vocals auf. Stotternde Bässe bilden den Schatten von tippelnden Breaks und pulsierenden Melodien. SBTRKT wärmt die Salonfähigkeit des sich hierzulande wenig bekannten 2Steps auf. Und das dermaßen gekonnt, dass die Beats nie kitschig klingen, stattdessen ihre jeweiligen Vokalisten perfekt in Szene setzen (und umgekehrt). Eine gelungene Symbiose.
Sänger Sampha zum Beispiel, könnte mit seiner perfekten, R&B-Klischee-triefenden Stimme derartige Schnulzen par excellence bedienen, findet aber in "SBTRKT" den richtigen Wegweiser für einen urbanen Clubkontext. Für "Hold On" legt er hauchzarte Gesangsschwaden über die hölzernen Highlights, während im Hintergrund die Bässe brodeln. In "Trials Of The Past" besänftigt er rastlos steppende Drumpatterns, ähnlich wie Jessie Ware in "Right Thing To Do".
Ebenso stimmig paart sich die Stimme von Little Dragons Frontfrau mit den niedrigen Frequenzen von "Wildfire". Der beste Track des Albums. Lieblich konnotiert, ohne an Dynamik einzubüßen oder Richtung Kuschel-Pop zu entgleisen. In "Pharaohs" hingegen mischen sich hüpfende, gutgelaunte Synthies unter die Stimmbänder Roses Gabors. Ganz ohne fremde Hilfe kommt das Finale ("Go Bang") aus, das den Besucher als Flying Lotus-Fremdenführer zur Türe geleitet.
In bloßen 40 Minuten Spielzeit scheint sich SBTRKT mit nur wenigen Tracks geographisch als auch stilistisch einmal quer über den Kontinent zu bewegen. Die Übergänge sind dabei nicht fließend, sondern nahezu unsichtbar. Starrer Electro, Kalimba-Klimpereien, weiche Klang-Polster, Chicago-House, planschender Drum & Bass, wobbelnde Bässe - allesamt anwesend, doch jeweils so gefühlvoll und nahtlos ineinander geblendet, dass keine Grenzüberschreitung aufdringlich erscheint. So klingt Post-Garage-Dubstep mit Nivea-Einschlag. Extra gründlich einbalsamiert, dass er längstmöglich geschmeidig bleibt.
Paradoxerweise ist nichts wirklich schlecht an "SBTRKT", alles ist gut aufpoliert und erstrahlt in glänzenden, gutgelaunten Bassmassagen. Ebenso wippt der Sound gekonnt mit dem Fuß der temporären englischen Clubkultur. Trotz alldem schafft die LP nicht die Art nachhaltiger Hörerfahrung, die noch tagelang in den Gehirnzellen nachwummert. Nie vermag sie ihren Kopf komplett empor zu strecken. Und manch Arrangement hätte sich sicherlich auch nicht gegen eine zusätzliche Minute gesträubt, dass ein Teil der Songs nicht wie bloße Radio Edits erscheinen. Aber bei einem Debüt ist das ein bloßes Luxusproblem.
9 Kommentare
"Ich hör Post-Garage-Dubstep - aber du hast wahrscheinlich nie davon gehört."
Ich mag Dubstep ja überhaupt nicht, viel zu lahm, der Mist...Liquid DnB ftw!
Gema, Du H**e. Gib uns die Musik zurück.
Edit: Wildfire föhnt mich jetzt nicht grade weg.
Ohne "Right Thing To Do", "Something Goes Right" und "Pharoahs" wäre es perfekt ..., aber so geb ich gerade noch 3/5.
Bei "Wildfire" gefällt mir das komische Getröne bevor sie "Heeeeeey ... " schreit nicht. (Weiß nicht wie ichs besser beschreiben kann )
@mobeat also wie skream?
Edit: auf seiner Seite sind Mixes für rinse.fm drauf. Die gehen erstmal steil
Wie Skream ohne Autotune Scheiß.