laut.de-Kritik

Eine echte Entdeckung für Freunde elektronischer Musik.

Review von

Das tolle Duo Sankt Otten ist eine echte Entdeckung für Freunde elektronischer Musik von Pop bis Kraut. Wer bei dem Bandnamen an üblen Sakro-Pop denkt, darf beruhigt sein. Auf der "Messias Maschine" verbindet sich die Moderne gekonnt mit den Ikonen des Kraut, von Can über Klaus Schulze bis hin zu Kraftwerk.

Auf Gesang verzichten Sankt Otten komplett. Alles bleibt rein instrumental. Das Quäntchen organischer Wärme, das ihren Sound so einzigartig macht, holen sie über Oliver Klemms Gitarre und Bass ins Boot. Das funktioniert hervorragend, ohne sich dem Rock anzubiedern. Der Hörer vermisst keine Sekunde lang den Einsatz von Stimmen.

Worte brauchen sie ohnehin nicht. Deren Fehlen unterstreicht noch ihre als humorvoll-sarkastische Wortspiele höchst gelungenen Songtitel wie etwa "Nach Dir Die Sinnesflut" oder "Endlich Ein Schlechter Mensch". Auch der Titel der Platte ist kein Zufall. In Anspielung auf Kraftwerks Meilenstein spielen sie gerne den Heiland für all jene, die schon immer mal hören wollten, wie es klingt, wenn man die eigentlich streng getrennten Elektro-Schulen aus Berlin und Düsseldorf miteinander zu einem ganz eigenen Soundteppich verknüpft.

Das gelingt ihnen ganz und gar souverän. Die Berliner Schnauze in Form von Tangerine Dream/Schulze-Sequenzern paart sich leidenschaftlich mit herrlich rheinischem Space-Getüdel samt Theremin. Das klingt sehr melodisch und dem Pop nicht abgeneigt, wie etwa der Ansatz von Bartos oder Riechmann. Die Klasse der Musik von Sankt Otten findet sich als Nachhall ebenso in der sehr crediblen Gästeliste.

Jaki Liebezeit (Can, Phantom Band, 17 Hippies) steuert gleich auf mehreren Liedern seinen unverkennbar motorisch groovenden Stil bei. Anspieltipp: "Du Hast Mich Süchtig Gemacht". Harald Großkopf - der neben Ashra Tempel auch die großartigen Schulze Klassiker "Moondawn" und "Body Love" einspielte - duelliert sich auf "Wenn Ein Masterplan Keiner Ist" superb mit der sanften Gitarre Klemms. Und Ulrich Schnauss leistet einen hervorragenden Beitrag als sich perfekt einfügender Vertreter der moderneren Elektromucke.

Das große Plus Sankt Ottens ist hierbei der überbordende Ideenreichtum. Kreativität, die die Einflüsse der Pioniere nicht lieblos zum kleinsten gemeinsamen Nenner der Massenkompatibilität nivelliert, sondern sorgsam wie Puzzleteile integriert und weiter entwickelt. Eine künstlerische Methode vor der man nur den Hut ziehen kann.

Mein persönlicher Höhepunkt ist das zwölfminütige Finale "Endlich Ein Schlechter Mensch". Hier treffen die beiden "freundlichen Ottis" auf den sinistren Saxophonschamanen von "Bohren Und Der Club Of Gore", Christoph Clöser. Hocherotisch und komplett in Zeitlupe fährt letzterer das Lied herunter bis zu jener dunklen Pforte, an der unheilig verderbter Doomjazz und zutraulicher Ambient eins werden.

Egal ob Pop, Ambient, Trance oder Kraut. Egal ob alt oder jung: In dieses höchst gelungene Album sollte jeder einmal reinhören. Und sei es nur, um mit diesem Gegengift vom unseligen Global Pop fort zu kommen.

Trackliste

  1. 1. Du Hast Mich Süchtig Gemacht (feat. Jaki Liebezeit)
  2. 2. Die Messias Maschine
  3. 3. Mach Bitte, Dass Es Leiser Wird (feat. Miles Brown)
  4. 4. Im Himmel Angekommen (feat. Ulrich Schnauss)
  5. 5. Das Grosse Weinen Ist Vorbei (feat. Jaki Liebezeit)
  6. 6. Da Kann Selbst Gott Nur Staunen (feat. Coley Duane Dennis)
  7. 7. Das Geräusch Des Wartens (feat. Jaki Liebezeit)
  8. 8. Wenn Ein Masterplan Keiner Ist (feat. Harald Grosskopf)
  9. 9. Nach Dir Die Sinnesflut (feat. A. E. Paterra)
  10. 10. Endlich Ein Schlechter Mensch (feat. Christoph Clöser)

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