laut.de-Kritik
Keine Schändung sondern Shanty!
Review von Ulf KubankeObwohl bekennendes Nordlicht drückte ich mich bislang erfolgreich vor den Alben der Chartstürmer Santiano. Zu groß die Befürchtung, sie seien mehr Schandfleck als Glanzpunkt, mehr Karikatur als Hommage auf der nordischen Landkarte. So ist "Von Liebe, Tod Und Freiheit - Live" tatsächlich mein Erstkontakt mit ihrer Musik. Beim Klabautermann! Diese Spielleute sind viel besser als erwartet.
Das Sympathische an diesem Konzert: Besonders im Gegensatz zu schwarz oder mittelalterlich angepinselten Genrekollegen gaukeln Santiano dem Publikum keine Sekunde lang Tiefgründigkeit vor, die in Wahrheit nicht vorhanden ist. Hier gibt es Showbiz-Entertainment der alten Schule. Auch Axel Stosbergs frühere Mitgliedschaft im legendären Ohnsorg-Theater zahlt sich on stage sichtbar aus.
Der Opener "Lieder Der Freiheit" - eine Variante von Mike Oldfields "To France" - ist im Stadionrock-Kontext ein geschickter Schachzug. Keine Schändung sondern Shanty! Auch handwerklich kann man den alten Hasen keine Buddel an den Kopf werfen. Besonders Pete Sages Geige rettet die Songs vor dem gelegentlich drohenden Absturz ins Flachwasser.
Zwischendurch gibt es 'n büschen Klönschnack mit dem songdienlich euphorisierten Publikum. Dabei halten sie die wichtige Rockstar-Balance zwischen Geschwätz, Anbiederung und Wortkargheit. Die ebenso zutreffende wie unaufdringliche Ansprache zur Freiheit klingt erfrischend lakonisch. Wenn sie kurz darauf mit "Land Of Green" die grüne Lavalampe anknipsen, müssen sie sich hinter Folklegenden wie The Corries nicht verstecken.
Hörbar ist nicht jeder eigens verfasste Track reines Songwritergold. Um so größer die Leistung, dies im Livekontext mit maximaler Leidenschaft und Atmosphäre gekonnt zu verbergen. Sobald Santiano hingegen echtes Lokalkolorit, Mythen oder Traditionals einflechten, sind sie besonders gut. Seemannsgarn wie "Rungholt" oder "Alle Die Mit Uns Auf Kaperfahrt Fahren" fließt ganz natürlich. Es ist authentischer Teil der musikalischen wie geografischen Herkunft Santianos; seit Ewigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben.
So bekommt man mit diesem Gig Party ohne Peinlichkeit und Kopfabschalten ohne Koma. Der Auftritt umschifft Fettnäpfe wie das ausgelegte Fischer-Netz und Untiefen wie den unheiligen Berg, ohne im blanken Hans zu ersaufen.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Yowsen, Probs und Shouts gehen raus an Santibrudi. Glückwunsch zur 3/5. Hast dich echt gemacht.
ich hätte mich tatsächlich einmal fast gen "santiago" verschrieben.
Ungehört 3/5