laut.de-Kritik

Klassischer Gangstarap, der moderner kaum sein könnte.

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Manchmal, aber nur manchmal, findet man sie, konstruktive YouTube-Kommentare. Einer geht so: "Kendrick had their hearts, but now it's time to turn up". Unterschreibe ich mal eben genau so. Denn obwohl "good kid, m.A.A.d. city" die wahrscheinlich beste Rap-Platte der jüngeren Zeitrechnung war, und ScHoolboy Q diese als selbsternannten Gradmesser ausgab, lassen sich beide Alben nur schwer in einen Topf werfen. Sie sind doch von Sound und Inhalt nahezu grundverschieden.

Eine essenzielle Gemeinsamkeit besteht dennoch: Quincy hat wie K.Dot eine Geschichte zu erzählen. Zweiterer skizzierte seine aus der Sicht des rechtschaffenen Jungen, der der Gewalt und dem Struggle auf den Straßen Comptons entkommen wollte. Q hingegen war als Mitglied der Hoover Crips ein waschechter Gangsta aus South Central. Er saß sechs Monate wegen eines Einbruchs im Knast, jahrelang war er abhängig vom verschreibungspflichtigen Medikament Oxycodon. Das Oxymoron in der Geschichte des Oxy-Morons? Er tat es für seine kleine Tochter Joy, die auch das Cover der Platte ziert.

Sie ist es auch, die das Album mit den Worten "Fuck rap, my daddy a gangsta" einläutet. Yup, "Oxymoron" ist ein klassisches Gangstarap-Album geworden, das moderner kaum sein könnte. Der Hip Hop-Purist mag zunächst aufschrecken, darf aber beruhigt sein: Zu keiner Sekunde verliert sich das Album im faden Einheitsbrei der Trap-Fließbandware aus Übersee.

Das Soundbild präsentiert sich zuweilen tonnenschwer und stockdunkel, bewahrt sich aber stets die nötige Dynamik. Vermischt mit der rotzigen und kantigen Attitüde des Schuljungen entsteht eine einzigartige Ästhetik.

Eindrucksvoll auf die Ohren bekommt man diese gleich zu Beginn. Das aggressive Auf-die-Fresse-Brett "Gangsta" legt den Grundstein für den folgenden virtuosen Flow-, Storytelling- und Beat-Wahnsinn. So hätte das von Pharrell produzierte "Los Awesome" auch locker seinen Platz auf "Hell Hath No Fury" finden können, stattdessen aber versieht Q es gemeinsam mit Black Hippy-Kollege und Realkeeper Jay Rock mit über jeden Zweifel erhabenen Verses. Ebenfalls spannend zu beobachten ist Qs einzigartiges Talent für eingängige Hooks.

Im Vorfeld bewies dies der selbsternannte "Man Of The Year" bereits im gleichnamigen Song mit sphärischem Chromatics-Sample. Auf "Oxymoron" führen diese Tradition der Party-Anthem "Hell Of A Night" oder die Uptempo-Nummer "Collard Greens" inklusive einem über den Dingen stehenden Kendrick-Part fort. Auch das von Alchemist produzierte "Break The Bank" steht dem in nichts nach, während Q mit Flow-Variationen und Reim-Patterns jongliert. "Ladadido, ladidadidadido/ Now we 'bout to break the bank/ Money be on my miiiiind".

Apropos Skills in puncto Songwriting und -struktur: ScHoolboy Q ist (leider) einer der wenigen, der sich vom gängigen Hook-Part 1-Hook-Part 2-Schema loslöst und mit gelungenen Bridges, Interludes und auch Beatwechseln ("Hoover Street") eine erfreuliche Unvorhersehbarkeit erzeugt. Hinzu kommen seine Trademark-Adlibs, durch die er schon auf "GKMC" mit einem Einzeiler einen Mini-Hype generierte. Dass der Junge obendrein noch etwas zu erzählen hat, lässt sich bereits mit einem Blick auf die Spielzeiten der einzelnen Songs erkennen, die zumeist an der für Rap unüblichen Fünf Minuten-Marke kratzen.

Am ersichtlichsten wird Qs Vergangenheit besonders in zwei, vielleicht drei Songs. Während Omi hierzulande lecker Kuchen backt, bekam Quincy von seiner einen Einführungskurs in Sachen Knarren. Mit elf Jahren. Der erste Freund mit einer AK im Waffenschrank ließ nicht lange auf sich warten und Qs Karriere war früh besiegelt. Via Zeitreise blickt er zurück in die "Hoover Street". Der Straße, in der Q seine Kindheit und Teile seiner Jugend verbrachte.

Wie so oft nimmt die Geschichte (zunächst) den schlechtmöglichsten Verlauf: Oxycodon, Xanax, Valium – Q wird tablettenabhängig und verabschiedet sich mehr und mehr aus der Realität. Thematisiert wird diese Zeit auf "Prescription/Oxymoron". Besonders die von seiner Tochter gesprochene Hook "What's wrong, daddy?! Wake up! Wake up!" auf einem orientierungslos vor sich hin dümpelnden Beat geht – wie der komplette Song – tatsächlich ziemlich nahe.

Die Geschichte aber wäre wohl nur halb so spannend, würde sie kein gutes Ende nehmen. Denn heute steht Q mit seinen Kindheitsidolen im Studio und nimmt Hits auf. Mit Odd Future-Krawallmacher Tyler und dem fast schon totgeglaubten Gangstarap-Pionier Kurupt zerlegt er einen Anarcho-Sirenen-Beat von ersterem, mit Chef-Mafioso Raekwon philosophiert er auf "Blind Threats" auf einem organisch-warmen Beat über Gott und dessen Untätigkeit.

"But if god won't help me, this gun will/ I swear I'm gon' find my way", heißt es da. Der eingeschlagene Weg scheint nicht ganz falsch zu sein. Und das ganz ohne Guns.

Trackliste

  1. 1. Gangsta”
  2. 2. Los Awesome (feat. Jay Rock)
  3. 3. Collard Greens (feat. Kendrick Lamar)
  4. 4. What They Want (feat. 2 Chainz)
  5. 5. Hoover Street
  6. 6. Studio (feat. BJ The Chicago Kid)
  7. 7. Prescription/Oxymoron
  8. 8. The Purge (feat. Tyler, The Creator & Kurupt)
  9. 9. Blind Threats (feat. Raekwon)
  10. 10. Hell Of A Night
  11. 11. Break The Bank
  12. 12. Man Of The Year

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