laut.de-Kritik
Zwischen Dream Pop, süßem Gitarrenpop und Shoegazing.
Review von Anne Nußbaum"The heart of creation is the only thing proven true to me". So zirpt eine engelsgleiche Glockenstimme, von der man kaum glauben mag, dass sie einer menschlichen Kehle entspringt. Das Herzblut ihrer kreativen Energien müssen School Of Seven Bells in der Tat angezapft haben: Ihr zweites Werk "Disconnect From Desire" ist ein einziger luzider Traum aus entrückender Schönheit, ätherischen Melodien, dezent düsterer Elektronik und sphärischen Klanggewölben.
Schon mit ihrem Debüt "Alpinisms" schlug das Trio aus New York wie ein Regenbogen-Blitz in die vom Standardrepertoire angeödeten Ohren der Indiepop-Gemeinde ein. Benjamin Curtis, ehemals Secret Machines, und die elfenhaft-anmutigen Zwillingsschwestern Alejandra und Claudia Deheza der Band On! Air! Library! entfachten gemeinsam ein Feuer in den Herzen vieler Musikjournalisten.
Zwielichtiger, rhythmischer, tanzbarer ist nun "Disconnect From Desire" geraten. Wie schon der Vorgänger entwickelt auch die neue Platte eine subtile Sogwirkung. Die eine Abkopplung von allen Sehnsüchten und Begierden verheißende Prophezeiung im Titel erfüllt sich nicht. Im Gegenteil: Es packt einen das Verlangen nach mehr.
"Windstorm" eröffnet die übersinnliche Odyssee mit katzenjammrigen Klängen, spukigen Soundschichten und himmlisch-brillierendem Gesang. Federleicht und schwärmerisch pendeln SVIIB, wie die Formation ihren vollen Bandnamen mystifiziert, zwischen Dream Pop, Ambient, Synthiesound, melancholisch-süßem Gitarrenpop, ein bisschen Shoegaze und ein paar Psychedelic-Anspielungen.
Dunkle New Wave-Einschläge prallen auf die glasklaren Stimmen von Alejandra und Claudia. "Heart Is Strange" drängt trotz aller träumerischen Schwelgerei auf den Dancefloor: Ordentliche Bassvibration, Gitarreneinlagen und Synthiespielereien erzeugen einen Beat, der nach vorne geht und neckisch zum Tanz einlädt.
Selbes gilt für "Dust Devil": Die Düsternis, die satten Klangfarben und die mehrlagig übereinander geschichteten, im Echo hallenden Kopfstimmen negieren keineswegs die Clubtauglichkeit. "So many times I've tried / Looking into your eyes for a sign / That maybe you feel the same but you don't". Klingt nach unerwiderter Liebe - bis die bittersüße Ironie unmerklich ins mitleidvolle Romantikerherz vordringt wie eine fein ziselierte Nadel: "I was a fool to think / It'd be easier to leave / Than to be left behind". Nicht vom Verlassenwerden, sondern vom Verlassen singen die schönen Schwestern. Die Gefühle sind längst vergangen.
Fast wie ein Orgelchoral beginnt "Dial" auf dem eingestrichenen C, nur manchmal einen Halbton nach unten abgleitend, bis Gitarrenriff, Drums und Pianoklänge einsetzen und der Song einen rockhymnischen Touch bekommt. Gedankenverlorenes Synthie-Geplänkel und der Sirenengesang lassen das Bewusstsein in ungeahnte Tiefen abdriften.
Dunkel erschafft "Camarilla" im Intro eine leise brummende Noise-Szenerie. Zwischen den weltlichen Achzigern und höheren Gefilden, die über alles profan Diesseitige erhaben sind, wankt auch "Bye Bye Bye". Der Song vereint schaurig-schöne Melodien, poppigen Rhythmus und gespenstische Effekte.
Die New Yorker kreieren vertrackte Soundgebilde, die dichotomisch von Gegensatzpaaren wie Euphorie und Melancholie, üppigen Beats und flirrenden Synthieklängen, abstrakter Mystik und irdischer Bodenständigkeit, Konsonanz und Dissonanz geprägt sind. Berührend legen die Zwillingsschwestern dazu ausgedehnte ätherische Klänge am Rande diskreter Verzerrung und Übersteuerung über das Instrumentarium.
Die Platte nimmt uns mit auf einen surrealen Trip durch eine versponnene Geister- und Feenwelt. Die SVIIB-Traumtänzer mäandern durch unterschwellige elektronische Klangsphären, hintergründige Geräuschgestalten, honigsüße Kanons und klar gezupfte Gitarrenlines.
Beglückt mit nackten Füßen über die Wiese taumeln, durch die Baumwipfel eines Tannenwaldes irrlichtern oder mit ausgebreiteten Armen von der Felsklippe hüpfen, schwerelos durch den Nachthimmel gleiten, von Stern zu Stern tänzeln und zwischendurch auf der Mondsichel ausruhen - das alles möchte man gern zu "Disconnect From Desire". Oder, wenn man (anders als das Trio) weder fliegen noch zaubern kann: Einfach in die Tiefen des halbwachen Bewusstseins abgleiten - im Bett oder auf der Tanzfläche.
1 Kommentar
ist gekauft. der vorgänger war schon erstklassig.
EDIT: auch noch homogener als der vorgänger. viele der elctro-spielereien wie die beats kommen verdammt gut rüber. tolles album.