laut.de-Kritik

Musikalisch nuanciert, textlich platt.

Review von

Manche Wortspiele sind dann sogar dem um keine abgedroschene Überleitung verlegenen Journalisten zu offensichtlich. Verkneifen wir uns also alle Worthülsen mit dem Albumtitel und einigen wir uns stattdessen einfach darauf, dass seit Selena Gomez' letztem Album "Revival" eine für das schnelllebige Popgeschäft ungewöhnlich lange Zeit vergangen ist. In den letzten vier Jahren hat die Musikerin mit auf- und abklingenden Beziehungen zu anderen Pop-Größen und persönliche Krisen zwar fleißig die Boulevardblätter beliefert, allerdings mit Ausnahme vereinzelter Singles, allen voran dem beeindruckenden "Bad Liar", kaum mit musikalischen Statements von sich reden machen.

Durchaus geschickt kündigt die Sängerin ihr drittes Album im Vorlauf als "Tagebuch der letzten paar Jahre" an. Vom erzählerischen Bogen her ist "Rare" dabei klar ein Trennungsalbum, auf dem die Sängerin vom Schmerz der gegenseitigen Entfremdung ("Rare") über verschiedene Strategien diesen zu bekämpfen ("Ring") bis hin zur (vorgeblichen) Überwindung ("Look At Her Now") die üblichen Etappen durchläuft. So weit, so bekannt also. Dass das öffentliche Interesse daran doch noch mal ein gutes Stück größer ist, wenn der Ex Justin Bieber bzw. The Weeknd heißt, dürfte klar sein...

Mit beiden geht Gomez im Verlauf des Albums zwar durchaus nicht zimperlich um, eine Hauptrolle spielen sie jedoch nicht. Der Fokus liegt nicht im sentimentalen Rückblick, sondern ganz klar auf der Bewältigung. Für die geht es gleich zu Beginn des Albums nach einer ersten Anklage erstmal auf die Tanzfläche. "Rare" ist sehr elektronisch ausgelegt und das Nachtleben steht gleichsam als Ort des Ausbruchs ("Dance Again"), des Experimentierens mit der zurückgewonnenen Ungebundenheit ("Ring"), aber auch als der Raum, an dem alte Konflikte wieder hochkommen und neu verhandelt werden ("Crowded Room").

Musikalisch wirkt das absolut stimmig, allerdings lässt sich schwer verheimlichen, dass die ins Zentrum gerückten Botschaften und Metaphern des Albums ("I had to lose you to love me"), ("I think you're kind of crazy but not the good kind"), ("People can go from people you know to people you don't") oftmals leider nicht über simple Instagram-Weisheiten herausgehen. Nur folgerichtig also, dass Selena Gomez, mit 165 Millionen Followern eine der meistgefragten Personen der Plattform, ihr Album dort auch genauso bewirbt.

Nun ist es mit Sicherheit nicht oberster Anspruch eines Mainstream Pop-Albums textlich besonders subversiv oder innovativ vorzugehen, trotzdem ist man dankbar, dass die Fassade im Laufe des Albums immer wieder bröckelt. Thematisch, musikalisch und auch im Vortrag der Sängerin scheinen immer wieder Zweifel und Selbstbetrug durch, sodass sich einige markante Aussagen wie "she knows she'll find love" durchaus selbst als Durchhalteparolen entlarven. Das gibt dem Album bei allem Selbstbewusstsein eine zweite subtilere Ebene, die die Spannung aufrechterhält.

Auch musikalisch ist "Rare" dann am stärksten, wenn dem klassischen Pop-Konzept weitere Elemente zur Seite gestellt werden. Das gilt für die Latin-Anleihen auf "Ring", wie für das hedonistische "Fun", das mehr als nur ein bisschen an Prince erinnert.

Und auch auf der pathosgetränkten Ballade "Lose You To Love Me" macht Gomez eine gute Figur und präsentiert sich im Verlauf des Albums als Sängerin bedeutend versatiler, als viele ihr das zurückgetraut hätten. Da verzeiht man dem Album auch, dass nach starkem Beginn zur Mitte hin doch einiges nicht gelingt und Songs wie "People You Know" und "Cut You Off" arg hölzern geraten.

Zugeben: an das große Pop-Trennungs-Album der letzten Jahre reicht "Rare" nicht heran. Ein stark produziertes, ein rundes, ein fein nuanciertes Album ist es trotzdem. "Rare" kommt an manchen Stellen opulent mit Effekten überfrachtet, an vielen jedoch clever zurückgenommen daher. Vom Image des Teeniestar hat sich Gomez schon mit "Revival" emanzipiert. Mit 27 steigt sie nun endlich in die erste Liga der Popmusik auf.

Trackliste

  1. 1. Rare
  2. 2. Dance Again
  3. 3. Look At Her Now
  4. 4. Lose You To Love Me
  5. 5. Ring
  6. 6. Vulnerable
  7. 7. People You Know
  8. 8. Let Me Get Me
  9. 9. Crowded Room (Feat. 6lack)
  10. 10. Kinda Crazy
  11. 11. Fun
  12. 12. Cut You Off
  13. 13. A Sweeter Place (Feat. Kid Cudi)

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