laut.de-Kritik
Mal einen auf dicke Hose machen.
Review von Daniel StraubTechno ist nicht nur Musik, Techno ist eine Glaubensfrage. Das zumindest könnte man meinen, wenn man die neue Doppel-CD des Berliner DJs Shir Khan in Händen hält. "Maximize!" ist der Titel des Albums. Und diesen als provozierende Antwort auf Richie Hawtins minimalistische Sound-Philosophie zu deuten, erfordert nicht gerade viel Fantasie. Wie es mit Techno weiter gehen soll? Shir Khan und Richie Hawtin jedenfalls scheinen das ganz genau zu wissen.
Und während der eine sein Heil seit geraumer Zeit im Microklangdesign sucht, geht der andere genau in die entgegengesetzte Richtung. Dicke Beasts, ein voluminöser Groove und plastische Sounds sind angesagt, wenn Shir Khan ans Mischpult tritt. Nicht die isolationistische Selbsterfahrung in Soundnuancen steht hier im Vordergrund, sondern die unverhohlene Huldigung der Disco als Ort der Party, als Spielwiese zügellosen Auf-die-Wurst-Hauens.
So viel zunächst einmal zum Anspruch, mit dem "Maximize!" auftritt. Eine heiße Suppe, bei der Verbrühungsgefahr besteht, wenn man davon nascht. Aber bekanntlich wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Eine Weißheit, die sich auch bei "Maximize!" bewahrheitet. Nach dem ersten Hördurchgang der beiden CDs und einem intensiven Blick auf die Tracklist, bleibt vom programmatischen Anspruch Shir Khans nicht viel übrig.
Die Tracks bedienen häufig die gerade angesagte Rave-Schiene, wie sie vom französischen Label Ed Banger vertreten wird. Simian Mobile Disco, Munk, Digitalism, Adam Sky, Riot In Belgium oder Justice sind nur einige der Produzenten, die Shir Khan mixt. Das macht er handwerklich exzellent und kombiniert die Tracks oftmals neu, Acapella und Instrumental-Mixe finden so in ungewohnter Konstellation zueinander. Der Mix bringt alles zusammen dann druckvoll nach vorne. Das macht Spaß, gerade auf der Tanzfläche.
Neu ist diese Arbeitsweise aber mit Sicherheit nicht. Referenzpunkte, die nun kommen müssen sind Optimo und 2Many DJs. Beide Artists verfolgen bereits seit Jahren eine ähnliche Soundästhetik und müssen sich in punkto technischer Versiertheit sicher nicht vor Shir Khan verstecken. Auch sie produzieren eigene Remixe, die sie in ihren Sets dann verwenden können. Auch sie springen gerne zwischen den Genres, packen New Wave, Hip Hop, Electro, House, Disco, Funk und Techno in einem stimmigen Set zusammen.
Am Ende bleibt "Maximize!" ein gutes DJ-Set, das aber auch seine Längen hat. Und das ganze aufgesetzte und rechthaberische Getue zeigt eigentlich nur, wie dünn die Luft in der Techno-Hauptstadt Berlin längst geworden ist. Da muss man schon beide Ellbogen ausfahren und dem anderen kräftig vor den Latz treten, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
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