laut.de-Kritik
Der magische Moment von Detroits bizarrer Scam-Rap-Szene.
Review von Yannik Gölz2019 war ein gutes Jahr, eine lokale Szene ins überregionale Bewusstsein zu rücken. Detroit war zwar kein absolutes Vorzeigekind, aber die Dominanz von Künstlern wie Tee Grizzly und jüngst auch Sada Baby und Teejayx6 hat ein Fenster geöffnet, mit dem eigenwilligen Sound der Stadt zu glänzen. Die Shittyboyz, ein Trio von lachsigen jungen Typen, haben die Scam-Rap-Welle von Teejayx6 und Kasher Quon im richtigen Moment aufgegabelt, unterfüttern das aber mit deutlich mehr Mic-Skill. Ihr neues Album "New Year Same Scams" offenbart sich als archaisches Mixtape, auf dem sich auf magische Weise aus einem Gimmick ein organischer Sound schält.
Um kurz Kontext zu geben: Scam-Rap dürfte als Genre-Beschreibung denkbar unnütz sein, stellt das doch nur einen albernen Dreh auf die Idee dar, dass Gangster-Rap als Umschreibung alle Themen eines Lebensgefühl umfassen könne. Aber ja, Scam-Rapper rappen über ihr Leben als Scammer. Ihre Kriminalität umfasst nicht die Trap und nicht den Block, sondern ein Kinderzimmer mit Darkweb-Zugang, Kreditkarten-Fälschung und Enkeltricks. Klingt erstmal dämlich (ist es auch), führt aber zu einer Attitüde, die auf "New Year Same Scams" zu glorreicher Albernheit ausgereizt wird. Die Jungs sind absolut kaltschnäuzig, von sich selbst kein bisschen beeindruckt und rappen nur, weil sie die Absurdität ihres Erfolgs selbst nicht so recht fassen können.
Babytron, TrDee und StanWill sind halbstarke Wichte ohne einen Funken Moral im Körper, die dafür aber eine ganze Menge Cartoons gesehen haben und mit Musikern wie Lil B, Lil Durk, Lil Uzi Vert oder Waka Flocka Flame aufgewachsen sind. Ihr Rap ist so sehr Meme wie die ganze Scam-Geschichte. Der Witz dahinter wird aber im Laufe des Tapes kaum alt. Songs wie "Ghostbusters", "Everybody" oder "Kill Bill" bestehen aus Popkultur-Punchlines im Dauerfeuer. Arbeitsmoral bedeutet hier Rap-Spaß und Spaß-Rap sein zu lassen. Dass hat gleichzeitig den Esprit eines 100 Download starken Mixtapes auf DatPiff und der Frühphase von Gucci Mane. Erst wird gerappt, dann nachgedacht - und das Ergebnis besitzt einen einzigartigen Charme.
Highlights wie "X Games" steigen hart ein. "Shittyboyz this, Shittyboyz that/ There's a whole lotta talk, a whole lotta cap/", rappen sie da und droppen dann Referenzen auf die Teen Titans und Mike Tyson. Der monotone Offbeat-Flow, den sie alle teilen wird des Öfteren mal mit dem Sound der Bay Area verglichen, und auch wenn gerade Leute wie Kalan.frfr oder Tee Grizzley durchaus ihre Parallelen mit einem Blueface oder einem 1takejay aufweisen, haben die Shittyboyz zu viel eigenen Flavour, um die Detroit-Version der Shoreline Mafia zu werden, die man ihnen zu sein unterstellt. Die Beats, die von Superproducer Helluva stammen, mischen Trap mit klassischem Detroiter Breakdance-Material und zeitlosen Arcade-Chiptune-Melodien. Es kling in dem Sinne nach der Bay Area, dass es bewusst billig klingt.
Moderner Untergrund-Rap hat eben einen Heidenspaß daran, die Billo-Ästhetik von mickrigen Internet-Mixtapes zu glorifizieren. Die besten Songs der Gruppe wie BabyTrons "Cheat Code" klingen wie ein talentierter Amateur, der aus seinem Headset auf ein Mp3-Rip rappt. Songs wie "Telephone Man" oder "Superfly" tönen gleichzeitig nach ikonischem Untergrund-Hit und nach völligem Mist. Aber die unmelodischen, perkussiven Bass-Hits von Helluva machen die Musik letztendlich zu etwas Besonderem und auf eine räudige Art und Weise tanzbar.
Alle MCs zeigen einen Heidenspaß beim Rappen, ihre bizarren Offbeat-Flows bleiben im Ohr und die Popkultur-Referenzen lassen den Unterhaltungs-Faktor nie versiegen. BabyTron setzt sich ohnehin durch markante Stimme, einzigartigem Flow und Antihumor und Anti-Charisma als Zugpferd der Gruppe ab. Seine Anti-Starqualität ist seine Star-Qualität, er setzt Tape-Highlights, wann immer er sich mit Doktor Doofenshmirtz aus Phineas und Ferb vergleicht. Aber die Gruppe funktioniert als Gruppe: eine absurde Kinderzimmer-Cypher von halbstarken Dudes, die sich ihre Comme des Garcons-Klamotten mit Kreditkartenbetrug finanziert haben, das Revenge Of The Nerds der Mixtape-Szene.
Noch keine Kommentare