laut.de-Kritik
Schlitzohriger Straßenjunge vs. Mainstream-Maschine.
Review von Robin SchmidtSido und ein Best-of ... da war doch schon mal was? Richtig! Bereits vor sechs Jahren presste er auf "#beste" seine bisherige Karriere in 40 Songs auf zwei CDs zusammen. Seitdem hat der ehemalige Maskenmann mit "30-11-80", "VI" und "Das Goldene Album" drei Soloplatten releast. Zudem reiste er mit Kool Savas erneut in die Tiefen des legendären "Royal Bunker". Da das allein aber offenbar nicht genügend Füllmaterial liefert, spendiert Sido auch noch 18 seiner Gast-Parts aus den letzten Jahren. Die neuerliche Ansammlung seiner – für ihn – wichtigsten Einzelstücke tauft er "Kronjuwelen".
Damit es kein bloßer Ritt durch die letzten Jahre wird, leitet der Berliner das Geschehen zunächst mit zwei gänzlich neuen Tracks ein. Wobei man bei "Tausend Tattoos" nicht wirklich von einer wahnsinnig innovativen und neuen Songidee sprechen kann: Bewahrte Sido früher "Bilder Im Kopf" auf, trägt er jetzt halt "Tausend Tattoos auf der Haut". Genau nach diesem Strickmuster funktioniert die Single auch als lupenreiner Abklatsch fürs Radio. Aber dahin will Sido ja auch in Zukunft, wie er uns im Interview verraten hat.
Eine Nummer sportlicher geht es in "4 Uhr Nachts" zu. Kool Savas trifft zum ersten Mal in einem Song auf Haftbefehl. Gemeinsam mit Sido heizen sie mit ihren Boliden nachts über Deutschlands Straßen. Tiefsinnige Lyrics bleiben dabei zwar auf der Strecke, dafür rummst der Beat von DJ Desue ordentlich durch die Kofferraumboxen.
Da man sich eh grade schon mit Savas an Sidos Seite eingegroovt hat, folgen "Jedes Wort Ist Gold Wert", "Neue Welt" und "Masafaka". Die Liebe zu Hip Hop und die Kleinkriege gegen Wack-MCs und die Medienlandschaft bilden den Kern dieser Tracks. Dabei bleibt aber alles im Rahmen der Kunst, so richtig Gift und Galle spuckt hier keiner der beiden.
Mit "Hamdullah" und "Geuner" serviert Sido dann die beiden stärksten, weil bouncenden Werke des goldenen Albums, das mit einem gewissen Nostalgie-Level Fans der ersten Stunde abholen sollte. Unter die Kopfnicker-Beats reihen sich auch noch "Löwenzahn" und "Ackan" ein.
Wer den schlitzohrigen Straßenjungen weiterhin als solchen im Gedächtnis behalten will, spule an dieser Stelle zurück und lasse die ersten zehn Anspielstationen erneut laufen. Wer die Mainstream-Maschine kennenlernen will, höre jetzt weiter. Sein Nummer-eins-Hit "Astronaut" eröffnet nicht nur die zweite Albumhälfte, sondern mittlerweile sicherlich auch die ein oder andere Malle-Party in Dorfdiskos. Sido wird es egal sein. Hauptsache "Zuhause Ist Die Welt Noch In Ordnung".
Wenn die Welt allerdings aus den Fugen gerät, spricht das ehemalige Aggro-Aushängeschild die Probleme offen und ungeschönt an. "Gürtel Am Arm" behandelt die Geschichte eines heroinabhängigen Jugendlichen, in "Papa Ist Da" bereitet Sido seine Kinder auf den tagtäglichen Struggle im Leben vor. In "Einer Dieser Steine" flickt Sido zwar zwei gebrochene Herzen wieder zusammen, beim schmalzigen Gesang von Mark Forster hilft aber nicht einmal mehr ein Arzt.
Dass sich Sido all dieser Themen annimmt, spricht für seine Reife als Mensch und als Künstler. An der Umsetzung könnte er aber in Zukunft noch etwas feilen. Die Tracks, die auf die breite Masse abzielen, wirken zwar sauber produziert, bleiben aber einfach zu leicht vorhersehbar, vor allem hinsichtlich Reimstruktur und Tiefgang.
Kurz vor Torsschluss seiner eigenen Songs haut er dann aber doch nochmal gemeinsam mit der halben Rapszene auf die Kacke. Insgesamt 18 andere Rapper schnürten 2013 zum "30-11-80", seinem Geburtsdatum, einen Part für seinen Ehrentag. Ein mehr als abwechslungsreicher Track, den man getrost auf Dauerschleife laufen lassen kann.
Die wilde Party mit Freunden geht dann im Grunde genommen nahtlos weiter. "Richtung Para" mit Capital Bra fungiert als Opener der B-Seite, die sich aus Sido-Features der letzten Jahre speist.
An diesen Songs sieht man sehr deutlich, wofür Sido mittlerweile steht: nämlich dafür, alles und jeden zu bedienen. Mal fährt er seinen "Nie-erwachsen-werden-Film" ("Kein Bisschen Reifer" mit Pillath, "Die Jungs Dabei" mit Estikay), mal schwelgt er in Erinnerungen an alte Tage ("Gheddo Reloaded" mit Eko Fresh, "Nie Mehr Broke" mit Mortel und Fler, "Triumph" mit Kool Savas und Azad), mal wird es ganz poppig bunt ("Blau" mit Amanda, "Die Nacht Von Freitag Auf Montag" mit SDP).
Sechs Jahre nach seiner ersten Compilation bündelt Sido auf seinem zweiten Streich einige hymnenartige Kronjuwelen seiner Laufbahn. Sowohl Anhänger aus älteren Tagen als auch neu dazugekommene Fans sollten diesem Best-of etwas abgewinnen können.
6 Kommentare mit 12 Antworten
Ankündigung, Release und Anhören komplett an mir vorbeigegangen
Wenn ich so darüber nachdenke, ist "Astronaut" wohl eines der langweiligsten Songs, die ich kenne. Es ist fast schon störend langweilig. Kennt ihr das, ihr fahrt im Auto und Astronaut kommt im Radio, und ihr denkt so "Och nee, jetzt könnte doch auch jedes andere Lied laufen...", z.B. Toxic von Britney Spears, oder Mama von Heintje oder der Zillertaler Hochzeitsmarsch. Oder Mmmbop. Oder Atemlos von Helene Fischer auf einem Nokia 3310 nachgespielt. Oder Werbung vielleicht. Ihr wisst wo das hinführt. Ich denke, viele andere haben das gleiche Problem wie ich, deshalb habe ich bei mir gedacht, da muss man sich doch vor schützen! Deswegen, wenn ihr nächste mal Astronaut hören müsst, ersetzt ihr einfach in euer Kopf drin die Wörter " Ich heb ab" mit "Schisch Kebap" (eigentlich sis, aber ich weiss nicht wie diese türkische s mit kaulquappe unten dran geht auf Tastatur...) und das Wort "Boden" mit "Hoden". So kann man das Lied ohne Autounfall überstehen. Hat bei mir schon 1 mal gaklappt! Hoffe euch geht gut!
Einfach kein Radio hören, so löse ich das Dilemma.
Die Kebap-Version gibts sogar schon
https://youtu.be/8ehOgK53f3o
Laut-Lifehacks. Ich bedanke mich!
@Dark Predator: Danke für den Hinweis, da hatte wohl jemand die gleiche Idee wie ich, gut wenn die Leute aktiv werden und sich und andere schützen!
NOch Idee von mir für Plattenfirmen: Um Verkehrssicherheit zu Gewehrleisten (gewährleisten), vor und nach Astronaut auf neuen CDs immer Arschficksong draufmachen. Dann sind die Leute wach und schlafen auch nicht ein am Steuer oder rasten aus oder so! (Auch ok: Astronaut weglassen und einfach so 2x Arschficksong auf CD drauf machen!())
@DeineMutterSindGeschwisters
Dein letzter Vorschlag klingt vernünftig
Passend dazu gibt's bestimmt die Box, bei der ein "glücklicher" Fan die Chance darauf hat, Sidos Kronjuwelen, die er schon vor Jahren an die Musikindustrie verkauft hat, zu gewinnen?
Kleine Nüsschen wie in Ferrero Küsschen.
Ab wann ging Siggi eigentlich sellout? "Einer dieser Steine" war der Startschuss, oder?
So in etwa. Würde ich ihm auch gar nicht so extrem übel nehmen, wenn da nicht diese Features mit Bourani, Forster und Co. wären. Man trägt eben nicht mehr denselben Mindset in sich, wenn man Frau, Familie, ein nettes Häuschen usw. hat. Solche Armleuchter sind aber nochmal eine völlig neue "Qualität" in den hässlichen Untiefen der deutschen Mainstreamlandschaft.
release ist höchstens für ddr-nostalgiker interessant. 0/5 ungehört
Wie du immer tust.
Du als quasi Oesse mit Balkanier Hintergrund feierst Paul doch eigtl hart. Verstehe garnicht, wieso du dazu nicht stehen kannst? Du trägst doch immernoch Sägeblatt Shirts und wachst jeden Morgen zu "Mein Block" auf.
Wann kommt endlich der (verdiente) MoTrip / Ali As Verriss???
Will ewig leben wie die Beatööls...
N Drittel 1/5-Bewertungen selbst bei Amazon, joa, das muss echt beschissen sein.
Da hält Montana Max wohl aus Scham wohl noch das Pressemuster zurück...
Sorry Sido, du kannst einpacken.