laut.de-Kritik
Gute Songs bleiben live gute Songs.
Review von Philipp KauseDie Simple Minds haben eine alte Platte aufgenommen, das 'New' hatte sie schon vor 41 Jahren im Namen. "New Gold Dream" enthielt damals neun Tracks in der identischen Abfolge wie "New Gold Dream - Live From Paisley Abbey". Heute spielt von der damaligen Besetzung nur noch der charakteristische Gitarrist Charlie Burchill mit seinen New Wave-Riffs neben Sänger und Texter Jim Kerr.
Die Keyboards übernimmt als jüngster Zugang Berenice Scott, geboren in Paris, wohnhaft in London, am Roland Juno DS88. Die Sounds von ihrer Seite erinnern schon ganz deutlich an die 80er und den Versuch, mit Technologie ein bisschen nach Raumfahrt und Sternenhimmel zu klingen. "Colours Fly And Catherine Wheel" führt das gut vor. (Für Nerds, Fans und Freaks: Berenice veröffentlicht gleich eine Woche nach den Simple Minds ihr Joni Mitchell-Cover-Album "A Joni Kind Of Mood".) Die Stelle am Bass bei den Minds wechselte viermal und ist seit 13 Jahren in den Händen des Schotten Ged Grimes, Computerspiel-Komponist mit Verständnis für Action und Loops. In den Langstrecken-Songs von "New Gold Dream" sorgt er für die nötige Erdenschwere und rockige Grundierung im Kontrast zum Sternenhimmel.
Cherisse Osei übte 1992, da war "New Gold Dream" schon eine Oldie-but-goodie-Platte, auf einem pinkfarbenen Micky Maus-Drum-Set, im Alter von fünf Jahren. Ihre Percussion-Skills nutzt Kerr seit einem Unplugged-Album, wobei sie an den alten Songs nichts Nennenswertes ändert. Im Instrumental "Somebody Up There Likes You" tobt sie sich an Kickdrum und Becken aus und sorgt für einen vieldimensionalen Raumklang.
Eine Background-Sängerin gab es beim originalen "New Gold Dream" noch nicht, und allzu viel hat die heutige, Sarah Brown, hier auch nicht zu tun - nur ein paar Akzente in "Big Sleep" stechen heraus. 2009 hat das ehemalige Roxy Music-Tour-Mitglied sich den Simple Minds angeschlossen.
Das Zählen von 81 bis 84 macht Kerr jedenfalls in "New Gold Dream (81- 82- 83- 84)" alleine, und die Nummer ist einer der großen Gesangsauftritte des eher unscheinbaren Vokalisten, der hier relativ viel Schauspiel darbietet. Die Stimme überschlägt, er japst, schnappt nach Luft und schluchzt halb bei den Worten "the people's crisis", aber stellenweise drückt er auch ein paar Töne aus voller Kehle. Ein deutlicher Gewinn gegenüber dem introvertierten Auftritt im Original! Insgesamt handelt es sich trotzdem um einen Sänger, der nie Sänger geworden wäre, hätte nicht die Punkwelle eine unsaubere heisere und kultartig unprofessionelle Art des Vortrags erlaubt. Dafür waren die Texte filigran, etwa wenn Kerr in "Glittering Prize" das Wort "time" in einem Satz drei Mal in den Bedeutungen 'Phase', 'Moment' und 'miteinander verbrachte Zeit' verwendet.
"Hunter And The Hunted" bleibt einer der Top Twenty-Tunes im großen Katalog der Band, einer ihrer stärksten Tracks. Das theatrale, vielleicht von Genesis inspirierte "King Is White And In The Crowd", baut einen guten Spannungsbogen mit proggigen Takten und mehr Artpop und Rock als Chartsmusik auf, dank retardierenden Momenten und einer interessanten und untypischen Melodie. Dennoch, das ursprüngliche Album wandte sich an die breite Masse. Es ging in die Charts, platzierte die Simple Minds 1982 erstmals außerhalb des United Kingdom in den Verkaufs-Ranglisten, in der (West-)BRD jedoch eher zaghaft (online findet man in der Regel die Charts-Position des empfehlenswerten Deluxe-Pakets von 2016).
Insoweit lässt sich das Anliegen nachvollziehen, dass die heutige Besetzung, zu der noch Gordy Goudie an der zweiten Gitarre zählt, das Album in einer Live-Session heute erneut spielt und jeden Song brillant wieder aufleben lässt. Geändert haben sich im Direktvergleich alt/neu vor allem Nuancen, so dass "Big Sleep" besonders satt im Sound vibriert und "Glittering Prize" so viel Spielfreude und rhythmische Lässigkeit ausstrahlt, als hätte die Band das Juwel gerade eben erschaffen. "Promised You A Miracle" zeigt sich ein bisschen seiner damaligen coolen Funk-Anteile entschlackt, ohne dass das schadet. "Someone Somewhere In Summertime" stößt seine A-ha-Ähnlichkeit ab. "Somebody Up There Likes You" surrt einen Hauch weniger als sonst. "Colours Fly And Catherine Wheel" drängt die alten Wave-Drums zurück, bewahrt sich aber trotzdem seine geheimnisvolle Seite.
Die meisten Stücke des Albums führt die in Irland gegründete Gruppe bis heute auf Tourneen aus, wie auch das Tour-Best Of belegt. Der neue Release wirft trotzdem noch mal ein Schlaglicht auf den Übergang der Minds von ihren New Wave-Wurzeln in ihr Dasein als Popstars und ist die astreine und unterhaltsame Darbietung eines unsterblichen Klassikers.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Glasgow - Irland. Ja, iss kaaa
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Endlich wieder ... ach kack, zu der Zeit wurde ich gerade mal geboren, aber das nehme ich gerne mit. "New Gold Dream" ist ein klasse Album.
"zu der Zeit wurde ich gerade mal geboren"
Eigentlich nicht mal das, sondern danach.
Erstaunlich, dass Profis auf so etwas wie die Juno DS88 zurückgreifen.
und durchschnittliche bleiben durchschnittlich.