laut.de-Kritik
Der Beginn einer neuen Zeitrechnung.
Review von Daniel StraubDistinguiertes britisches Understatement haben sich die beiden Schotten Stuart McMillan und Orde Meikle von Beginn ihrer Karriere an auf die Fahnen geschrieben. Folgerichtig betitelten sie ihr Label Soma Quality Recordings und überwachen seither höchst selbst die Einhaltung der vorgegebenen Standards. Mit ihrem dritten Longplayer setzen Slam nach eigener Meinung noch einen oben drauf, oder warum bricht für die Schotten erst nach mehr als zehn Jahren Studioarbeit und Plattendrehen das "Year Zero" an?
Nicht zu radikal sollte das "Year Zero" verstanden werden. Das ist nach dem ersten Hören gewiss. Slam setzen auch 2004 auf eine intelligente Mischung aus straighten Tanznummern und stimmungsvoller elektronischer Musik jenseits allzu rigider Genregrenzen. Stuart McMillan und Orde Meikle erfinden Slam nicht neu, behalten ihre aus Chicago und Detroit erwachsene Identität bei und sind auf "Year Zero" doch erfrischend anders. Mehr als einmal überfällt einen der Gedanke, hier den leibhaftigen Erben von Leftfield das Ohr zu schenken.
Slam gehen mit "Year Zero" einen ähnlichen Weg, wie das Duo Paul Daley und Neil Barnes mit ihrem Album "Rhythm & Stealth". Der Bezug zur Clubkultur schwächt sich ab, so dass Tracks wie "Known Pleasures" mit einer funktionalistischen Four-to-the-Floor-Logik die Ausnahme bilden. Statt dessen betten die Stimmen von Dot Allison, Tyrone Palmer, Ann Saunderson, Envoy aka Hope Grant, Elbee Bad und Billy Ray Martin die Stücke auf einer bequemen Matratze aus Strophe, Refrain und viel Melodie.
Massive Attack-Chanteuse Allison und der in Chicago wohnhafte und von Felix Da Housecat ebenfalls hoch geschätzte Palmer liehen Slam bereits auf "Alien Radio" ihre fantastischen Stimmen; vielleicht fällt ihnen deshalb die Aufgabe zu, "Year Zero" zu eröffnen und die Brücke zum Vorgänger zu schlagen. Mit den dunklen Electro-Grooves von "Metropolitan Cosmopolitan" verlassen Slam die britischen Inseln und stranden in der Bronx, von wo sie die gerappten Vocals von Elbee Bad mitbringen. Der symbolische Ausdruck von der Neuen Welt darf hier ganz wörtlich verstanden werden.
Da überrascht es kaum, dass McMillan und Meikle sich mit "Lie To Me" auf das Terrain der Lovesongs wagen. Ann Saunderson, die an der Seite ihres Ehemannes, der Detroit-Legende Kevin Saunderson, als Innercity bereits Popgeschichte geschrieben hat, macht auch dieses Unterfangen zum fulminanten Triumph. Slam geben sich auf "Year Zero" melodieverliebt wie nie und bleiben sich dennoch selbst treu. Soma Quality Recordings im Jahre Null der neuen Zeitrechnung.
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