laut.de-Kritik
Aufbruch in eine neue musikalische Dimension.
Review von Yan VogelÜber die neue Soilwork stolpert der Hörer zunächst beim Lesen des Titels. "Verkligheten" lautet das schwedische Wort für Wirklichkeit. Die Realität stellt sich für die Melodic Death Metal-Institution bisweilen arg trist dar. Zahlreiche persönliche Tiefs rüttelten zudem in der jüngeren Vergangenheit an den Grundfesten der Existenz. Entsprechend poppt aus dem Unterbewusstsein die Frage auf, wie zum Deibel dieser Realität zu entfliehen ist. Wobei Eskapismus für das Sextett kein wirklicher Ansatz ist. Vielmehr geht es der Gruppe darum, Wege zu beschreiben, die sie jenseits von Erwartungen und offenkundigen Mustern führen, um dadurch das Tor zu einer neuen musikalischen Dimension aufzustoßen.
Hierbei spielt die Individualität des Kollektivs eine große Rolle. Neuzugang Bastian Thusgard am Schlagzeug gerbt die Felle in urwüchsiger "Steelbath Suicide"-Manier, beherrscht gleichzeitig auch den Groove von "Stabbing The Drama" als auch die Epik von "The Ride Majestic". Die Blasts im Opener "Arrival" öffnen die Türen schwungvoll oder betten den Hammer-Refrain in "Needles And Kin", ein Duett mit Toni Joutsen von Amorphis, in brutale Hüllen. Keyboarder Sven Karlsson, auf Platten wie dem Meisterwerk "Figure Number Five" noch gleichberechtigter Songwriter, agiert aus dem Hintergrund und schichtet mit seinen Sounds Ebene um Ebene und verleiht so dem Getöse Kontur, wie der Closer "You Aquiver" beweist.
Bei der Melodiegestaltung orientieren sich Soilwork mehr denn je am traditionellen Liedgut, was am augenscheinlichsten bei einigen Namen der Tracks auffällt. Hervorragend gelingt die stimmliche Umsetzung durch einen der prägnantesten Melodic Death-Sänger: Björn Strids Vocal-Range klafft gewaltig zwischen einprägsamen an dessen Nebenspielwiese The Night Flight Orchestra erinnernde Hooks, brutalen Growls aus guturalen Tiefen bis hin zu schwarzem Gekeife. Seine stimmliche Meisterleistung prägt vor allem die Tracks "Full Moon Shoals" und "When The Universe Spoke".
Für ungläubiges Erstaunen sorgt Hauptsongwriter Daniel Andersson, der Classic Rock, Metal und Death/Black-Riffing mit Anspruch aber ohne prätentiöses Zuschaustellen verbindet und so für Glanzpunkte wie das flotte "Witan" oder die im Midtempo gehaltene Parabel auf Träumen und Fliegen namens "Stålfågel" sorgt.
Mit diesem Output lassen Soilwork den Festival-Metal von In Flames alt aussehen und beweisen gemeinsam mit den gelungenen letzten Platten von Dark Tranquillity ("Atoma") und Amorphis ("Queen Of Time"), dass Metal aus Skandinavien nach wie vor eine Hausmarke darstellt.
2 Kommentare mit 7 Antworten
"Aufbruch in eine neue musikalische Dimension."
Is klar. Treffender ist wohl: Klingt wie schon tausendmal gehört. Die Band hat nix Neues mehr zu erzählen - verständlich, wenn man die MeloDeath-Schiene 25 Jahre lang fährt....
So schön wie du haben sich hier bisher nur die Wenigsten zum Affen gemacht. Und das in eiserner Regelmäßigkeit, dass selbst der Oberclown JaDeVin vor Neid erblassen würde.
Und?
Kleiner Tipp: Alben hören, bevor man über sie urteilt. Denn mit der MeloDeath-Schiene hat "Verkligheten" einfach nur sehr wenig zu tun.
Wenn du es am Genre festmachst...für mich fahren die seit Jahrem dieselben Rezepte auf. Ich höre da nix Neues. Und Verbeuren-Protegé Thusgaard erreicht nicht mal im Ansatz die Anmut der Stabbing The Drama Drumtracks.
Wie beurteilt der Autor das Mastering des Albums? AMG hat das besonders negativ hervorgehoben mit einem DR Messwert von 4 (und einem einfach total beschissenen Klang). Ich finde man kann und sollte dafür durchaus Punktabzug bei der Gesamtbeurteilung in Betracht ziehen (sofern das Problem als solches erachtet wird).
Der Klang von "Verkligheten" ist wirklich nicht so prickelnd, wenn man es noch beschönigend formulieren will. Da haben mir die letzten beiden Alben auch weitaus besser gefallen und irgendwie verstehe ich auch nicht ganz, warum man daran dringend etwas ändern musste. Klingt alles irgendwie sehr kompromiert, schmälert für mich den starken Eindruck des Songmaterials aber nicht.
Ich muss sagen, über Lautsprecher ist es definitiv schwächer als über Kopfhörer. Da kann man es sehr gut hören. Naja, nichts ist perfekt. Trotzdem geiles Album. Nur mit Joutsen hätte man mehr aus dem Track machen können.
War 2019 schon früh Album des Jahres.