laut.de-Kritik

Ist der Hype um die irische Band berechtigt?

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"This is a living nightmare and I can't sleep and I can't leave": Die Zeile aus dem Song "Can't Get Enough Of It" fasst das neue Sprints-Album bestens zusammen. Die Dubliner Band, zu deren Einflüssen unter anderem die Idles, Fontaines D.C. und Savages zählen, wird gerade als neue Hoffnung der irischen Garage/Punk-Szene gehypt. Ihren Sound bezeichnen sie selbst als kathartisch, ehrlich und roh. Zur Band gehören neben Sängerin Karla Chubb Gitarrist Colm O'Reilly, Bassist Sam McCann und Schlagzeuger Jack Callan.

"She's good for an up and comer" grummelt Chubb und meint damit sicht selbst. In dem krachenden Song verarbeitet sie ihre Selbstzweifel. Es geht um "diese angeborene Angst, dass ich vielleicht immer 'gut für ein Mädchen' sein würde, aber würde ich jemals wirklich großartig sein?", wird Chubb in einer Pressemitteilung zitiert. Die düstere, teils verzweifelte Atmosphäre des Tracks ist exemplarisch für das Debütalbum "Letter To Self", dessen Titel bereits die nachdenkliche, selbsterforschende Natur der Texte andeutet.

Aggressiv und chaotisch schrammeln sich Sprints eine ganze Menge aufgestauter Wut, Frustration und Schmerz von der Seele, während Chubb zwischen bassigem Sprechgesang und kratzigem Kreischen hin- und her wechselt. "Wut ist nicht immer eine schlechte Sache, sie hat auch etwas heilendes", betont Karla in einem Interview mit der Irish Times.

Das hohe Krachlevel in Dauerschleife wirkt gleichwohl schnell monoton. Die Songs charakterisiert zudem eine vorhersehbare Redundanz, als seien der Band beim Songwriting die Ideen ausgegangen. Ein Beispiel: "She's got a literary mind and a literary look. She's got a literary mind and a literary look. She's got a literary mind and a literary look. She's got a literary mind and a literary look". Ein anderes Beispiel: "And I can't sleep, and I can't sleep, and I can't sleep". Ein drittes: "Maybe I should cut my hair off, maybe I should cut my hair off, maybe I should cut my hair off." Dieses Phänomen zieht sich durch das gesamte Album. Außerdem folgen sämtliche Tracks dem groben Muster: Erst wird gemurmelt, dann geschrammelt, dann geschrien.

Nur selten wagt man sich an eine andere Dynamik, etwa in "Heavy", wo Chubbs Gesang vorübergehend nur von Percussion begeleitet wird. Auch in "Adore Adore Adore" ist dies der Fall. "Can't Get Enough Of It" beginnt zunächst mit zarter Akustikgitarre, die nach den ersten Takten aber vom Getöse der Band klein gehäckselt und verschluckt wird. "Shadow Of A Doubt" baut sich langsam auf, von ruhig und geheimnisvoll hin zum erwartbaren Schrammeln. Der Opener "Ticking" beginnt mit einem Herzschlag-artigen Beat. "Maybe I should pray to der Retter. Mutter, Vater, Geschwister, ruft Karla. Die deutschen Vokabeln sind Relikte ihrer frühen Kindheit, die Chubb in Düsseldorf verbrachte.

"Can anybody be happy" schreit sie in "Cathedral". In dem Song verarbeitet die Sängerin ihre Erfahrungen mit Homophobie als Heranwachsende in einem erzkatholischen Umfeld. Auch "Letter To Self" handelt von dem Ringen nach Selbstliebe. Sich mit anderen zu vergleichen, sei Unsinn: "Maybe my body don't look like yours. Maybe my happy don't look like yours". Zum Schluss rezitiert Karla ein Gedicht, begleitet von einem Basslauf.

Sprints haben Potential, das steht außer Frage. Die Instrumentierung und Chubbs Gesang laufen technisch einwandfrei, das Songwriting bleibt jedoch ziemlich rigide. Sollte es ihnen in Zukunft gelingen, die vorhersehbare Songformel aufzubrechen, würden sie die Lorbeer-Kränze, die ihnen gerade von zahlreichen Kritikern vorschnell überreicht werden, mehr verdienen.

Trackliste

  1. 1. Ticking
  2. 2. Heavy
  3. 3. Cathedral
  4. 4. Shaking Their Hands
  5. 5. Adore Adore Adore
  6. 6. Shadow Of A Doubt
  7. 7. Can't Get Enough Of It
  8. 8. Literary Mind
  9. 9. A Wreck (A Mess)
  10. 10. Up and Comer
  11. 11. Letter To Self

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4 Kommentare

  • Vor 3 Monaten

    Kommt selten vor, dass ich ein Album bei euch zu schlecht bewertet finde (außer der große JBG-Skandal 2009).
    Hier allerdings schon, Ich kann verstehen, dass der Rezensentin hier der große Genius fehlt, aber bei dem Sound und der Stimme sollten mindestens 3/5 drin sein. Mir geht die Band mit ihrer Dynamik auf jeden Fall besser rein als der ganze Murmel-Postpunk, der hier immer so gefeiert wird.

  • Vor 3 Monaten

    Der typische erste Januarwoche Hype. Weil es ansonsten nichts gibt, wird halt das erstbeste wieder blind abgefeiert, da kommt die nächste kalte Postpunksuppe, wie man sie in sämtlichen Redaktionen seit Tag und Jahr immer wieder aufzuwärmen versucht, gerade recht. Schon ein okayes Album, zumindest wenn man die dröge erste Hälfte überstanden hat. Die Energie und Angrifflust, die es auf den beiden EPs noch gab, fehlt hier leider.

  • Vor 3 Monaten

    Ich kann die Rezi nachvollziehen, muss aber auch sagen, dass die Platte für mich schon auch ein ordentlicher Grower ist. Das wird immer besser, je öfter man es hört: https://youtu.be/k_sOcOMNP4M?si=KNy3LPGoUw…

  • Vor 3 Monaten

    „Die Instrumentierung und Chubbs Gesang laufen technisch einwandfrei, das Songwriting bleibt jedoch ziemlich rigide.“
    Wo bitte ist das technisch?
    Finde, die Songs sind spannend und null gleichförmig.
    Allein die Frage, ob das gehyped ist, langweilt. Dafür kann die Band nichts, falls das der Fall sein sollte.
    Die Zeiten, als man sich so geil fand, eine tolle Band entdeckt zu haben die niemand kennt, hab ich zum Glück hinter mir.