laut.de-Kritik

Attraktiver und interessanter als jemals zuvor.

Review von

Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Suzanne Vega 1987 mit "Solitude Standing" der Durchbruch gelang. Ein beachtlicher Zeitraum, der wie ein Wimpernschlag ihrer graublauen Augen vergangen ist. Der Zahn der Zeit hat jedenfalls kaum genagt, weder an ihrer Erscheinung noch an ihrer Musik.

Der Opener "Zephyr & I" beginnt rhythmusbetont und gut gelaunt, obwohl er einen traurigen Anlass zum Thema hat, den Tod von Vegas Bruder Tim im April 2002. Bei der Beerdigung traf Suzanne auf dessen Freund Zephyr, ein bekannter Graffiti-Künstler, und sinnierte mit ihm über das Straßenleben ihrer Jugend. Dass die Gitarre zu Beginn Lou Reeds "Vicious" zitiert, ist kein Plagiat, sondern ein Augenzwinkern, denn wie der ehemalige Frontmann von Velvet Underground beschäftigt sich Vega ausgiebig mit der gemeinsamen Heimatstadt.

So ist das Album als ein Denkmal an New York zu verstehen. Sie "spreizt sich vor dir, mit ihrem Schmuck und ihrem Glanz … du warst beeindruckt von ihrer Schönheit und ihrem Verbrechen", trägt Vega in "New York Is A Woman" vor, und vertritt die Sicht eines Mannes, der sich zum ersten Mal in der Metropole aufhält. Auch diesmal ein autobiographischer Text, da er auf eine Konversation zurück geht.

Musikalisch vertraut Vega wie gewohnt auf ihre Akustikgitarre. Begleiten lässt sie sich von Bass, Perkussionen, Bläsern, Streichern und Keyboards, die ihre Verwurzelungen mit den 80er Jahren betonen. Bis auf Anleihen aus Falcos "Rock Me Amadeus" in "Bound" sind die Arrangements gelungen, wenngleich stellenweise etwas zu dick aufgetragen. "Unbound" beginnt sogar mit dezenten Beats.

Im Mittelpunkt steht Vegas warme, einfühlsame und doch distanzierte Stimme. Nach wie vor beherrscht sie das Spiel mit Unschuld und Verruchtheit. "'Sie war der Traum eines Pornographen', sagte er. Ich wusste, was er meinte, aber ich dachte: Welchen Traum könnte dieser Mensch noch haben, den er noch nicht erlebt hat?", fragt sie etwa im karibisch angehauchten "Pornographer's Dream".

Doch gibt sie sich auch ganz keusch. "Liebe ist das einzige, was zählt. Liebe ist das einzig Wahre. Ich weiß, dass wir das jeden Tag hören, aber es bleibt das Schwierigste zu erleben", singt sie in "Ludlow Street". Dass sie 2006 in zweiter Ehe einen Jugendfreund geheiratet hat ist ebenso ein Thema ("Bound") wie ihre Tochter Ruby ("As You Are Now"), die auf zwei Stücken mitsingt. Eine Gastrolle spielt auch KT Tunstall, die im Opener und in "Frank & Ava" (gemeint sind Frank Sinatra und Ava Gardner) die Harmonien beisteuert.

Im abschließenden "Anniversary" sinniert Vega über den 11. September 2002, den ersten Jahrestag nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Die Straßen sind voller Gespenster und Erinnerungen, doch gleichzeitig ist es auch der richtige Moment für einen Neuanfang: "Make the time for all your possibilities / they live on every street". Hier befinden sich die Sängerin und ihre Stadt im Einklang: Nachdem sie schwierige Zeiten verarbeitet haben, sind sie attraktiver und interessanter als jemals zuvor.

Trackliste

  1. 1. Zephyr & I
  2. 2. Ludlow Street
  3. 3. New York Is A Woman
  4. 4. Pornographer's Dream
  5. 5. Frank&Ava
  6. 6. Edith Wharton's Figurines
  7. 7. Bound
  8. 8. Unbound
  9. 9. As You Are Now
  10. 10. Angel's Doorway
  11. 11. Anniversary

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