laut.de-Kritik
Selbstabfeierei bis zum Hörgenuss interruptus.
Review von Dominik Lippe"Du fragst dich, ob das gerade Trap ist? Nein! Du fragst dich, ob das gerade Pop ist? Nein! Du fragst dich, ob das gerade Rock ist? Nein! Ich sag' dir, was das hier ist: Das ist Grime." Unter der Ägide Xatars unternahm Sylabil Spill neben der Pflege des Alles-oder-Nix-Sounds bereits gelegentliche Ausflüge in die Grime-Richtung. Nun rückt der Bonner den anspruchsvoll aggressiven britischen Stil ins Zentrum seiner musikalischen Agenda und zeigt sich voll "Auf Grime".
Während Londoner Talente wie Dizzee Rascal oder Lady Sovereign vor mittlerweile 15 Jahren ganze Karrieren auf der Melange aus Hip-Hop, Dubstep und Drum & Bass aufbauten, blieben deutsche Adaptionen weitgehend aus. Zwar leistete Amewu technisch ansprechend, aber stimmlich dünn "Entwicklungshilfe", doch anders als beim sich wie die Spanische Grippe ausbreitenden Trap, fehlten hierzulande bislang die Genre-Aushängeschilder.
"Warum handelst du Jung' genauso wie die Anderen es tun?" Immer wieder wendet sich Sylabil Spill gegen seine trendhörigen Kollegen und erfreut sich lieber an seinen nonkonformistischen Alleinstellungsmerkmalen ("Mach genau das, worauf ich Bock hab' / Wenn die auf hart tun, bleib ich locker."). Womöglich auch im Hinblick auf persönliche Erfahrungen, bemängelt er die Versuche, ihn zu bändigen: "Es kann sein, dass sie sagen, du bist gut / aber passt nicht so ins Bild, und versuchen dich zu löchern / das heißt, setzen dich unter Druck."
Spill rattert mit seiner hochvolumigen Stimme lieber im Stakkato-Flow über die rohen Uptempo-Beats. "Und Jetzt" animiert mit blubbernden Bässen zu Eskalation, wohingegen die cartoonesk leiernden Bläser auf "Druck" lieber niedrig dosiert konsumiert werden sollten. Der aus dem Marsimoto-Umfeld hinlänglich bekannte Nobodys Face spendiert Spill gelegentlich kurze Ruhepausen während einer Bridge ("Griff") oder eines Refrains ("Auf Grime"), nur um anschließend die Drehzahl wieder in den kritischen Bereich zu treiben.
"Mein letztes Album 'DLWK', mein Hunger ist groß, ich bin wieder da / Ich hab' gemacht, wenn du fragst, wo ich war / Und du kassierst das Ergebnis in bar." Die treibenden Instrumentals dienen Spill in erster Linie zur hemmungslosen Selbstabfeierei. Das verbreitet zwar in Verbindung mit Spills pompösem Vortrag Laune, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Representer wie "Zu Viel" und "Klar Man" praktisch mit keiner druckwürdigen Punchline aufwarten.
"Eins ist klar, wer ich bin / kommt durch sein, durch wer ich war", paraphrasiert Spill auf "Griff" etwas umständlich Cora Es "Schlüsselkind". Doch auch die wenigen persönlichen Einblicke legen dem Hörer nahe, dass der selbsternannte "Extremkünstler" in erster Linie eine Kunstfigur darstellt. Hohen Wert legt er darauf, als Privatperson nicht greifbar zu sein: "Du hast keinen Plan von mir, hör zu / Weder wer ich bin noch was ich tu'."
Doch gerade wenn "Auf Grime" warmläuft, fordert Spill in bewährter Peter-Lustig-Manier großväterlich zum Abschalten auf und vollzieht dabei den ruckartigen Hörgenuss interruptus. Die selbst für das Format arg überschaubare Laufzeit von knapp 15 Minuten schmälert den Gesamteindruck ein wenig. Sollte "Auf Grime" jedoch als Testballon fungieren, darf man zumindest auf einen würdigen Album-Nachfolger hoffen.
1 Kommentar
Der letzte weiße König gefiel mir bis auf einen Track mit peinlichem gun-talk sehr gut, besser als die vorherigen Sachen von ihm (außer roh.kalt). Wird gehört.