laut.de-Kritik
Ein Stück Nostalgie: Splattercore und Zombierock.
Review von Michael EdeleAus offensichtlichen Gründen vermeide ich schon seit mindestens zehn Jahren jeden unnötigen Blick in einen Spiegel. Der kann ja schließlich auch nichts dafür, dass einen da ständig so ein grauhaariges Sackgesicht angrinst. Allerdings gibt es immer wieder ein paar Bands, an denen die Zeit scheinbar spurlos vorbeizieht und mit denen man sich fast schon wieder jung fühlt.
Genau so ist das bei The Accüsed, die sich vor einem guten Dutzend Jahren eigentlich in die ewigen Jagdgründe verabschiedet hatten. Nun hat aber irgendwer die Gruft aufgelassen, und das Quartett ist mitsamt seiner Zombie-Massenvernichtungsschlampe Martha Splatterhead tatsächlich wieder auf der Bildfläche erschienen. Da D.R.I. auch nicht tot zu kriegen sind, fehlt jetzt eigentlich nur noch eine Wehrmacht-Reunion, und ich seh mich förmlich wieder mit vier, fünf anderen Dumpfbacken in einem Keller sitzen und eine Palette Dosenbier vernichten.
"Oh Martha!" weckt eindeutig Erinnerungen an die Jugend, als von Metalcore noch keine Rede war und The Accüsed mit ihrer Mischung aus Hardcore und Punk und Thrash Metal zwar noch relativ stumpf durch die Speaker dröhnten, aber dafür ungemein frisch und unbekümmert waren. Das ließ mit den Jahren immer mehr nach, und als schließlich Schicht im Schacht war, hielt sich das Bedauern in Grenzen. Allerdings ist der Spirit mit Songs wie "Martha Will", "Crappassreality" oder "Fast Zombies" allemal wieder da.
Genres waren den Jungs aus Seattle schon immer Jacke wie Hose und so folgt dem verdammt rock'n'rolligen "Dying On The Vine" direkt eine astreine Hardcore-Nummer wie "Hooker Fortified Pork Products". "Filth Hounds Of Hades" verpassen sie einen bluesigen Metaltouch und Blaine sollte am Ende des Songs vielleicht seine Tollwutspritze erneuern. Dabei klingt die Stimme von dem Kerl immer noch genauso krank, genial, verrückt und wahnsinnig wie früher. Von den vollkommen abgedrehten Splatter-Comic-Lyrics will ich erst gar nicht reden.
Bei "Stay Dead" und auch bei einigen Tracks zuvor erinnert mich das Gekrächze von Blaine allerdings ganz schön an eine Mischung aus den beiden ehemaligen Exodus-Sängern Paul Baloff und Steve Souza. Vollkommen am Rad drehen aber alle bei "Scream And Dead", um mit "13 Letters" nochmal richtig vor den Latz zu ballern sowie mit einer coole Coverversion von Olivia Newton Johns "Have You Never Been Mellow?" abzuschließen.
Auf der fertigen Scheibe gibt es insgesamt noch 18 weitere Titel, worunter auch die Nummern der "Martha Splatterhead"-EP zu finden sind. Somit eignet sich "Oh Martha!" perfekt für Neueinsteiger, die hier auch die Anfänge der Kultband miterleben können. Ob The Accüsed 2006 noch notwendig sind, mögen andere entscheiden, für mich sind sie ein Stück Nostalgie.
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