laut.de-Kritik
Die musikgewordene No-Bullshit-Policy.
Review von Maximilian FritzKevin Richard Martin ist kein Mann der leichten Kost. Weder als Teil der Spoken-Word-Popper von King Midas Sound, noch als Ambient-Künstler unter Klarnamen, ganz sicher aber nicht unter seinem wohl bekanntesten Alias The Bug. "People were no longer arrested for not being vaccinated, now they were just terminated", heißt es auf dem Opener seines ersten Käfer-Albums seit sieben Jahren.
Klingt düster und leicht schwurbel-dystopisch, hört sich aber famos an. Jeder der 14 mittellangen Tracks kommt traditionellerweise mit Featuregast bzw. -gästin und, ebenso traditionellerweise, aber immer wieder beeindruckend, mit einem unglaublich muskulösen Unterbau, für den es eigentlich ein ausdefiniertes Hi-Fi-System bräuchte.
Stilistisch mischen sich Dub, Dubstep, Grime, Reggae, Dancehall und ganz viel Soundsystem-Anleihen zu einem Cocktail, der insbesondere Hörer*innen schmecken dürfte, die mit britischer bzw. aus Jamaika importierter Dance Music sozialisiert wurden. In der Regel macht das Ergebnis einen einschüchternden bis überwältigenden, teils einen etwas gewollt grummeligen Eindruck.
Immerhin hat Martin, es wurde bereits erwähnt, 14 Nummern aneinandergereiht, die, jede für sich, die Nerven belasten. Die Vocals kommen als gesprochene Unwucht noch obendrauf. Von "Pressure" bis "The Missing" gönnt sich "Fire" quasi keine Verschnaufpausen, in denen die Intensität abflaut. Die behandelten Themen verstärken die Grimmigkeit noch: Krieg, Dämonen und Aggressivität – Ernsthaftigkeit hat es The Bug seit jeher angetan, "Fire" ist die musikgewordene No-Bullshit-Policy, die von der Pandemie merklich befeuert wurde.
Dass die 52-minütige Einschüchterung nicht an Reiz verliert, liegt zuvorderst an ihrer beeindruckenden Produktion und der stilistischen Varianz der diversen MCs. Wo beispielsweise "How Bout Dat" mit FFSYTHO noch mit Kirchenglocken-Beat schlurft, hangelt sich Manga Saint Hilaire Momente später schon auf abgehackten Gummi-Kicks halsbrecherisch durch "Bang".
Auch die drei Auftritte von Langzeitkollaborateur Flowdan fallen facettenreich aus. "Bomb" rauscht und poltert im gemächlichen wie gleichmäßigen Beat-Korsett, "Hammer" drischt unstet auf die synthetische Trommel, während der MC Respekt für seine Eigenheiten einfordert und inhaltlich von Blümchen zu Blümchen fliegt. "Pressure" an zweiter Stelle kombiniert Eingängigkeit und turmhohe Bass-Säulen sowieso in einer Manier, die einem Vorab-Track würdig ist.
Große Ausnahme im sinistren "Fire"-Kosmos: "Ganja Baby", das mit Daddy Freddy Marihuana-induzierten Feten-Sound verbreitet. Sonst bleibt das Klangbild in der Regel dem Abgrund verschrieben, wovon die lose Erzählklammer, die sich weniger inhaltlich denn atmosphärisch aufspannt, profitiert. Ein dominantes Album, das für viele den Höhepunkt einer unglaublich produktiven Phase Kevin Richard Martins darstellen dürfte.
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