laut.de-Kritik
Das Lieblingsfestival. Entspannt, unabhängig, super!
Review von Vicky ButscherMan kommt nicht oft entspannt von einem Festival nach Hause. Erst recht nicht, wenn die Durchschnittstemperatur bei gefühlten 40°C liegt. Beim Haldern ist das etwas anderes. Die relaxte Atmosphäre, die Nähe zum See, der kurze Weg zum Campingplatz, billiges Essen und Getränke, selbst gebaute "Cooler" ("Drum Cooler - Haldern ist cooler" stand drüber) ... all das macht dieses Festival so unglaublich angenehm.
Zwanzig Jahre ist es nun alt und zieht eine enorme Bandbreite an verschiedensten Menschen ins Publikum. Vom zweijährigen Knirps, der nackt übers Gelände rennt, bis zum Alt-Hippie war wieder alles vertreten. Auch diese Mischung macht die entspannte Atmosphäre des Festivals aus.
Obwohl einige murrten "das Line-Up ist aber nicht so toll": viele kauften trotzdem Karten. Weil es nun mal Haldern ist. Highlights auf der Bühne gab es natürlich doch. Das erste erwartet man mit den Raveonettes. Leider spielt der Sound überhaupt nicht mit. Auch die Helligkeit und die Hitze passen nicht zur Musik. "Es ist so verdammt heiß, thank God The Raveonettes are so cool", ruft die anbetungswürdig hübsche Sängerin Sharin Foo von der Bühne.
Kaizer's Orchestra passen da schon eher in die Hochsommertemperaturen. Ihre Musik klingt, als würde eine Coverband Blur-Songs in Dorffest-Polkaversionen spielen. Ein großer Teil des Publikums geht ab wie Schmidts Katze und bekommt dafür die erste Zugabe des Tages. Bei Kashmir wird's langsam dunkel. Gut so, denn damit verschwindet auch langsam die unerträgliche Hitze. Die Band plätschert eher so dahin. Radiohead-Anleihen klingen zu oft in der Musik durch. Tut nicht weh, ist live aber eher als Hintergrundmusik gut.
Das Frank Popp Ensemble scheint dann irgendwie fehl am Platz. Austin Powers-Style oder so. Meine Mama würd's toll finden. Mir wird schnell langweilig. Ich trage weiter Blue Jeans! Direkte Kontrastkonfrontation folgt mit Aqualung. Pianist und Sänger Matt Hales aka Aqualung hat seinen Bruder mit gebracht, der ihn am Klavier und auf der Gitarre begleitet. Kuschelige Musik für die Abendstunden. Leider will ein Großteil des Publikums nicht zuhören, was bei dem leisen Sound stört. Um die Xploding Plastix noch anzuschauen, war der Tag hitzebedingt zu anstrengend. Was man vom Zeltplatz hören kann, ist ein lauter Mix verschiedenster Stile.
Der Samstag Vormittag wird Gott sei Dank erst gegen zwölf Uhr warm, so dass man gemütlich ausschlafen kann. Danach muss ich zwangsweise in den See hopsen, denn es wird schnell heiß und unerträglich. Zu Isolation Years zurück aufs Gelände. Mir sagt später jemand, die klängen nach Soundtrack Of Our Lives. Ich finde SOOL sind viel besser. Das hier ist eher langweilig.
Danach gleich noch mal in den See. Von dort aus kann man Under Byen, lauschen. Wer's nicht besser weiß könnte meinen, dass da Björk singt. Zu Ed Harcourt wieder zur Bühne. Der Gig gefällt, bleibt aber nicht wirklich hängen. Außer, dass er erzählt, er wäre auch schwimmen gewesen - nackt.
Und dann der Mann, auf den ich gewartet habe: Mr Lemonhead Evan Dando. "I lied about being the outdoor type" - "Outdoor Type" als ersten Song zu wählen ist auf einem Festival natürlich gewagt. Ein wenig lustlos steht er die ersten Songs alleine auf der Bühne. Völlig genervt von der blöden Nebelmaschine schmeißt er eben diese in den Fotograben, nachdem niemand auf seine Bitte reagiert, das Ding auszustellen. Uncoole Aktion, aber danach ist er besser gelaunt. Kein phänomenaler Gig, aber einer der besseren.
Dann die Bright Eyes. Conor Oberst ist ein dünner Robert Smith für's nächste Jahrtausend - könnte man sagen. Aber auch dass er ein wunderbares Set hinlegt. Immer eine Rotweinflasche in der Hand spielt er seine Stücke durch die verschiedensten Gemütslagen. Schön!
Nun kommen erst der Headliner für die Jungen, dann der für die Alten: Für die Cardigans wird ein umwerfendes Bühnenbild aufgebaut. Es gleicht einem gemütlich Salonzimmer mit Kronleuchtern, dunkelroten Vorhängen, die später durch eine Art Sternenhimmel ersetzt werden. Der Sound ist einwandfrei und Nina Persson zieht das Publikum mit ihrem Charme in Bann.
Zum Schluss die Grande Dame, die aussieht wie ein Indianer-Häuptling und sich teilweise sehr divenhaft benimmt: Patti Smith. Fotos von vorne sind zum Beispiel untersagt. Zwischen den Songs liest sie Geschichten vor, sinniert über die Kinder in Somalia, wird stinkwütend, als jemand dazwischen quatscht. Sie schreit des öfteren "Fuck You" in die Menge, bekennt sich zu ihrem Glauben an den "People Power" ... und singt schließlich auch Mitschunkel-Hits wie "Because The Night". Das ist eher was für die anwesenden Alt-Hippies.
Mit Pferde streicheln auf der Koppel neben dem Parkplatz endet das allerschönste Festival des Jahres am Sonntag Vormittag. Es war wunderbar, auch wenn mich kein Act wirklich begeistern konnte.