25. April 2019

"Dolores zu ersetzen wäre respektlos"

Interview geführt von

Als Dolores O'Riordan am 15. Januar 2018 starb, steckten The Cranberries bereits mitten in den Vorbereitungen zu einem neuen Studioalbum. Ihre Bandkollegen Fergal Lawler, Noel und Michael Hogan waren sich einig: Dieses letzte Kapitel – "In The End" – muss noch erzählt werden.

Mitte 2018 – fast 25 Jahre nach Erstrelease – war es so weit: "Zombie" bekommt in den USA endlich eine Platin-Plakette. Doch nicht etwa das Original der Cranberries wurde ausgezeichnet, sondern eine Coverversion. Bad Wolves hatten den Song in einer neuen Heavy Rock-Fassung aufgenommen. Dolores O'Riordan wollte eigentlich dabei mitwirken. Doch kurz vor dem geplanten Studiotermin verstarb die Sängerin am 15. Januar 2018.

Noch am Tag zuvor hatte sie sich mit ihren Bandkollegen über den Fortschritt der Arbeiten zu einem neuen Cranberries-Album ausgetauscht, viele Songs waren bereits in Demofassung eingesungen. Gitarrist Noel Hogan, sein Bruder Michael am Bass und Drummer Fergal Lawler klaubten die Stücke zusammen schlossen mit "In The End" den Kreis zu ihrem Frühwerk. Zwei Monate vor dem Release trafen wir uns mit den Iren in einem Berliner Hotel, um darüber zu sprechen.

Ihr promotet auf dieser Pressetour gewissermaßen euer eigenes Ende. Wie fühlt sich das an?

Noel Hogan: Es ist ein Mischmasch. Einerseits sind wir schon so lange dabei – wir machen Pressetouren, ohne groß darüber nachzudenken. Andererseits ist es schon seltsam, dass erstens Dolores nicht dabei ist und es zweitens das letzte Cranberries-Album sein wird. Aber wir sind uns einig, dass es ein guter Weg ist, alles zu Ende zu bringen. Wir haben Glück, den Leuten dieses letzte Album geben zu können. Es ist bittersüß, würde ich sagen. Wir freuen uns über die neuen Songs und darauf, dass die Menschen sie bald hören können. Aber es ist traurig, dass es das letzte Mal sein wird.

Dass es das letzte Album werden wird, wusstet ihr bereits, als ihr für die Aufnahmen ins Studio gegangen seid. Welche Voraussetzungen mussten die Songs erfüllen, damit es überhaupt soweit kam?

Fergal Lawler: Als wir uns durch die Demos hörten, stellten wir fest, dass viele Songs zumindest gesanglich fast fertig waren. Wir schauten einfach, ob es genug hochwertige Nummern für ein Album gab. Wenn nicht, wäre vielleicht eine EP drin gewesen. Das war uns lieber, als Fragmente zu stückeln, nur um etwas rauszubringen. Damit hätten wir uns nicht zufrieden gegeben. Wir wollten ein starkes Album. Wir kontaktierten Dolores' Familie. Sie mochten die Demos. Im April letzten Jahres gingen wir ins Studio, arbeiteten vier Wochen hart und jetzt haben wir ein Album, auf das wir sehr stolz sind. Viele Leute sagen, es erinnere sie an die Atmosphäre der frühen Platten. Wir sind froh, dass wir auf hohem Niveau aufhören.

Fasst "In The End" für euch The Cranberries zusammen oder wolltet ihr eurem Katalog auch etwas Neues hinzufügen und schauen, was ihr noch zu erzählen habt?

Noel: Es wurde wirklich als ein weiteres Cranberries-Album geschrieben. Würde Dolores heute noch leben, wäre es glaube ich nicht das letzte Cranberries-Album, sondern eins in einer Reihe. Witzigerweise schließen viele Themen dieser Platte den Kreis zu den frühen Platten. Das war nicht geplant, sondern eher kosmische Fügung. "In The End" ist sicher näher am Frühwerk als das, was wir in den Jahren zuvor gemacht haben. Irgendwie kam einfach alles so zusammen, wie es sollte. Wir sind echt stolz auf das Album.

In die gleiche Kerbe schlagt ihr wohl, indem ihr auf dem Cover-Artwork Kinder abbildet. Sie stehen auf einer Müllhalde – das ließe sich durchaus mehrdeutig interpretieren...

Noel: Haha, das stimmt. Die Kinder symbolisieren auf gewisse Weise uns, schätze ich. Wir sind am Ende, sie fangen aber gerade erst an. Das Artwork stammt vom selben Kerl, der auch unsere ersten Cover gestaltet hat, als wir noch bei Island waren. Cally [Calloman] war damals der Art Director. Er kontaktierte BMG und wollte ein Teil davon sein, wohl wissend, dass es das Ende sein würde. Als wir vor zwei Jahren das Akustikalbum herausgebracht haben, hatten wir auch schon mit ihm gesprochen. Wir hatten immer eine gute Beziehung und wir mochten seine Idee. Wir hatten uns noch gar keine Gedanken darüber gemacht, er brachte uns diese, seine erste Idee und wir fanden sie toll. Die Reaktionen fielen großartig aus. Ich denke, wir haben die richtige Entscheidung getroffen.

Welche Erinnerungen kommen euch in den Sinn, wenn ihr heute an die Anfänge der Band zurückdenkt?

Michael Hogan: Die ersten Touren durch Europa, der Bus ohne Klimaanlage, keine Hotels zu haben, die kleinen, verschwitzten Clubs zu spielen ... Solche Dinge. Diese Erinnerungen sind lebhafter als die späteren.

Noel: Wenn du anfängst, bist du deine eigene kleine Gang, die keiner kennt. Wir hatten Songs, waren aber anfangs nicht übermäßig selbstbewusst. Wir liebten, was wir taten, aber wenn du aus einer kleinen Stadt in Irland kommst, denkst du nicht, dass es so groß kommen kann, wie es letztlich kam. Du überlegst höchstens, ob du vielleicht in Irland ein paar Wellen Schlagen kannst. Und dann hast du all diese ersten Male: Die ersten Aufnahmen, das erste Albumrelease, die erste Tour ... All diese ersten Male sind unglaublich und man erinnert sich gern daran. Wenn du älter wirst und eine Tour nach der anderen absolvierst, ist das anders. Während des letzten Jahres, seit Dolores' Tod kamen deshalb vor allem diese frühen Erinnerungen wieder hoch – viel mehr als Erinnerungen aus den vergangenen zehn Jahren. Damals ging es nur um uns, wir vier, als Freunde, die versuchten, dieses Ding zum Laufen zu kriegen. Damals war es hart, aber jetzt, da jemand tot ist, realisierst du, dass das die besten Zeiten waren, die man hatte.

Für die anfangs kleine Band aus Irland kam recht früh überwältigender Erfolg in den USA. Wenn ihr auf diesen kometenhaften Aufstieg zurückblickt – hättet ihr etwas anders gemacht?

Michael: Nein, nicht wirklich. Damals haben wir nicht groß drüber nachgedacht, sondern einfach genossen, was passierte. Wir waren gerade auf Tour mit den Hothouse Flowers, als wir einen Anruf aus den Staaten bekamen: "Linger" war dort in den College-Radios eingeschlagen. Also sind wir rübergeflogen. Dann nahm alles seinen Lauf.

Noel: Der Typ, der uns gesignt hatte – er lebte in New York –, glaubte wirklich an uns. Wir hatten all die Horrorstories von anderen Künstlern gehört, die einen Vertrag unterschrieben, ein Album veröffentlicht haben, total gefloppt und komplett vom Radar verschwunden sind. Weg, zurück in 'echten' Jobs. Wir wussten zwar, dass der Typ an uns glaubte und sie dort College-Radios im Fokus hatten, aber wir konzentrierten uns auf Europa. Und dann stand "Linger" plötzlich auf Platz 8!

Michael: Wir hatten ein Jahr zuvor das "Linger"-Video in L.A. gedreht, waren seitdem aber nicht mehr drüben. Und dann kam dieser Anruf – total aus dem Blauen heraus.

Noel: Von da an machten wir einfach alles, was uns gesagt wurde. Wir sagten nie nein. Wir spielten Gigs, bei denen man sich fragte, was das alles soll. Aber weißt du was? Es zahlte sich alles aus! Wir hatten diesen riesigen Erfolg, weil viel davon einfach Arbeit ist. Du musst schuften. Viele hoffen, Erfolg zu haben. Viele, gerade englische Bands, haben ihn nicht. Sie kommen für ein, zwei Wochen in die USA, spielen in New York und L.A. und fahren wieder heim. Wir fuhren alles ab, immer wieder. Wir liebten es. Wir waren 20 Jahre alt, konnten jeden Abend Konzerte spielen, waren sorglos. Warum hätten wir das nicht tun sollen?

Würdet ihr sowas gerne nochmal machen oder seid ihr froh, dass diese Schufterei nun vorbei ist?

Michael: Das ist ein Spiel für junge Leute. (lacht)

Fergal: Es ist schon traurig, dass wir die neuen Songs nie werden live spielen können. Darüber sprachen wir auch, als wir die Auflösung diskutierten. Aber wenn ich so zurückdenke ... Nach dreißig Jahren noch ein Album aufzunehmen, das ist schon ein unglaubliches Gefühl. Wir können uns echt nicht beschweren.

"Es ist kein trauriges Album"

War euch beim Finalisieren des Albums wichtig, das einzufangen, was Dolores eurer Meinung nach damit machen wollte, oder habt ihr euch eher auf eure Sicht konzentriert, um ihren Verlust zu verarbeiten?

Noel: Wir arbeiteten ja mit Demovocals und bei einige Songs klang sie verhaltener – so als würde sie später dafür noch mal für einen weiteren Take reinkommen wollen. Bei diesen Tracks haben wir definitiv unser Spiel entsprechend angepasst. Du kannst nicht voll in einen Song reinhämmern, in dessen Zentrum eine schüchterne Stimme steht. Aber wir hatten Glück, dass viele der Demovocals ohnehin schon das Feeling des Songs transportierten. Insofern war es einfach, darauf einzugehen und sich anzupassen. Es war eigentlich nie ein großes Problem. Sobald wir einmal anfangen, weiß jeder, was er wann zu tun hat – obwohl wir teilweise jahrelang nichts miteinander gemacht hatten. Wenn wir zusammen in einem Raum sind, funktioniert es einfach.

Also fühlte es sich für euch mit den Vocals im Grunde so an, als würde Dolores mit im Raum stehen und singen?

Noel: Naja, wenn du morgens reinkommst, noch frisch im Kopf bist, die Kopfhörer aufsetzt und ihre Stimme hörst, begreifst du so langsam das gesamte Ausmaß. Damals war sie gerade erst ein paar Monate verstorben. Aber je länger der Tag dauert konzentrierst du dich mehr darauf, deine beste Performance abzuliefern und vergisst all das. Denn Dolores wäre früher zum Beispiel an einem Montag reingekommen, hätte etwas eingesungen, wir hätten zum Clicktrack dazugespielt und dann hätte sie sich verabschiedet, während der wir unser Ding gemacht hätten, weil sie sich dabei gelangweilt hat. Insofern war es diesmal fast dasselbe. Oft kam sie abends zurück, hörte sich an, was wir zustande gebracht hatten und machte dann mit den Vocals weiter. Sie liebte es, bis in die Nacht hinein aufzunehmen. Von sechs bis elf Uhr abends – das war ihre Zeit. Auf diese Weise haben wir so viele Alben aufgenommen ... Ich glaube alle außer den ersten beiden sind so entstanden.

Michael: Ja, damals hat schlicht die Technik gefehlt.

Noel: Genau. Als ProTools ins Spiel kam, konnte man all das machen. So gesehen haben wir einfach weitergemacht wie bisher.

Ihr habt vorhin schon kurz die Lyrics erwähnt. Es dreht sich tatsächlich viel um Abschied und Enden. Hattet ihr noch eine Chance, mit Dolores über die Texte zu sprechen?

Fergal: Sie sprach nie gerne darüber. Es ist kein morbides oder trauriges Album. Vielleicht erwarten das einige Leute. Es geht um einen neuen Anfang – um einen Abschied von einem Teil ihres Lebens, hin zu einem neuen Anfang. Daher kommen die "leaving" und "end"-Formulierungen, denke ich.

Was fühlt ihr, wenn ihr jetzt mit etwas Abstand auf das fertige Album blickt?

Fergal: Ich bin stolz! Es ist ein echt gutes Album. Es erinnert mich wirklich an die frühen Alben. Zwischendurch hatte ich es lange nicht gehört und vor einem Monat dann mal wieder aufgelegt. Es klang toll. Ich bin echt happy damit und freue mich, dass alles so gut geklappt hat. Einige ihrer Familienmitglieder haben es auch gehört und fanden es fantastisch , wie ein klassisches Cranberries-Album.

War ihre Familie auch darin involviert, wie ihr mit den Songs umgeht?

Noel: Nein, wir haben nur sichergestellt, dass es für sie in Ordnung ist, wenn wir das durchziehen. Sie haben damals noch nichts gehört. Wir kennen uns schon so lange, sie vertrauten uns damit. Sie freuten sich darüber. Als wir fertig waren, schickten wir es ihnen. Ihre Mutter bringt es noch nicht übers Herz, es zu hören, aber ihre Brüder haben es schon gehört und sind sehr glücklich damit. Für uns ist das toll, denn das letzte was wir gebrauchen konnten, war natürlich, wenn sie was dagegen gehabt hätten (lacht). Aber unsere Beziehungen sind so verschlungen und bestehen schon so lange, da herrscht einfach eine Vertrauensbasis.

Auch eure Beziehungen ins Musikbusiness gehen nach all der Zeit wohl sehr tief. Zumal ihr nicht bloß mit den Cranberries, sondern teilweise auch solo gearbeitet habt. Wie nehmt ihr die Veränderungen der Branche über die Jahre war?

Noel: Es ist einfach eine andere Welt, als die, in der wir angefangen haben. Ich würde es wahrscheinlich echt hassen, jetzt als Band anzufangen. Heute ist es viel schwerer als damals. Bei uns lief das ganz traditionell: Du machst ein Demo, schickst es dem Label und versuchst, Interesse zu wecken. Oder sie kommen auf dich zu und das wars – du bist gesignt. Heute startet jeder zuhause, Millionen von Songs werden täglich ins Internet geladen. Wie stichst du da heraus?

Michael: Oft werden nur einzelne Songs gestreamt. Das Album als Ganzes geht unter, dir geht was ab.

Fergal: Ja. Viele der Songs, die ich in jüngeren Jahren toll fand, waren nicht unbedingt Singles. Lieder mit etwas alternativem Sound, die es nicht ins Radio schafften. Aber wenn du das ganze Album gar nicht hörst, erlebst du sowas nie. Du kriegst nur den Hit. Du hörst ein, zwei Songs des Albums in einer Playlist und das wars.

Noel: Ich finde krass, dass Bands heutzutage überhaupt keinen Bestand mehr haben.

Michael: Selbst, wenn sie mal ein großes Album hatten! Nach einer Weile hört man sie einfach nicht mehr, weil die Single vielleicht doch nicht groß genug war, um in der Playlist zu bleiben. Das Album als Ganzes kriegt keine Chance. Seltsames Business.

In der Hinsicht muss ich euch ein Kompliment machen: Als ich gestern "In The End" zum ersten Mal gehört habe, fühlte es sich sofort wie ein zusammengehöriges Album an. Das ist gar nicht selbstverständlich, da ihr ja an eine begrenzte Demo-Auswahl gebunden wart. War es schwierig dieses Album-Feeling hinzukriegen oder habt ihr es von Anfang an gespürt?

Michael: Alles griff einfach irgendwie ineinander.

Noel: Um ehrlich zu sein: Nach fünf Wochen Aufnahmen waren wir einfach fertig. Wir haben vorher schon wesentlich länger an Alben geschraubt, alles hinterfragt und dies und das geändert. Diesmal waren wir sehr sicher. Als wir am Freitag der ersten Aufnahmewoche ins Wochenende gingen, stellten wir schon fest: 'Okay, das geht alles in dieselbe Richtung.' Es lief fiel besser als ich dachte. Natürlich hatte ich gehofft, dass es ein gutes Album werden würde. Ich möchte auch nicht großspurig rüberkommen, aber ich glaube echt, dass es ein sehr, sehr gutes Album und sehr kohärent – fast wie ein Song – ist. Du kannst den Leuten sagen: 'Hör dir das ganze Album an, nicht nur die Single.' Die Leuten werden überrascht sein, glaube ich.

Mir gefällt, wie ihr viele Details in den Songs unterbringt – gerade Percussion – aber trotzdem eine klare Struktur beibehaltet.

Fergal: Ja, es gibt trotzdem sehr viel Raum für die Vocals.

Noel: Das ist hauptsächlich Stephen Street zu verdanken, unserem Produzent. Wir haben schon so oft mit ihm gearbeitet, dass er einfach weiß, wie wir unser Ding machen müssen.

Fergal: Er achtet darauf, dass alles genug Platz hat, schneidet hier und da auch mal was raus.

"Ich hoffe auf ein neues Brexit-Referendum"

Stephen Street hat auch damals "Zombie" produziert. In dem Song geht es um den Nordirland-Konflikt, der gerade jetzt durch die Brexit-Verhandlungen wieder an Bedeutung gewonnen hat. Was denkt ihr euch dazu, all die Jahre nach Release des Songs?

Fergal: Niemand weiß, wie das Brexit-Ding ausgeht. Noch hängt alles in der Luft. Es wird viel zerhackt und und geändert. 'Wollen wir nun das oder das tun?' Niemand weiß wirklich, was passieren wird. Wir müssen abwarten. Ende März muss glaube ich das Finale passieren oder?

Noel: Ja...

Fergal: Sollte es noch mal eine Wahl geben, würde das Land glaube ich sagen: 'Nein, wir müssen das nicht tun.' Sie haben jetzt schon ein Vermögen dafür ausgegeben und drehen sich seit zwei Jahren nur im Kreis. Es ist lächerlich. Absolut lächerlich.

Gerade gestern hat sich die Labour-Partei zumindest intern für ein weiteres Referendum ausgesprochen.

Michael: Oh ja, das hab' ich auch in den Nachrichten gesehen.

Noel: Sie sollten das tun. Guck dir das doch mal an: Die Linken haben quasi schon eine eigene neue Partei gegründet. Das ist doch ein Witz. Und sie machen sich damit selbst lächerlich. Wenn ihr austreten wollt – okay. Aber habt einen Plan! Du kannst nicht einfach für 'Leave' stimmen und dann erst überlegen, was passieren soll. Zwei, drei Jahre geht das nun schon und es wirkt nicht, als wären wir heute viel weiter als damals. Wer weiß, was passiert ...

Wenn euer Album und das Interview erscheinen, wird der Brexit wahrscheinlich schon gelaufen sein. Was ist eure Vorhersage bzw. Hoffnung für den Ausgang?

Fergal: Ich hoffe auf ein neues Referendum. Ich möchte, dass sie in der EU bleiben.

(Michael und Noel stimmen zu)

Noel: Sie versuchen wahrscheinlich, eine Fristverlängerung zu bekommen und halten dann ein neues Referendum. Das ergäbe Sinn. Es wird nicht gut aussehen, aber wenigstens wird das Endergebnis vielleicht ein besseres als das, was wir jetzt gerade erleben. Wie viel wurde inzwischen schon ausgegeben? Milliarden?

Noch mal zu "Zombie": Vergangenes Jahr hat die Band Bad Wolves eine Coverversion veröffentlicht, auf der Dolores ursprünglich singen sollte. Angeblich starb sie genau am Tag der geplanten Aufnahme. Wart ihr selbst auch in den Song involviert?

(Alle verneinen)

Denkt ihr, es war eine gute Möglichkeit für Dolores' Gedächtnis?

Fergal: Es gab über die Jahre viele Coverversionen unserer Songs. Einige sind gut, andere nicht. Es ist ein Kompliment, wenn jemand ein Cover machen möchte. Es gibt eine taiwanesische Version von "Dreams" von unserem Debütalbum "Everybody Else Is Doing It, So Why Can't We?", die in Asien riesig ist. Total krank: Sie stand dort ungefähr ein Jahr auf Platz 1! Wir habens gehört, sie ist gut, aber hat eben diesen taiwanesischen Sound – ungewohnt für uns.

Noel: Vor ein paar Jahren haben wir in China gespielt und bei "Dreams" rasteten alle völlig aus. 'Jeez, auf den Song stehen sie wohl wirklich', dachten wir uns. Danach haben wir das mit der anderen Version rausgefunden (lacht). Wir sollten das die ganze Nacht lang spielen.

Der Bad Wolves-Song ging in den USA ebenfalls ziemlich durch die Decke. Hat euch das vielleicht sogar mit-inspiriert, noch ein eigenes letztes Kapitel für die Cranberries zu schreiben, statt jemand anderen den Deckel drauf machen zu lassen?

Noel: Nein, wir hatten schon alles geplant.

Fergal: Ich weiß davon nicht viel. Die Arbeit am Album hatte ja schon vorher begonnen.

Noel: Erste Gespräche zum Album fanden schon während der Proben zur letzten Tour statt – die Akustik-Tour. Wenn du beim Proben lauter alte Songs spielst, wünschst du dir ein paar neue (lacht).

Fergal: Das hält es frisch! Neues Material schürt neue Begeisterung.

Steht zur Debatte, die neuen Songs auf die ein oder andere Weise vielleicht doch noch live aufzuführen? Vielleicht sogar unter einem anderen Banner als dem der Cranberries?

Fergal: Nein, nein. Wie könnten wir das tun?

Noel: Dolores war so eine einzigartige Stimme und Person. Zu versuchen, das zu ersetzen ...

Fergal: ... wäre respektlos.

Noel: Daran sind wir nicht interessiert. Ich glaube, das würde das Bild der Band zerstören. Wir hatten riesigen Erfolg und haben Lieder, die die Leute zu den klassischen Rock/Pop-Songs zählen. So was zu tun, würde die eigene Arbeit untergraben. Die Leute würden sich nur an 'dieses Ding'" erinnern, das wir am Ende abgezogen haben. Wir sind glücklich damit, es gut sein zu lassen. Dazu kommt, dass im Hintergrund immer einiges reinkommen wird, zu dem man Ja oder Nein sagen muss. Jedenfalls möchten wir die Band nicht in irgendeiner anderen Form weiterführen. Wir freuen uns, dass wir dieses Album haben und sie uns die Vocals hinterlassen hat, um das überhaupt möglich zu machen.

Könntet ihr euch vorstellen, erneut gemeinsam zu musizieren – unabhängig von den Cranberries?

Noel: Das Problem ist: Sobald wir gemeinsam in einem Raum stehen und zusammen spielen, wird es immer mit den Cranberries verglichen. Selbst wenn noch zwei neue Leute dabei wären, werden die Leute trotzdem sagen: 'Das sind die Cranberries.' Wir sind typisiert, wenn man so will (lacht).

Sind weitere Soloprojekte in der Mache?

Noel: Ich habe mich in den letzten zwölf Monaten nur auf das hier konzentriert. Wir haben nun schon ziemlich lange für das Album gelebt und es juckt uns in den Fingern, es endlich rauszubringen. Es war super, als vor ein paar Wochen die Single erschienen ist. So kam wenigstens schon etwas nach draußen.

Fergal: Die Fans waren glücklich damit. Wie gesagt: Klassischer Cranberries-Sound. Das ist ein guter Hinweis darauf, wie sie das Album aufnehmen werden. Ich bin sicher, dass viele Leute – besonders die Hardcore-Fans – das Hören kaum erwarten können.

Was stellt ihr mit euren Leben an, sobald das hier vorbei ist?

Fergal: Urlaub! (lacht)

Noel: Ja. Und dann nachdenken, was ich machen möchte. Zu sagen, es war ein ereignisreiches Jahr, wäre ja ein Understatement! (lacht) Es ist eine spannende Zeit. Wir wollen das Album rausbringen, sind dann aber wahrscheinlich froh, für eine Weile abtauchen zu können.

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