laut.de-Kritik

The Game schwelgt in alten Zeiten und klingt dennoch frisch.

Review von

Bei The Games neuer Platte "1992" war die Sachlage eigentlich schon vor Veröffentlichung geklärt. Eigentlich. Denn was da im Vorfeld an unsäglichen Beefgeschichten hochkochte, ähnelte in Teilen fast schon einer gewöhnlichen Deutschrappromophase. Opfer der Angelegenheit: der ohnehin viel gescholtene Meek Mill. Neben allerlei Instagram-Peinlichkeiten förderte der Streit zumindest einen tatsächlich starken Disstrack von The Game zu Tage.

Nichtsdestotrotz: "1992", die x-te Rückbesinnung auf alte Erfolge von The Game, wer soll darauf noch gespannt sein? Die Westcoast ist mittlerweile fest in der Hand junger Vertreter wie YG oder Vince Staples. Was hat The Game all dem nach zwei durchwachsenen Soundtracks (zu einer Doku-Serie und einer Handy-App) im Jahr 2016 noch hinzuzufügen? Neben allerlei biederem Warmkochen vergangener Glanztaten dann doch so einiges, womit im Vorfeld nur bedingt zu rechnen war.

"1992" ist eine kohärente Platte, die ganz unbemüht im Sound alter Zeiten badet und dabei über weite Strecken frisch und angriffslustig klingt. Besonders in Anbetracht der Fülle seiner Diskografie ist es vielleicht die beste Platte, die man von The Game derzeit erwarten kann. Das liegt zwar nicht daran, dass er in Sachen Storytelling gänzlich neue Erzählebenen eröffnet oder dynamischer in seinem Vortrag agiert. Viel eher hat "1992" schlicht und einfach haufenweise musikalisch relevante Momente.

"The Juice" handelt inhaltlich zwar recht wohlwollend Meilensteine seiner Karriere im Eiltempo ab, klingt dank einer glänzend aufgelegten Lorine Chia, die ein wenig an Kali Uchis erinnert, und unbeeindruckter Westküsten-Instrumentierung aber präsent und im Jetzt. Ebenso "The Soundtrack": Will Power verwurschtelt Clams Casinos "I'm God" so dermaßen on point, dass beinahe in Vergessenheit gerät, dass "the Soundtrack to the ghetto [...] The Chronic" war. Ohnehin hätte es The Game wohl nicht nötig, seine Vergangenheit bis zum Gehtnichtmehr (will heißen: auf so ziemlich jedem Song) zu glorifizieren. Passiert doch auch so einiges Neues in der wohl berühmtesten Vorstadt der Welt.

So beraubt sich Game stellenweise jeglicher Spannung. Für Überraschungen sorgen eher die oft sehr catchigen Hooks ("Bompton") und das durchweg stilsichere Beatpicking ("I Grew Up On Wu-Tang", "However Do You Want It"). Die beiden Komponenten reichen in diesem Fall schon aus, um "1992" zu einem zweifelsfrei starken Album zu machen. In Anbetracht des unsäglichen Vorgeplänkels ist das ja meist nicht zu erwarten. Zumindest, wenn man dafür deutsche Maßstäbe bemüht.

Trackliste

  1. 1. Savage Lifestyle
  2. 2. True Colors/It’s On
  3. 3. Bompton
  4. 4. Fuck Orange Juice
  5. 5. The Juice
  6. 6. Young Niggas
  7. 7. The Soundtrack
  8. 8. I Grew Up On Wu-Tang
  9. 9. However Do You Want It
  10. 10. Baby You
  11. 11. What Your Life Like
  12. 12. 92 Bars

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