laut.de-Kritik
Game Over?
Review von Franz Mauerer"Was, der lebt noch?", denken sich einige der Älteren vermutlich. "Wer ist dieser böse dreinblickende Ganzkörpertätowierte?", mutmaßen die jüngeren Semester. Es handelt sich um The Game, die Leser um die 30 kennen ihn ganz selbstverständlich als eine der Galionsfiguren des Nuller-Westcoast-Revivals. Nach den höchst erfolgreichen Anfängen, dem viel gelobten Major-Debütalbum "The Documentary" und einem jahrelangen Seifendrama mit 50 Cent und Dr. Dre blieb The Game über nunmehr neun Alben zwar nicht die prägende Figur des Rap, erhielt sich aber dank seines qualitativ konstant guten und regelmäßigen Outputs eine Stammkundschaft vor allem in den Staaten. Das neue und nach eigener Aussage nun letzte Werk "Born 2 Rap" bildet mit seinem Einstieg auf Platz 19 der Billboard-Charts eine unrühmliche Ausnahme.
Ob dabei das unmögliche Cover eine Rolle spielte? Was genau The Game mit den neun Schwangeren sagen will, ob sie für den Schaffungsprozess seiner Alben stehen, ob die Kinder im Sinne von Ice Cubes "Child Support" die nächste Rapgeneration symbolisieren, ob sie - wie er - "Born 2 Rap" sind: Ich weiß es nicht. Psychologisch bedenklicher und spannender erscheint ohnehin, dass bei den neun werdenden Müttern auf dem Cover keinerlei Augenkontakt oder positive Interaktion zwischen den Beteiligten zu sehen ist: Sie stehen herum wie trächtige Walnussholzmöbel.
"Born 2 Rap" will The Game selbst jedenfalls sein. Einer solchen Albumtitelansage als ersten Song mit "City Of Sin" nicht nur ein Feature MIT Ed Sheeran, sondern einen Song VON Ed Sheeran, auf dem The Game gar nicht vorkommt, folgen zu lassen: Das erfordert Chuzpe. Es irritiert aber zudem, da dieser Kniff gerade als Opener so belanglos wirkt wie eine schlecht kuratierte Playlist.
Travis Barker auf "No Smoke" erscheint ebenfalls wie eine seltsame Wahl als so weit vorne platzierter Song. Barkers durchaus passendes Schlagzeugspiel ist eine gute Idee, aber die zugefügten Pianofiguren wirken unpassend, der ganze Song wie bestellt.
Erst der dritte Song "Five Hundred Dollar Candles" fühlt sich wie ein echter Teil des Albums an und steht mit dem Highlight "West Side", "Welcome Home" und dem Yeezus-igen "Cross On Jesus Back" samt hervorragenden Feature von D Smoke für den Stil des Albums: relativ karg, konzentriert, mit eher trockenen Beats. Eine Wall of Sound sucht man hier vergeblich, und der Funk-Anteil im G-Funk kommt selbst beim auch im Video Tupacs und Dres "California Love" zitierenden "West Side" nur sehr reduziert daher.
"The Light" zeigt die grundsätzliche Ausrichtung gut auf, da trotz Choral-Sample von Bobby Cauldwell Games Stimme im Vordergrund steht. Mit dem bisherigen Schaffen des MCs bricht auch das zurückgenommene Tempo vieler Tracks, Musterbeispiel "One Life". Alles wirkt eine Stellschraube langsamer, überlegter, aber auch weniger dynamisch: Ein "Goblins Vs Martians" findet sich auf "Born 2 Rap" nicht.
Nicht die grundsätzliche Ausrichtung macht die Angelegenheit stellenweise zäh und dröge, sondern die schlicht mangelnde Qualität vieler Filler. "Blood Thicker Than Water" möchte ich nicht hören, da der Song einfach unnötig erscheint. Ein gelungenes gepitchtes Sample, das man woanders schon hundertmal besser gehört hat, macht noch keinen guten Track. Zumal Game ebenfall gelangweilt wirkt: bei 90 Minuten Spielzeit auch kein Wunder.
Warum muss unter 25 Stücken eine Niete wie "Gangstas Make The Girls Go Wild" mit dem wie immer peinlich unsicher "liefernden" Chris Brown Platz finden? "Hug The Block", "Ask For Me": Fugendichter, der nicht hält, umso mehr, da The Game, siehe "Gucci Flip Flops", über weite Strecken nichts zu sagen hat. Die Lyrics beschränken sich auf Selbstbeweihräucherung und groteske Reflektionen über das eigene Können, ohne dabei mit lyrischer Qualität (wie zum Beispiel Weezy es vollbringt) diese Inhaltsleere zu überdecken. Interessant wird es, wenn The Game authentisch Nipsey Hussle die Ehre erweist. Dann hat man den Eindruck, dass der MC wirklich bei der Sache ist und nicht nur Platz mit Wörtern füllen muss.
Diverse Produzenten, unter anderem Bug Duke und Tec Beatz, haben die Scheibe produziert, aber vor allem haben, anders als bei den Vorgängern, durchgehend Rapper Stat Quo und der Produzent (und The Games Manager) Wack 100 die Tracks geschrieben. The Game selbst war "nur" beteiligt. Er hat zwar schon immer auf Co-Autoren vertraut, allerdings nicht auf Albumlänge und nicht in so bestimmender Position. Dieser Entscheidung verdankt das Album wohl seine Kohärenz im musikalischen Ansatz, allerdings beraubt sie den Rapper auch einer seiner größten Stärken, nämlich des Beatpickings.
"Born 2 Rap" ist ein würdevolles Abschiedsalbum mit zu viel Fett am Fleisch, ähnlich einer überladenen Playlist, und dem seltsamen Gefühl, dass The Game eben kein sum-up seines bisherigen Schaffens gezogen hat, sondern "Born 2 Rap" nutzte, um sich weiterzuentwickeln und Neues auszuprobieren. Das ist löblich, aber warum dann aufhören? Allerdings wurde er gerade eben erst vierzig und stand nun auch bisher nicht felsenfest zu jeder getätigten Aussage.
4 Kommentare mit 5 Antworten
gerade im Jahr der Frau müsste doch ein so frauenbejahendes Cover die Konstanzer Femenlandschaft in akute Freudenräusche versetzen.
Franz Meurer, Sie haben nichts verstanden.
Wie lang wart ihr eigtl zusammen bevor sie dich gegen nen anderen Versager ausgetauscht hat?
still ballin'
Frag mich was die sich bei dem Cover gedacht haben. Sollte definitiv auf die Liste der schlimmsten Cover. Wertung geht klar, war früher ein großer Fan, dass mit dem Ghostwriting ging allerdings ziemlich an mir vorüber. Schmälert immer die "Realness".
@FancyNancy Ja mit dem Ghostwriting muss ich dir Recht geben. Wusste ich auch nicht und ist irgendwie enttäuschend, so was zu lesen. Ich mein, wofür wirst du Rapper, wenn du nicht selbst schreibst? Bei Leuten wie Dr. Dre kann ich das ja nachvollziehen, wenn man sich selbst nicht wirklich als MC sieht und darstellt. Bei anderen Leuten, wie bspw. Game geht das nicht klar, gehört für mich zum Handwerk eines Rappers bzw. MCs dazu und stellt für mich einen Großteil der Leistung eines Rappers dar. Ist für mich halt anders als beim Gesang. Deswegen haben für mich auch Rapper nichts in Musik-Castingshows wie bespw. The Voice zu suchen, es sei denn sie würden ihren eigenen Kram bringen, und selbst dann sollten sie sich selbstverständlich eine andere Bühne suchen...
Wusste ich auch nicht, aber da er anscheinend nur einen "Freestyle" drauf hat, nicht weiter überraschend
https://youtu.be/a9sEwtXMQBQ
"mit dem wie immer peinlich unsicher "liefernden" Chris Brown" - gut beschrieben.
Das Cover ist so dermaßen peinlich, allein das ist eigentlich schon ein Grund das nicht zu hören.
Album gut 10 Tracks zu lang und eher enttäuschend. Es wirkt wie ein lauer Abklatsch von 1992. Das Namedropping nimmt schon nervige Züge an und beschissenere Features hatte dieses Jahr kein US Release zu bieten.
Irgendwie ist Game ein Rapper, bei dem ich immer vergesse, dass er im Grunde seit 5-6 Jahren (fast) nur noch Müll produziert und ich trotzdem immer wie ein Depp aufs neue Album hoffe. Ich hör dann mal lieber wieder frühere Werke...bis das neue ALbum kommt und ich mich wieder grundlos freue.