10. August 2023

"Der Rock'n'Roll ist weltweit auf dem Vormarsch"

Interview geführt von

Mit dem Album "The Death Of Randy Fitzsimmons" verabschieden sich The Hives von ihrer kreativen Muse. Am Handy erzählt The Howlin' Pelle Almquist, warum er kein Beatles-Fan ist, ob Dave Grohl ihn noch leiden kann und ob Fitzsimmons ein Testament hinterließ.

Irgendwo in der schwedischen Pampa fährt The Hives-Frontmann Pelle Almquist Bus. Zwei Taschen liegen neben ihm, in einer Hand hält er sein Handy und telefoniert mit laut.de. Nebenbei wechselt er immer mal ein paar Worte auf Schwedisch mit dem Busfahrer, ab und zu bricht die Verbindung ab.

Schließlich steigt Pelle aus und läuft einen dunklen Pfad entlang, um zu seinem Ferienhaus zu gelangen. Die Tour mit den Arctic Monkeys ist gerade zuende gegangen. Der letzte Gig war vor einer Woche in Athen. Doch schon bald geht es mit der Tour zum neuen The Hives-Album "The Death Of Randy Fitzsimmons" weiter. Zeit, um ins wohlverdiente Wochenende zu crashen.

Um The Hives war es elf Jahre lang relativ still. Was habt ihr seit dem letzten Album gemacht?

Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Wir haben viele Konzerte gespielt, aber kein Album, das ist die kurze Antwort. Wir haben zwei Mitglieder seit dem letzten Album verloren: Dr. Matt Destruction und auch Randy Fitzsimmons, der ein großer Teil des kreativen Prozesses war. Daher kommt auch der Titel des Albums "The Death of Randy Fitzsimmons". Diese beiden Veränderungen haben also dazu beigetragen, dass es so lange gedauert hat.

Wie habt ihr euch als Band seither verändert?

Das ist schwer zu sagen. Ich meine, wir haben einen neuen Bassisten, das ändert die Dinge sehr, wenn ein Fünftel der Band durch jemand anderen ersetzt wird. Und wir haben versucht, herauszufinden, was unser neues Ding ist. Aber es fühlt sich immer noch sehr nach der gleichen Band an. Denn die Band ist nicht die Summe ihrer Teile, es geht nicht wirklich um die Mitglieder. Es geht um die Idee, was die Band ist. Und die Band ist eine Sache für sich, losgelöst von den Bandmitgliedern.

Wie würdest du die Kern-DNA der Band beschreiben?

Sie ist unsere Vorstellung von einer perfekten Band, so wie eine Rockband unserer Meinung nach sein sollte. Es ist eine Mischung aus Fünfziger-Jahre-Rock, Sechziger-Garage-Rock, Siebziger-Punk und noch etwas anderem, modernerem. Und wir haben etwas, das keine andere Band hat. So wie unsere Vorbilder, denen wir früher nacheifern wollten. Wir wollten eine Art AC/DC oder Ramones oder Cramps werden oder eine dieser wirklich kultigen Bands, die wir in unserer Jugend geliebt haben. Eine dieser Bands, die eine eigene Identität haben. Und ich glaube, das haben wir geschafft.

Die Tickets für eure Comeback-Shows in New York und L.A. waren in weniger als 60 Sekunden ausverkauft. Ihr seid also immer noch sehr gefragt, genau wie der Rock'n'Roll. Was sagst du zu Leuten, die behaupten, dass Rock tot ist?

Naja, niemand behauptet, dass klassische Musik tot ist. Es gibt wahrscheinlich mehr Leute, die Rock'n'Roll hören. Niemand sagt, dass der Jazz tot ist. Wie geht es der Disco-Musik eigentlich? Niemand spricht davon, dass Disco tot ist. Es ist scheinbar so, dass wir im Rock'n'Roll ständig darüber diskutieren müssen, ob er tot oder lebendig ist. Bei der letzten Show, die wir gespielt haben, waren 90 000 Leute da, die zu dieser Musik völlig durchgedreht sind. Das zeigt, dass Rock nicht tot ist. Er ist es einfach nicht. Der Rock'n'Roll ist weltweit auf dem Vormarsch, das kann ich dir sagen!

"Unser Job ist noch nicht erledigt"

Wo wir gerade vom Sterben sprechen: Das Cover eures neuen Albums zeigt, wie alle Bandmitglieder in ein Grab hinab schauen und im Song "Countdown To Shutdown" singt ihr: "It's an enigma wrapped in a riddle and shrouded in a mystery". Das Gleiche gilt für die Figur des Randy Fitzsimmons.

(Lacht) Dass er ein Rätsel ist, das von einem Geheimnis umhüllt wird? Ja, das ist er wohl!

Ist er wirklich tot?

Ich weiß nicht, wie er gestorben ist, ich weiß nicht, wann er gestorben ist, ich hoffe nur, dass er nicht tot ist. Ich habe einfach keinen Kontakt mehr zu ihm. Es gab einen Nachruf, aber das scheint irgendwie sein Sinn für Humor zu sein. Wir wissen da nicht wirklich mehr als du. Wir wissen nur, dass er oder jemand anderes behauptet, dass er tot sei.

Hat Randy Fitzsimmons euch ein Testament hinterlassen?

Er hat uns diese Songs hinterlassen, die auf dem Album sind, was wohl so ähnlich ist (lacht). Die Songs sind das beste Abschiedsgeschenk, das wir uns hätten erhoffen können. Jetzt können wir noch ein bisschen länger The Hives sein.

Gab es noch etwas, das sterben musste, damit ihr als Band wieder zusammenkommen konntet?

Ja, wahrscheinlich einige interne Band-Sachen, die wir begraben mussten. Aber es ist irgendwie zu schwer, darüber zu sprechen. Es gab Dinge, mit denen wir uns abfinden mussten, und ich glaube, dass die Pandemie dabei geholfen hat. Denn da konnten wir nicht mehr The Hives sein, und uns wurde klar, dass wir das eigentlich sein wollen. Uns wurde klar, dass unser Job hier noch nicht erledigt ist.

"Meiner Bühnenpersönlichkeit geht man besser aus dem Weg"

Du hast in einer Pressemitteilung gesagt, dass Rock'n'Roll wie ein ewiger Teenager ist, der nicht alt wird. Dennoch werden die Band und die Zuhörer unweigerlich älter. Wie geht ihr mit diesem Kontrast um?

Ich meine, wir gewinnen jedes Mal neue, junge Fans, wenn wir ein neues Album herausbringen, also gibt es ein gewisses Nachwachsen. Aber ich denke, dass das Gefühl des Rock'n'Roll dasselbe ist wie das Gefühl, ein Teenager zu sein. Es ist die Kreuzung von etwas Zerstörerischem, etwas Sexuellem und etwas Euphorischem. Das ist das Gefühl, dem wir nachjagen, wenn wir Musik machen, und ich denke, das ist ein Gefühl, das man sein ganzes Leben lang braucht, unabhängig davon, wie alt man ist. Es ist einfach ein Gefühl, das man als Jugendlicher mehr hat. Als wir selbst noch Teenager waren, habe ich ältere Leute gesehen, die unsere Shows verließen und sich wieder jung fühlten. In gewisser Weise ist Rock'n'Roll für mich so etwas wie der Jungbrunnen. Und das ist es, wofür wir ihn brauchen. Heute ist Mick Jaggers 80. Geburtstag und der geht auch immer noch voller Elan und mit einem Funkeln in den Augen durchs Leben. Ich glaube, das liegt am Rock'n'Roll. Mick Jagger ohne Rock'n'Roll wäre mit 80 viel älter als Mick Jagger mit Rock'n'Roll.

Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Ich denke da an John Lennon, der einmal sagte: "Ich will die Beatles-Sachen nicht mehr machen, wenn ich 40 oder 50 bin".

Aber er ist auch jung gestorben, und wenn das nicht passiert wäre, würde er jetzt sicher durch die Welt touren und Beatles-Songs spielen (lacht).

Ja, wie Paul McCartney.

Ja, sie würden wahrscheinlich zusammen auf Tournee gehen.

Paul und Ringo scheinen ja auch noch nicht eingerostet zu sein.

Überhaupt nicht. Paul McCartney war in Glastonbury, als wir dort spielten. Auf mich wirkte er jung.

Hast du ihn kennengelernt?

Nein, ich habe ihn nie getroffen. Ich meine, ich habe eine Menge Freunde, die ihn getroffen haben, aber ich nicht. Ich habe das nicht wirklich gesucht. Die Beatles waren nie mein Ding. Ich denke, das ist eines der Dinge, die uns von anderen Gitarrenbands unterscheiden: Wir haben die Beatles nicht gehört. Das hat uns einzigartiger gemacht, denke ich. Denn alle anderen lieben die Beatles.

Es wird manchmal gesagt, dass man entweder ein Beatles- oder ein Stones-Fan ist. Würdest du sagen, dass ihr eher eine Stones-Band seid?

Ja, auf jeden Fall. Wir waren 2003 mit den Stones auf Tour und sie waren verdammt gut zu uns. Beatles-Fans haben immer so viele Argumente, warum die Beatles besser sind. Aber im Rock'n'Roll zählt nur eins, und das ist, ob man sich beim Zuhören cool fühlt. Und das können die Rolling Stones viel besser, finde ich. Meiner Ansicht nach besteht da kein Wettbewerb. Die Beatles sind wie eine dieser Fußballmannschaften, von denen man sagt, sie hätten eine perfekte Technik und seien die bessere Mannschaft, aber sie schießen keine Tore (lacht).

Wir haben gerade darüber gesprochen, welche Leute du getroffen hast. Du warst einmal auf der Silvesterparty von Dave Grohl und hast angeblich viel gekotzt.

Ich hab eigentlich nur sehr wenig gekotzt, aber hauptsächlich in meine Hand und ich habe es aufgefangen. Dann war es auch in Ordnung. Und dann sagte ich "Oh, das war's für mich" und ging.

Hat Grohl dich danach jemals wieder eingeladen?

Ja, klar, seitdem sind wir Freunde. Ich glaube, er fand es lustig. (lacht)

Das klingt nach einer sehr lustigen und verrückten Zeit.

Es war eine schöne Zeit. Dave ist ein netter Kerl. Ich liebe ihn wirklich. Alle diese Jungs waren wirklich großartig zu uns.

Ihr wart gerade mit den Arctic Monkeys auf Tour. Wie war diese Erfahrung für euch?

Es war großartig. Ich denke, dass die Arctic Monkeys sowohl als Menschen als auch als Band großartig sind. Ich mag sie wirklich. Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen. Ich mag ihre Musik. Ich mag es, vor ihrem Publikum zu spielen. Das ist riesig und wir konnten ihnen ein bisschen die Show stehlen. Und ich glaube, wir waren einer der Gründe, warum die Arctic Monkeys ihre Band überhaupt erst gegründet haben. Wir waren einer ihrer frühen Einflüsse. Ich denke, das ist der Grund, warum sie uns dabei haben wollten.

Haben sie euch einfach angerufen und gefragt, oder wie kommen diese Dinge zustande?

Ja, so in etwa war das. Sie wollten zuerst die neue Musik hören, und wir haben ihnen unsere neuen Songs vorgespielt, und die mochten sie, und dann haben sie uns auf Tour mitgenommen.

Auf eurem neuen Album habt ihr einen Song mit dem Titel "Two kinds of trouble". Glaubst du, dass es nur zwei Arten von Problemen gibt, und wenn ja, welche sind das?

Es gibt "You"-Trouble und "Me"-Trouble. Und du wirst mit deinem eigenen Ärger fertig werden müssen.

Das bedeutet also, dass man die Verantwortung für seine eigenen Probleme übernimmt?

Darum geht es in dem Lied eigentlich nicht. Es benennt nur verschiedene Dinge. Ich möchte das Lied nicht erklären. Es fühlt sich dann so an, wie wenn man einen Witz erklärt.

Man sollte den Text also nicht überanalysieren?

Nein, ich finde es großartig, wenn man ihn überanalysiert. Aber ich mache es kaputt, wenn ich meine Version davon erkläre. Ich möchte, dass du deine eigene Interpretation beibehältst. Mein Songwriting ist in gewisser Weise wie Poesie. Die Songs sind so geschrieben, dass man dabei etwas fühlt und dass man über Dinge nachdenkt. Aber ich möchte nicht genau erklären, was diese Dinge sind. Ich möchte, dass du selbst darüber nachdenkst. Das ist im Prinzip das Gegenteil von Religion. Während Religion vorschreibt, was du zu denken hast, möchte ich, dass du lieber selbst nachdenkst.

Ich bin jetzt aus dem Bus ausgestiegen. Ich bin gerade auf dem Weg zu meinem Sommerhaus, und weil ich schon so lange auf Tournee bin, habe ich gerade kein Auto. Ich musste den Bus nehmen und es ist alles etwas kompliziert, weil es in der Wildnis liegt.

Hast du viel Gepäck dabei?

Ich habe zwei Taschen bei mir: Eine Tasche mit Lebensmitteln und eine Tasche mit Kleidung. Das war's. Ich trage sie jetzt eine dunkle Straße entlang.

Das ist ein interessantes Bild für unsere Leser.

(Lacht) Ja, dass ich mit dem Bus fahre wie ein Normalsterblicher.

Wurdest du auf deiner Busreise erkannt?

Ja. Ich werde mindestens ein- oder zweimal am Tag erkannt.

Ist das eine positive Erfahrung für dich oder eher nicht?

Nun, normalerweise sind alle sehr nett. Meine Bühnenpersönlichkeit kann manchmal eine Art Arschloch sein und ist irgendwie furchteinflößend, was bedeutet, dass die Leute mich nicht belästigen. Sie kommen einfach auf mich zu und sagen: "Ich wollte nur sagen, dass du wirklich großartig bist. Ich möchte dich nicht belästigen", und dann gehen sie wieder. Die Leute sind wirklich respektvoll. Sie freuen sich einfach über die Erfahrungen, die ich ihnen beschert habe, sagen kurz danke und gehen mir aus dem Weg. Ich denke das liegt daran, dass meine Bühnenpersönlichkeit jemand ist, dem man besser aus dem Weg geht.

Auf dem neuen Album habt ihr einen Song namens “Crashing Into The Weekend”. Wie sieht der "Absturz ins Wochenende" für dich aus?

Da wir so lange auf Tournee waren, stürze ich mich diese Woche in mein Sommerhaus, in eine Sauna und in einen See. Und es wird nicht so aussehen wie in dem Song. Das Lied handelt von der anderen Art von Wochenende. Ein Wochenende, an dem man sich wirklich in die Stratosphäre schießt und alles auf eine Karte setzt und am Ende an einem anderen Ort landet - emotional, geistig und körperlich. Aber das Wochenende, das ich jetzt habe, wird viel ruhiger sein, weil ich schon so lange auf Tour bin und da war jeder Tag "Crash into the weekend"-Material. Also will ich jetzt ein Wochenende, das nicht so ist. Im Leben geht es um Ausgeglichenheit (lacht).

Vielen Dank für das Interview, Pelle.

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