laut.de-Kritik
Langsam wird es unheimlich.
Review von Michael SchuhLangsam wird es unheimlich. Nur zwei Wochen sollen die Aufnahmen für "The Libertines" gedauert haben. Zwei Wochen im Leben einer Rock'n'Roll-Band, die eigentlich aus vier Mitgliedern besteht, nach außen hin aber durchweg als Duo wahrgenommen wird. Das Stones-Prinzip. Nur führen sich Carl Barât und Pete Doherty, das glamouröse Songwriter-Paar der Libertines, bereits nach ihrem ersten Album so auf, wie Jagger und Richards Ende der 70er. Hassliebe, Zerwürfnisse, Gefängnis, Solo-Projekte. Endstation Drogensucht.
Beinahe wäre es so gekommen. Wie sehr es den unsichtbaren Libertines John Hassell (Bass) und Gary Powell (Drums) zu danken ist, dass stattdessen mitten im nach wie vor lodernden Fegefeuer der Eitelkeiten mit "The Libertines" ein derartiges Meisterwerk zustande kommen konnte, bleibt im Unklaren. Sicher ist, dass Powell für die Akquirierung Alan McGees sorgte, seit knapp einem Jahr der neue Name auf der Manager-Verschleißliste der Band, und seinem Lebenslauf nach zu urteilen wie geschaffen für den Job.
Ebenfalls bekannt ist, dass Barât in jenen beiden Studiowochen im Frühjahr 2004 ziemlich angefressen war, da Doherty nach medienträchtiger Versöhnung vor Gefängnistoren noch immer nicht von den Drogen lassen konnte. Mittlerweile ist das Verhältnis der beiden wieder dramatisch abgekühlt, Doherty wurde von Barât aufgrund anhaltender Gemütskonfusion vor die Tür gesetzt, und auf der laufenden Welttournee singt und spielt bereits ein Ersatzmann die neuen Songs.
Die daraus resultierende Gram des Pete Doherty ist verständlich: Die neuen Songs der Libertines sind großartig. Wer glaubte, dass gnadenlose Indie-Hits wie "Time For Heroes" oder "I Get Along" kaum übertreffbar seien, der höre nur "Last Post On The Bugle" oder "Music When The Lights Go Out", zwei der besten Kompositionen, die die Band bis dato geschrieben hat. Der erste im gewohnt rauh-scheppernden Gewand und durch Handclaps rhythmisch gestützt, letzterer gespickt mit all jenen Ingredienzien, die die Band wie keine andere zu konservieren weiß: den störrischen Charme von The Jam, die melancholische Eleganz der Smiths und die Energie von The Clash.
Gerade diese Energie durfte keinesfalls verloren gehen, worüber erneut Ex-Clasher Mick Jones wachte, der die vom Debüt bekannte, in Teilen zu ungestüme Vorstellung nun in eine für Libertines-Verhältnisse blitzsaubere Produktion kleidete. Inhaltlich sei "alles, was den beiden in den letzten zwei Jahren zugestoßen ist" auf der Platte gelandet, verriet Jones noch vor wenigen Monaten. Und tatsächlich: Träumten die jungen Romantiker Barât und Doherty auf dem Vorgänger noch von entlegenen Fantasie-Orten wie Arcadia, müssen sie nun erst mal wieder zu sich selbst finden.
Die Vorabsingle "You Can't Stand Me Now" ist gar so persönlich ausgefallen, dass Doherty bei einem seiner letzten Auftritte mitten im Refrain wütend von der Bühne stürmte, mit der Gewissheit, Barât habe ihn absichtlich schief angegrinst. Genialität und Drogen, Doherty genießt beides. Seine Gesangs-Performance auf "The Man Who Would Be King" und dem erwähnten "Last Post On The Bugle" zeigt, dass dieser Mann durch nichts und niemanden zu ersetzen ist.
Barât glänzt auf dem "Up The Bracket"-Punk-Nachfolger "Narcissist", und mit dem noch schnelleren Einminüter "Arbeit Macht Frei" haben die Libertines nach Franz Ferdinand, die bei manchem Akkord ("Campaign Of Hate") übrigens gar nicht so fern sind, nun auch ihren kleinen Deutschausflug. Im rüden "The Saga" entschuldigt sich Doherty zunächst bei Barât für seine ständige Unberechenbarkeit, nur um abschließend festzustellen: "No, I ain't got a problem, it's you with the problem." Kindsköpfe.
Vom Dauerzwist beseelt, gelang dem Quartett mit "The Libertines" jedenfalls ist eine Platte voller Lieblingssongs. Das beste Zweitwerk seit den Strokes. Zum Wohlergehen der Band (und zu unserem Vergnügen) kann man nur hoffen, dass Doherty die Liebe seines Freundes Barât nicht überstrapaziert. Eine Hintertür steht nach wie vor für ihn offen. Die Coverwahl belegt einmal mehr Barâts Sehnsucht nach einem Happy End: das Foto stammt vom so genannten "Freedom Gig", dem Konzert nach Dohertys Entlassung aus dem Knast.
27 Kommentare
Das Album ist doch totaler müll und kein "Meisterwerk"
durch dieses Kommentieren von Alben habt ihr euch echt ein Grab geschaufelt, laut.de!
@Richard Starkey (« Aber wenn du zu dieser hörerschicht gehörst...die libertines werden zum beispiel bei last.fm mit den strokes oder bloc party als ähnliche künstler genannt...ähnlich,aber nicht gleich,ich weiß...trotzdem vergleichbar.
Und wenn du dir hier bei laut.de mal die biographie durchliest wirst du sicherlich nicht einfach so auf namen wie "The Strokes" stoßen »):
last.fm ist eher nach favouritenlisten aufgebaut. nicht nach ähnlichkeit innerhalb der musik. akkordverläufe etc. sollte dir schon auffallen...inwiefern man musik miteinander verknüpfen kann.
nicht gerade so gut wie das Debüt, nicht so intensiv aber fast genauso gut und die 5 Punkte darf man (muss nicht) stehen lassen.
Dafür sind sie dann doch wieder zu gut =)
Ich höre den Scheiß. Inspirirender Scheiß