laut.de-Kritik
National-Fans verbringen Weihnachten in Italien.
Review von Stefan MertlikMatt Berninger hält den Mund. Stattdessen singt das Publikum des The-National-Frontmanns lautstark: "Vanderlyle crybaby cry / Oh, the water's a-rising, and still no surprising you." Und so endet die Live-Platte "Rome" mit einem knapp fünfminütigen Stück, dessen Text allein von den Fans gesungen wird. Ohne Zweifel ein Höhepunkt unter den 21 Liedern, die es auf das Doppelalbum geschafft haben.
Entstanden sind die Aufnahmen Mitte des Jahres im Parco Della Musica Ennio Morricone in Rom. Auf das, was letztendlich aus den Wohnzimmer-Lautsprechern kommt, hat der Ort aber keinen Einfluss. Nur einmal rutscht Berninger ein "Grazie Rome" heraus, es könnte fast untergehen.
Die Menschen vor der Bühne scheint der geringe Austausch in den Liedpausen kaum zu stören. Sie klatschen und singen engagiert, wenn es der jeweilige Moment erfordert. "We don't bleed, when we don't fight / Go ahead, go ahead / Throw your arms in the air tonight", singt Berninger im Opener "Runaway". Nach dem ersten Kehrvers setzen die Drums ein, die Menge jubelt. Gänsehaut.
"Rome" geht auf als Live-Album, funktioniert aber auch als Best-of-Platte. Zum Beispiel sind dabei "New Order T-Shirt" und "Tropic Morning News" vom neunten Album "First Two Pages Of Frankenstein", aber auch Klassiker wie "Lit Up" und "Mr. November" vom dritten Album "Alligator". Die Live-Versionen heben sich mal leicht, mal stark von den Studioaufnahmen ab. Eines der frischesten Stücke im Line-Up, "Smoke Detector", das sich durch Spoken-Word-Verse auszeichnet, verwandelt sich in der "Rome"-Variante fast in einen Rap-Song.
Produzent und Grammy-Award-Gewinner Peter Katis, beteiligt an acht der zehn National-Studioalben mitgearbeitet, hat "Rome" abgemischt. Und der Klang stimmt. Berningers Stimme liegt verständlich auf dem bombastischen Klangteppich, den die Instrumente weben. Wie euphorisch, geradezu rauschhaft die Stücke von The National klingen, wird durch diese Live-Aufnahmen noch einmal deutlich. Dass der Mitschnitt ohne Overdubs, also später im Studio hinzugefügte Tonaufnahmen, auskommt, unterstreicht die Qualität von The National als Live-Band.
Berninger und Co haben vor diesem schon einige Live-Mitschnitte veröffentlicht. Zu den populärsten gehört "Boxer (Live in Brussels)" von 2019. Doch mit einem so umfangreichen Werk wie "Rome" beglückte die Band ihre Anhängerinnen und Anhänger bislang noch nicht. Ein schönes Geschenk: National-Fans verbringen Weihnachten in Italien.
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