laut.de-Kritik

Mehr Atmosphäre und Tiefenschärfe als Bombast.

Review von

The Ocean verbinden auf "Holocene" Atmosphäre, klangliche Tiefe und Härte auf beeindruckende Weise. Dabei stehen Soundscapes und Synths gleichberechtigt neben majestätischen Riffs und bringen den konzeptuellen Hintergrund des neusten Zeitalter der Erdgeschichte in Tracks wie dem getragenen "Subatlantic" oder dem trippigen "Preboreal" zum Leuchten.

Die Live-Erfahrung "Phanerozoic Live" im Zuge der Aufführung des Doppelschlag "Phanerozoic I: Palaeozoic" und "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic" bedingt eine latente Abkehr vom Post Metal-Bombast hin zu mehr Atmosphäre. Immerhin steht mit Peter Voigtmann ein Picasso hinter den Tasten und kein Synthie-Sünder.

Dessen Vorlagen spinnt Robin Staps weiter, mal mit dickeren Arrangements mal in reduzierter Form. Immer schimmert aber das Grundgefühl des prägenden Parts durch, und dieses ist durchgehend Ambient-lastig. An einigen Stellen greifen The Ocean auf Trip Hop-Elemente zurück, wie sie Massive Attack auf "Mezzanine" zur Meisterschaft gebracht haben, etwa im abschließenden "Subatlantic".

Mit Blick auf das biologische Storytelling ist man zumindest nach Erzeitalter-Maßstäben in der Gegenwart angekommen und vertont die großen Linien des Holozäns, das nach der letzten Eiszeit angesiedelt ist und immerhin seit 12.000 Jahre währt. Dagegen muten die 250 Jahre, die der Mensch seit der Industrialisierung gebraucht hat, um das Klima runterzurocken wie ein kurzes Tänzchen - auf dem Vulkan, wohlgemerkt. Ein Schwenk zu aktuellen Themen die Gattung Mensch betreffend sieht die Band ebenfalls vor, ähnlich der Verknüpfung von Mensch, Natur und Tierwelt wie es Long Distance Calling ("Eraser") und Haken ("Fauna") umgesetzt haben.

In "Parabiosis" braten The Ocean Billie Eilishs "Bad Guy" in der Pfanne und schwingen sich wohl genährt durch klaustrophobische Strophen in Riff-durchwirkte Metal-Höhen auf. "Unconformities" mit der vielseitigen wie fantastischen Karin Park entfesselt eine maliziöse Kraft, vergleichbar mit den von Belinda Kordic intonierten Crippled Black Phoenix-Werken. Auch Stammsänger Loïc Rossetti überzeugt in puncto Präsenz und Charisma. Sein Timbre ist mittlerweile wesentlich ausdrucksstärker geworden, gerade in den melodischen Passagen, ohne dabei die Sludge-Wurzeln zu verraten.

Weniger Breitwand als auf den beiden Vorgängern und mehr Tiefenschärfe wie auf der Untersee-Abenteuerreise "Pelagial" tun The Ocean gut. Mit "Holocene" gelingt der internationalen Postmetal-Community ein beeindruckendes Stück Kultur, dass der Mensch neben Essen, Schlafen und Kuscheln dringend benötigt.

Trackliste

  1. 1. Preboreal
  2. 2. Boreal
  3. 3. Sea Of Red
  4. 4. Atlantic
  5. 5. Subboreal
  6. 6. Unconformities
  7. 7. Parabiosis
  8. 8. Subatlantic

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