laut.de-Kritik
Der Rock'n'Roll-Schwindel als Schmierenkomödie.
Review von Mathias Möller"Unofficial Biography" steht eigentlich unübersehbar auf dem Cover der DVD "Never Mind The Sex Pistols - An Alternative History". Während die Jubiläumsfeiern zum 30-Jährigen von Onkel Punkrock andauern, versucht auch Warner am Geschäft mit der größten Band, die das Genre je hervor gebracht hat, zu verdienen. Und wirft diese wirklich langweilige Dokumentation auf den Markt.
Der große Rock'n'Roll-Schwindel kommt dabei recht offiziös daher: Im "originalen" gelb-pink der "Never Mind The Bollocks" sowie einer ebenso klischeehaften wie unvermeidlichen Sicherheitsnadel. Das Cover lockt mit den namhaften Interviewpartnern Malcom McLaren (dem berüchtigten Manager), Glen Matlock (dem Bassisten, der für Sid Vicious aus der Band flog) und Steve Diggle (von den Buzzcocks). Wer hinten das Kleingedruckte liest, stellt fest, dass die Bio weder autorisiert ist noch Musik der Sex Pistols enthält.
Genau genommen findet sich auf "Never Mind The Sex Pistols" so gut wie überhaupt keine Musik. Natürlich kommen zahlreiche Wegbegleiter zu Wort, Leute aus dem Umfeld des Sex-Shops, Freunde und Mitarbeiter der Band sowie Biografen, doch die Interviewschnipsel sind lieblos aneinander gereiht.
Diggle und Matlock liefern dabei noch die interessanteren Beiträge, die Dokumentaristen Alan Parker und Mick O'Shea gehen auch gerade noch so durch. Der Rest belässt es bei Allgemeinplätzen, und McLaren nervt mit seiner unglaublichen Affektiertheit, bevor er überhaupt den Mund aufmacht.
Ein weiteres Problem neben der absoluten Farblosigkeit des gut anderthalbstündigen Films: Fast alles, was erzählt wird, kann anderswo nachgelesen oder nachgesehen werden oder ist hinlänglich bekannt. Somit sinkt der Mehrwert der DVD gegen Null.
Jetzt könnte man argumentieren, dass das total Punkrock von Warner ist, obwohl sie nie etwas mit den Pistols zu tun hatten, einen solchen Streifen hinzurotzen. Wenn aber ein weltweit agierender Unterhaltungsgroßkonzern versucht, auf diese Art am alternativen Kulturbetrieb, den die Sex Pistols doch irgendwie darstellten, zu verdienen, ist das nur begrenzt Punkrock.
Der Gipfel sind übrigens die mit Hilfe der Sex Pistols Experience (wohl einer Art Coverband) nachgestellten Szenen aus dem Bandleben. Nicht, weil sie so hanebüchen sind (und das sind sie), die vier fake Pistols plus Nancy-Double kommen sogar halbwegs authentisch rüber, sondern weil sie zu keinem Zeitpunkt als Fake in den Film eingeführt werden. So bekommt die Doku letztendlich den Beigeschmack einer mäßig lustigen Schmierenkomödie.
Und wenn der falsche Johnny Rotten am Ende in einer szenischen Einstellung gar den berühmten Satz vom Ende der US-Tour "Ever get the feeling you've been cheated?" bringt, möchte man laut "Yes, you fooking wanker!" brüllen. Da kann man sein Geld besser in eines der mittlerweile zahlreichen guten Bücher zum Thema investieren, Jon Savages "England's Dreaming" ist beispielsweise trotz seiner irren Detailliertheit wesentlich unterhaltsamer.
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