laut.de-Kritik
Gute Songs und ein lang(weilig)es Spoken Word-Hörbuch.
Review von Philipp KauseRecht kurz nach "Where The Action Is" legt Songwriter Mike Scott den Nachfolger "Good Luck, Seeker" vor. Lautete einer der Leserkommentare zum Waterboys-Album 2019, es klinge wie Bon Jovi, treffen dieses Mal Elektronik-Spielereien, Northern Soul und Blasinstrumente, gesprochenes Wort und Gedichtrezitation und punktuell (z.B. in "Sticky Fingers") Orgeltöne aufeinander. Dass Bon Jovi in diesem Segment tätig waren, ist nicht überliefert - gerade im Gegenteil zum Stadionrock setzt Scott mit seinen Waterboys seit jeher auf Feinsinniges, Art-Pop, verspielte und angejazzte Songs.
Worauf mit "Soul Singer" bereits der Opener verweist, dies bestätigt "You've Got To Kiss A Frog Or Two" dank einer seltsamen Verbindung aus Electro-Soul auf einem beschwingten Pop-Beat mit angedeutetem Art-Rock-Gebratzel. Dem von The Waterboys aus den 80ern vertrauten Folk keltisch-walisischer und irischer Prägung folgt das dramatische "Low Down In The Broom". Auch hier setzt Scott Elektronik-Samples ein, dieses Mal von Geräuschen - es könnten kreischende Kinder in einem Schwimmbad, Möwen oder was auch immer sein. Die Akustikgitarre schneidet entschlossene Töne wie ein Hi-Hat, und auch ein bisschen Fiddle-Sound findet Platz.
Wie schon auf dem Vorgänger mit einer Huldigung an Mick Jones von The Clash ("London Mick"), befasst sich Scott mit Biographischem, singt z.B. über "Dennis Hopper". Dieser Brit-Pop-Stomper fällt durch genial eingesetzten Bass auf, wie das mehrmals hier der Fall ist, z.B. in "The Golden Work" und dem funkigen Ohrwurm "Freak Street".
Ein weiterer Anspieltipp und überraschender Erkenntnisgewinn für alle, die Parallelen zwischen Bon Jovi und The Waterboys wittern, ist "My Wanderings In The Weary Land", wo Scott sich zum Lärm der E-Gitarren, Verstärker, Synthesizer und gnadenloser Bass Drums für flüsternden, gerufenen und gesprochenen Textvortrag entscheidet, um am Ende des Titels in einem ekstatischen Folk-Prog-Instrumental zu landen.
Der Titel "My Wanderings In The Weary Land" spielt dabei auf den Song "My Love Is My Rock In The Weary Land" von 2000 an, womit ein abgegrastes, ausgezehrtes Land gemeint ist. Nachfolgende Songs auf "Good Luck, Seeker" wirken musikalisch auch wie auf einer Art Wüstenwanderung entstanden, dürr, mit Programming Beats und Spoken Word karg gestaltet, etwas halluzinativ-surreal und wie mit den Augen auf eine Fata Morgana gerichtet.
"Postcard From The Celtic Dreamtime", "Good Luck Seeker", "Beauty In Repetition", "Everchanging" und "The Land Of Sunset" laufen trotz Mike Scotts angenehmer Stimme deutlich zu beiläufig und elektronifiziert nebenher und zeigen Melodie- und Instrumenten-Fans den blanken Hintern. Es liegt dann eben keine Schönheit in der Wiederholung, auch wenn "Beauty In Repetition" als Titel dasteht. Obwohl man sich in einem Hörspiel zu wähnen scheint, gilt aber wie immer: Der Name The Waterboys steht für die permanente Neuerfindung. Es ist gut, wenn ein Musiker sich jedes Mal ein weißes Blatt Papier nimmt und keine Scheu davor zeigt, wieder bei Null anzufangen, wieder einen anderen Stil zu entwerfen und sich von Schemata freizumachen.
Dieses Avantgardistische macht auch "Good Luck, Seeker" zu einer kreativen Platte, die nur leider selten Melodien in die Ohren zaubert. Dafür regt sie dazu an, englischsprachige Hörbücher heranzuziehen, um Sprachkenntnisse aufzufrischen, macht besonders mit "The Land Of Sunset" Lust auf einen Irland-Urlaub und bietet etliche Höranreize. Wobei das alles nicht ausreicht, um eine Band durch Maschinensound zu ersetzen. So ist "Good Luck, Seeker" ein passables, für The Waterboys-Verhältnisse unterdurchschnittliches Album, aus dem vor allem das druckvolle "Freak Street" mit Nähe zu Big Beat/Drum'n'Bass und das Stereo MCs-artige Fragment "Sticky Fingers" auf die Playlist gehören, nebst der 80er-Dexys-Folk-Punk-Poppigkeit von "Why Should I Love You" und dem meisterhaft komponierten und spannend eingespielten "Low Down In The Broom". Spielt man nur die Tracks der ersten Albumhälfte ab und begreift das Ganze erwartungsfrei als spielerisches 'Best of the Rest', entstanden aus Lockdown-Langeweile, dann ist diese erste Hälfte super. Besonders die warm chambrierende Stimme Scotts macht wieder Spaß.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Leider gibt's nur wenige interessante Songs, z. B. den ersten ("The Soul Singer") mit Brass Section. Ansonsten überwiegen unausgegorene Spielereien mit Autotune-Vocals oder Spoken Word-Texten über langweilig programmierten Beats.
https://rateyourmusic.com/release/album/th…