laut.de-Kritik

Die Münchner restaurieren alte Klangfarben erstklassig.

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Die raffinierte Kreuzung aus einem zarten Back-Beat-Intro und leisen Tönen von Elektro-Orgel und Mundharmonika lässt keineswegs darauf schließen, was das Album noch bereit hält. Nach der ersten Minute von "Leisure" ("Freizeit") der Whiskey Foundation setzt ein "Yea-ha-heah"-Initialschrei ein. Er stößt mit starker Wucht das Tor in eine Welt auf, die seit den Larkin Poe, Greta Van Fleet und der Allman Betts Band wieder zur angesagten Musik von heute mit dem Sound von gestern gehört: rustikaler, schwülstiger Blues mit Pathos und einem fetten Twang Southern Rock.

Dieser hier kommt aus München. Der deutsche Süden beweist durchaus reichhaltige Südstaaten-Kompetenz in allen Led Zeppelin- bis Louisiana-Swamp-verwandten bluesigen Schattierungen, ob mit Bite The Beagle, Spot Of No Reception oder T.G. Copperfield (alle Oberpfalz), Agathe Paglia (Bodensee), mit der Andreas Diehlmann Band (Kassel), The Strayin' Sparrows (Regensburg), mit Midnight Steamer, Compadre oder The Shadow Lizzards (jeweils Nürnberg) - und die Münchner waren am frühesten dran.

Hört man diese Bands, würde man deren Herkunft niemals vermuten, und bei The Whiskey Foundation finden sich auch keinerlei Querverweise aufs Jahr 2022. Das in sich versunkene, spielfreudig dargebotene Synkopen-Geklimper am Klavier von "Let's Roll On" muss genau wie der psychedelische Gesang irgendwas aus Alabama, Kansas oder Memphis aus den frühen '70ern sein, so drängt sich der Eindruck auf. Ein bisschen Boogie schlängelt sich dazwischen. Krautrock-Schwelgereien mit längeren Instrumentalteilen an der Hohner-Orgel treten immer wieder, zum Beispiel in "Information" hervor. Formal gesehen, nimmt sich die Musik viel Zeit, kommt mit wenig Text daher und tunkt ihn in üppige Arrangements und Spannungsbögen, die gerne ihre fünf Minuten-plus beanspruchen. 

Ein Markenzeichen der Whiskey Foundation ist der Sehnsuchts-triefende Gesang Murat Kaydirmas. Ein bisschen hat seine Anmut was von der klagenden, kehligen, schwermütigen Seite George Harrisons. Wenn die schweren Mississippi-Drums die Silben recht laut flankieren, wirkt es, als rette sich der Sänger vor dem Absaufen im instrumentalen Gewitter, das um ihn herum losbricht. Er kämpft darum, noch vernommen zu werden. Wer also beim Bandnamen schon mal an einen rauen, Whiskey-getränkten Hals denkt, liegt ganz falsch. Und der Dreiklang aus heller Stimme, hellen Piano-Tönen und hohen, Sinus-förmig pfeifenden Akkorden aus der Hammond-ähnlichen Orgel vermittelt ein sonniges Klangbild im Winter - fühlt sich wie Goldener Oktober oder Sonnenschein im Schnee an. Der Rock kommt dabei nicht zu kurz: Allen Darbietungen wohnen Stringenz und Vehemenz inne. Stellenweise fühlt man sich daher an Bad Company erinnert.

"Words For My Loneliness" gibt dabei genauso wenig Anlass für unbekümmerte Leichtigkeit wie das geseufzte "Time" übers Verrinnen der Zeit oder der Blick durch Kinderaugen auf eine Welt, in der noch viel zu lernen sein wird - inklusive dem klugen Satz "All those feelings I have / will be mine forever" (in "When Will I Be Old"). Mit diesen Tracks klettert der Balladen-Anteil am Ende der LP beträchtlich und stimmt besinnlich. "Jeder in dieser Welt sollte frei sein", fordert die Band in "Equality" und knüpft damit an die bewegten Bürgerrechts-Zeiten rund um Woodstock und an die emotionalen Wurzeln dieser nostalgischen Musik an.

Die Band hat sich nach knapp zehn Jahren umbesetzt und zwei neue Gitarristen anstelle eines Gründungsmitglieds integriert. Trotzdem erhalten hier die Songstrukturen und der Gesamtklang einen viel höheren Stellenwert als bei vergleichbaren Bluesrock-Acts (Freischlader & Co.), die in erster Linie das Lead-Instrument feiern. The Whiskey Foundation inszenieren einen facettenreichen Rundum-Sound. Der erfindet zwar die Musikwelt nicht neu, restauriert aber alte Klangfarben erstklassig. Auch wenn man im Bahnhofsviertel der bayerischen Landeshauptstadt aufnahm, vermittelt sich ganz viel vom Feeling aus Alabamas Muscle Shoals-Produktionen.

Trackliste

  1. 1. Leisure
  2. 2. No Turning Back
  3. 3. Let's Roll On
  4. 4. Equality
  5. 5. Waterfall
  6. 6. Intro
  7. 7. Information
  8. 8. Words For My Loneliness
  9. 9. Time
  10. 10. When Will I Be Old

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