laut.de-Kritik
Ungefilterter Blues-Punk-Garage-Rock der Extraklasse.
Review von Pascal Jürgens14.00 Uhr
Liebes Tagebuch, heute werde ich zu dem Konzert der White Stripes in München fahren. Nach dem ganzen Lob, das sie eingeheimst haben, bin ich mal gespannt.
21.00 Uhr
Ok, es geht los, auf zum Orange House. Denn was erwartet man von einer Garage-Band, einen Auftritt im Deutschen Theater oder in einem kleinen Club? Dort angekommen gleich die erste Überraschung: Umzug, einen Block weiter, an Tour- und Übertragungsbussen vorbei zum "H39". Da klopft schon die Garage-um-die-Ecke-Stimmung an die Tür: Quer durch den Matsch, in eine kleine Halle, in der die Bühne in der Ecke steht: Fans von zwei Seiten.
22.00 Uhr
Als dann endlich die Schützlinge der White Stripes The Von Bondies als Vorband anfangen, ist sofort die Atmosphäre da. Die dreieinhalb Leute legen los, dass selbst der Müdeste im Publikum sich ein Kopfnicken nicht verkneifen kann. Das ist vor allem der Verdienst des Drummers Don Blum, der heftig abgeht. Kein Wunder: Mit 29 Jahren ist er mit Abstand der älteste, und spielt zu Zeit in ganzen drei Bands. Eine gute halbe Stunde lang heizen die "Von Bondies" das Publikum mit ihrer Mischung aus Garage, Punk und dreckigem Rock and Roll das Publikum auf, dann gibt’s erst mal eine Umbau-Pause. Denn schließlich kann eine Band mit dem Namen "White Stripes" ja nicht auf normalen Instrumenten spielen. Rot-Weiß geringelte Bassdrums müssen es sein, rote Tamburins und rot-weiße Gitarren.
23.00 Uhr
Es steht alles bereit, sie kommen auf die Bühne, Jack und Meg White. Wie üblich in Weiß und Rot gekleidet legen sie sofort los, keine Ankündigung, keine Begrüßung. Statt dessen wird gleich losgerockt. Und verdammt: Sie verdienen Respekt. Wie auf dem aktuellen Album "White Blood Cells" halten sie sich streng ans Konzept: Zwei Leute, Drums, Vocals und Gitarre, sonst nichts (wenn man von ein, zwei E-Orgel-Sequenzen absieht).
Schon vom ersten Song an brilliert Jack White durch sein fulminantes Spiel, er wechselt die Gitarren, von einer pappbeklebten, verstärkten Akustikgitarre bis zur Gibson, und rennt während des gesamten Konzertes von Mikrofon zu Mikrofon, um sich mit Meg zu verständigen, die auf der linken Seite der Bühne sitzt. Wenn ich schreibe "brilliert", dann natürlich keineswegs durch fehlerfrei herunter gebetete Riffs in Vierundsechzigsteln, im Gegenteil. Er strotzt vor Authentizität, kleine Patzer hier und da unterstreichen nur das Image des dreckigen Garage-Punk-Blues-Rocks.
Etwas unspektakulärer gibt sich leider die zweite Hälfte des Duetts: Meg hält sich an diesem Abend etwas zurück, das klang auf der Platte besser. Deshalb schaffen sie es heute auch nur bedingt, das Publikum mit dem in den Bann zu ziehen, was normalerweise ihr Markenzeichen ist: Ungefilterte, ehrliche Musik, die direkt aus dem Kopf der beiden zu kommen scheint. Jack gibt sich zwar alle Mühe, die verzweifelten Passagen aus den Songs entsprechend klingen zu lassen, doch die recht kurze Spielzeit von nur 55 Minuten und das bei Konzerten wohl chronisch zu leise eingestellte Mikrofon sind ziemlich hinderlich.
Trotzdem: verglichen mit glatt gebügelten und bis zum letzten durchorganisierten Konzerten schlagen die White Stripes mit den Überraschungs - Helden Von Bondies alle um Längen. Wer die Chance hat, sie live zu sehen: Hingehen.