laut.de-Kritik
Erhaben über Moden und Märkte - auch zehn Jahre danach.
Review von Dani Fromm"Ich messe dieses Album nicht an irgendwelchen Standards wie z.B. Sound, Technik oder Trends. Ich hoffe, ihr tut es auch nicht. Diese Platte will nichts anderes als existieren, so wie ihr auch. Gebt ihr einen guten Platz in eurer Sammlung. Danke."
Torchs Worte begleiteten sein erstes Album bei seiner Veröffentlichung 2001. Sie begleiten unverändert eine ebenso unveränderte Neuauflage, die nicht etwa auf spektakuläres Bonusmaterial, bisher unveröffentlichte Tracks oder auch nur auf aufpolierten Sound setzt, sondern einzig und allein auf Gewicht und Gehalt der Worte.
"Ich banne Phasen meines Lebens auf einen Beat, lass' Musik dorthin gehen, wohin mein Geist mich zieht." Möglicherweise verlieh genau diese Haltung "Blauer Samt" den Zauber, den das Album ungebrochen verströmt. Torch fand und findet sich als unbestrittener Pionier und Botschafter einer Szene, die hierzulande vor ihm höchstens in Rudimenten existierte, in einer glücklichen Position: Wer, wenn nicht er, kann wahrhaftig einen feuchten Scheiß darauf geben, was Moden oder Märkte diktierten?
Man darf es also getrost glauben, wenn Torch verkündet: "Ich mach' das Ding nur für mich und meine Crew, für die Familie" - aber auch "für das Publikum". Daraus resultiert ein durch und durch authentisches Werk, an dem nichts, aber auch gar nichts effekthascherisch, möchtegerncool oder fremdbestimmt wirkt.
Nein, Torch zählte nie zu den versiertesten Rappern, so wenig, wie seine Advanced Chemistry-Mitstreiter Toni L oder Linguist. Das war auch schon so, als "Blauer Samt" erstmals erschien. An Technik-Maßstäben, wie man sie heute anlegen würde, scheitern diese Herren erst recht. Doch muss man denn immer und überall die Messlatte zücken?
"Blauer Samt" erzählt von einer Zeit, in der Hip Hop als Nischen-, nicht als Massenphänomen noch von einem ganz anderen Geist beseelt war. Als zum Rap selbstverständlich auch Graffiti und Breakdance gehörten. Als man seine Samples im Plattenladen, auf dem Flohmarkt oder in Muttis Plattenschrank noch mühsam zusammensuchen musste; der beste Break lag damals weiter als nur einen Mouseklick entfernt. Als man mit Auto oder Zug von Jam zu Jam gurkte, um immer wieder die gleiche Hand voll Eingeweihter zu treffen. Als man seinen Namen mit einem Stein in die Scheiben von Bushaltestellen gekratzt hat.
Wer nicht dabei gewesen ist, mag sich gähnend abwenden und die anderen als ewig Gestrige, als Nostalgiker schmähen. Das triffts nicht. Keineswegs wünsche ich mir die nur vermeintlich besseren alten Zeiten zurück. Hip Hop, auch deutscher Hip Hop, hat in der vergangenen Dekade immens zugelegt - technisch, inhaltlich, auch, was die Produktionen betrifft. Es gibt unfassbar viel unfassbar schlechten, aber auch viel, viel mehr spannenden, lustigen, berührenden Rap - schlicht und ergreifend, weil das Angebot ungleich größer geworden ist.
Das ist schon gut so. Trotzdem wars schön, damals. Deswegen kann und werde ich mir "Blauer Samt" - Torchs zuweilen terroristischem Takt zum Trotz - immer und immer wieder mit Vergnügen anhören. Immer wieder aufs Neue amüsiert mich die Hommage an Oldschool-Raplegenden von Biz Markie bis Lord Finesse in "Als Ich Zur Schule Ging".
Immer wieder möchte ich mit Eek A Mouse "Auf Der Flucht" sein, mit Gente Guasta die Welt in Flammen setzen, mit Ebony Prince, Esa und Tonl L "Rote Wellen" reiten. Immer wieder werde ich, "Zeig Mir Den Weg", zu den Sternen fliegen, bei "In Deinen Armen" kitschsentimental dahinschmelzen, nur um dann vor "Ich Hab Geschrieben", einer unglaublichen Liebeserklärung an die Ausdrucksform des Wortes, sprachlos auf die Knie zu sinken.
Ja, Jungs. Ihr wart mal Stars. Die Karriere mag vorbei sein - doch das wars noch lange nicht. In einer Welt, in der einst tatsächlich ein Deutschlehrer in meinen längst geschlossenen Plattenladen kam und "Blauer Samt" kaufte, einzig, um seine Schüler "Der Flammende Ring" analysieren zu lassen, habt Ihr Spuren hinterlassen. Unauslöschbare Spuren. Ihr habt Eure Namen in die Geschichte tätowiert - und wohl daran getan: "Blauer Samt" verdient wahrhaftig einen guten Platz. In jeder Sammlung.
101 Kommentare mit 10 Antworten
Wachsen in dem man nichts tut. Torch's Geheimrezept für dieses Album. ? Besser den je! Obwohl schon zu lang, zweiter Song hätte man für die Re-Edition rausnehmen sollen. Und K.I.Z.'s Version von "Wir waren mal Stars" find ich besser. Sonst alles gut.
re-release überflüssig wie ein kropf. hab das vieh noch im keller liegen und bevor ich das wieder höre, würde ich eher für buckelwale spenden
Weil Bushido natürlich der Rap-Gott ist...
ich mag buckelwale
Ach so, du wolltest mir mal in aller Deutlichkeit sagen, dass ich dem Anspruch, den ich ausdrücklich NICHT an mich stelle, auch nicht gerecht werde Deswegen das ganze Theater? Na wenn du sonst keine Probleme hast...
Ich habe keinen Plan, warum sich das so für dich liest, erklären kannst du es offensichtlich auch nicht. Also was willst du noch von mir? Sag es jetzt einmal oder schweig für immer...
Du darfst gern jede Meinung vertreten, die du willst. Aber hör auf, mich dabei persönlich anzukacken. Wie oft muss ich das eigentlich noch wiederholen, bis du das raffst?