laut.de-Kritik
Unter den glitzernden Lichtern der Discokugel.
Review von Sven KabelitzSechs Jahre liegt Tracey Thorns Weihnachtsalbum "Tinsel And Lights" bereits zurück. Für "Love And Its Opposite", den letzten Longplayer ohne Schlittengeläut, muss man sogar bis ins Jahr 2010 zurück gehen. 2018 hat es die ehemalige Everything But The Girl-Sängerin aber plötzlich eilig. Keine Zeit für Sperenzchen, es zählt nur noch das Wesentliche. Für Song- und Albumtitel muss jeweils ein einziges Wort ausreichen. "Queen", "Smoke", "Record" - zack, fertig. Nach neun Liedern und 36 Minuten ist das Comeback schon vorbei.
Als "neun feministische Knaller" bezeichnet die Sängerin ihre neuen Stücke. "Ich habe Lieder geschrieben, die Meilensteine in einem Frauenleben nachzeichnen. Verschiedene Alter, verschiedene Phasen, verschiedene Realitäten. Darüber wird in Popsongs nicht oft gesprochen."
Im Gegensatz zu ihren letzten Werken verpasst Thorne diesen gemeinsam mit dem britischen DJ und Produzenten Ewan Pearson einen deutlich elektronischeren Touch als auf ihren letzten Werken. Eine mal fröhliche, mal melancholische Mischung aus den Achtzigern und den Neunzigern. Da Tracey eh nur noch Musik macht, wenn sie Lust dazu hat, muss sich sich um so Firlefanz wie die Gegenwart nur noch nebenbei kümmern.
"Record" legt ohne Umschweife mit dem herrlich cheesigen Oktavbass des Ohrwurms "Queen" los. Den Commodore Amiga-Sound des Songs, dessen Text sich um den guten alten Schmetterlingseffekt dreht, unterstützen Stella Mozgawa und Jenny Lee Lindberg von Warpaint.
Nicht das einzige Lied, das mit Gästen auftrumpft. Wenn Thorne in "Air" noch mal ihre Außenseiterrolle in ihren Teenagerjahren durchlebt, steht ihr Shura zur Seite. "Too tall / All wrong / Deep voice / Headstrong."
Eben diese Stimme, die auf "Record" noch tiefer als sonst klingt, setzt sie in "Sister", dem achtmitütigen Herzstück ihres neuen Werks, an der Seite von Corinne Bailey Rae ein. "I fight like a girl" singt sie in ihrer "feministische Groove-Hymne" und ärgert sich darüber, dass ein solcher Track im Jahr 2018 noch nötig ist. "Oh, what year is it? / Still argument the same shit."
In melancholischen "Smoke" lässt sie einmal ihre Zusammenarbeit mit Massive Attack durchblitzen, während sie einen enttäuschten und kritischen Blick auf ihre Herzensstadt wirft. "London you're in my blood / And you've been there for so long / London you're in my blood / But I feel you're going wrong."
Mit "Danceflor" endet "Record" dort, wo es mit "Queen" begonnen hat: In den Achtzigern und unter den glitzernden Lichtern der Discokugel. Dort schwingt Tracey Thorne ihr Tanzbein und verbeugt in der Bridge vor David Bowies "Golden Years", Evelyn 'Champagne' King "Shame", Chics "Good Times" und Shannons "Let The Music Play". All dies gelingt ihr so authentisch, man wartet förmlich auf einen Shep Pettibone-Remix. Spätestens in diesem Moment kann man sich dem Refrain nur anschließen. "Where I like to be / Is on the dancefloor with some drinks inside of me."
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