laut.de-Kritik

Rock'n'Roll im Keta-Rausch.

Review von

"Endlich wird wieder mit den Fäusten gefickt!" Moralaposteln und BPjM-Mitarbeitern sollte diese Ankündigung als Warnung dienen, den fast schon beängstigend vielen Fans dagegen als Versprechen. Die Jungs aus der Wohnwagensiedlung strapazieren, nein, überschreiten auch auf "Crackstreet Boys 3" die Grenzen des guten Geschmacks mit Sieben-Meilen-Stiefeln. "Sexualethisch Desorientiert" präsentiert sich als perfekter Opener, und wer die "Stars zum da Unten anfassen" schon einmal live gesehen hat, sieht die ekstatische, grölende Menge quasi vor seinem inneren Auge.

Kompromisse um des Anstands willen? "Das würde ja völlig dem widersprechen, für was dieses Projekt steht", erzählt Labelboss Basti der Juice Anfang des Jahres. Die wohl abgefuckteste Boyband aller Zeiten geht den bisherigen Weg also konsequent weiter, und zelebriert ihr Image aufs Äußerste: "Wenn du einer dieser Menschen bist, für den die Gürtellinie eine Grenze ist, [...] sind wir die falsche Band für dich!" Kein Thema erscheint zu trivial, kein Klischee zu ausgelutscht für Alligatoah, Sudden, Timi und Basti.

Das Verrückte daran: es funktioniert. Diesem Phänomen musikalisch auf den Grund zu gehen, macht allerdings wenig Sinn. Mit Ausnahme von Alligatoah verfügt hier niemand über außerordentliches Rap-Talent, und auch die auf Pogo und Moshpit angelegten Beats, die größtenteils von Tai Jason stammen, spielen eher in einer Liga mit den 257ers als einem Kollegah oder Haftbefehl. Was die "Nummer Eins in der Clown-Rapper-Liga" ausmacht, ist das leidenschaftliche Wühlen in menschlichen Fäkalien, das schleimige Rotzen auf Anstand und Benehmen, bei dem man getrost alle Hüllen fallen lassen kann.

"Du passt mal kurz nicht richtig auf, und auf einmal bist du reich ..." Mit ihrem Erfolg haben sie wohl selbst nicht gerechnet, und trotzdem raten Trailerpark pflichtbewusst allen Fans: "Bleib In Der Schule". Die Alligatoah-Ohrwurm-Hook toppt nur dessen Gesangs-Spektakel von "Koks Auf Hawaii". Jibbet nüscht? Na, "das gibt ein' Daumen nach unten bei Holiday Check!" Bis auf Drogenmangel fürchtet der "Poo-Tang Clan" aber weder "Kot noch Teufel", während man sich vor lauter Kack-Metaphern und –Sprüchen kaum retten kann. Merke: "Reden ist silber, scheißen ist gold."

Nach exakt dem gleichen Schema funktioniert "Dicks Sucken", laut Trailerpark die ultimative Garantie für Weltfrieden: "Hätte man sich, statt damit zu schießen, mal die Flinten poliert ...". Dass sich hinter dem penetranten Ohrwurm eine Absage an die immer noch präsente Schwulenfeindlichkeit im Deutschrap verbirgt, sollte nicht unerwähnt bleiben. Weitaus stupider ging es "Damals In Der Schule" zu. Dort haben die Trailerpark-Buben nicht nur fleißig gequalmt, sondern auch Mädchen verdroschen. Diese Tatsache reicht offenbar aus, um einen Song zu schreiben, dessen Hook stark an Pimpulsivs "Minimal Klaus" erinnert.

"Meine Lunge pfeift das Lied vom Tod" – Kaum verwunderlich, denn die der Deluxe-Version beiliegende DVD und diverse Interviews lassen keine Zweifel an der Experimentierfreudigkeit mit diversen Substanzen. Da kann schon mal "Neongrüner Auswurf" aus etwaigen Körperöffnungen strömen. Mit Rap hat der Track allerdings nicht nur des punkig angehauchten Refrains wegen wenig am Hut, auch der E-Gitarren-lastige Beat bietet sich eher zum Pogen als zum Kopfnicken an.

Da kommt "Die Traubenstampferin" mit reduziertem Tempo gerade recht: Akustik-Gitarre und melodiöses Pfeifen prägen die Besingung der Traumfrau, die sich mit Pommesfett schminkt, in Jauche planscht und – ganz wichtig – leidenschaftlich Trauben stampft. Wie der Vorgänger kommt aber auch "Crackstreet Boys 3" nicht vollkommen ohne Lückenfüller aus. Trotz des vielversprechenden Titels erweist sich "Russisch Tourette" wie auch "Raus Aus Meiner Kneipe" als ebensolcher. "Forgot About Tai" wiederum treibt Autotune und ekelhafte Effekte gekonnt und schmerzhaft auf die Spitze.

Die Ehre des letzten Tracks gebührt Vortex. Wer den "Mensch Ohne Grund" kennt, dürfte sich davon durchaus positiv überrascht zeigen, denn er trägt "die Glühbirne mit Fassung", weiß, dass man auch im Osten Westen trägt und stellt überzeugend fest: "Essen ist die wichtigste Mahlzeit des Tages." In Sachen Trash steht er Pokémon-Fan Sudden und dem Rest der Gang jedenfalls in Nichts nach. Und genau darum geht es bei Trailerpark: Wem dumm noch zu schlau ist, dem sei "Crackstreet Boys 3" jedenfalls wärmstens ans Herz gelegt.

Trackliste

  1. 1. Sexualethisch Desorientiert
  2. 2. Bleib In Der Schule
  3. 3. Falsche Band
  4. 4. Koks Auf Hawaii
  5. 5. Russisch Tourette
  6. 6. Poo-Tang Clan
  7. 7. Dicks Sucken
  8. 8. Damals In Der Schule
  9. 9. Neongrüner Auswurf
  10. 10. Die Traubenstampferin
  11. 11. Raus Aus Meiner Kneipe
  12. 12. Forgot About Tai
  13. 13. Mensch Ohne Grund (Vortex Solo)

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15 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Die Review ist ja wohl gekauft. 4/5? Das Album ist grottenschlecht! Im Vergleich zu CB2 ist das einfach nur Mist. Sowohl musikalisch als auch inhaltlich. Mit "Bleib in der Schule" haben sie genau einen guten Track und das war's. 1/5, vielleicht wäre auch ein Punkt mehr drin gewesen, wäre ich nicht so maßlos enttäuscht.

  • Vor 9 Jahren

    Album hat nur wirklich 2 gute Hits... Alles andere ist echt mehr als unter Niveau, dazu kommen Lieder wie Traumpenstampferin, Forgot About Tai, Mensch Ohne Grund die sind sowas von schlecht... gabs da nicht wirklich 3 andere Lieder die hätten Platz auf dem Album finden können? Nichtmal B-Seiten-Niveau haben die...
    Crackstreet Boys 2 war definitiv stärker, melodisch, rhyme, lyrik etc.

  • Vor 9 Jahren

    Also da ich Crackstreet Boys 2 sehr gefeiert habe, habe ich nach dem Review hier ne Steigerung erwartet aber was hab ich bekommen? Ja ein Haufen widerlicher Scheisstracks. Trailerpark sind wie Fortsetzungen von Filmgenres hauptsache mehr von allem in dem Fall mehr tabubrechende Tracks, mehr Exzesse, mehr widerliche Sachen und die Ironie, die das Album davor noch hatte kommt nur noch selten vor. Der Erfolg scheint denen auf jeden Fall zu Kopf gestiegen zu sein wenn sie sowas hinrotzen und Album nennen. Ganz klar für mich das schlechteste Album der letzten Jahre 1/5.