laut.de-Kritik
Bankrotterklärung im Schatten von Chino Moreno.
Review von Mirco Leier"Was zur Hölle ist dieses Cover?" wunderte sich Kollege Gölz in seiner Review zu Trippie Redds letztem Langspieler, dem Mutteralbum von "Neon Shark vs. Pegasus". Auch wenn sich die gleiche Frage nun angesichts der kokaingeschwängerten Geschmacksverirrung erneut aufdrängt, stellt sich mir vor allem eine andere Frage: Was um alles in der Welt ist mit Travis Barker passiert?
Mal ganz davon abgesehen, dass der Blink 182-Drummer seinen Zenit schon längst überschritten hat und stattdessen seit geraumer Zeit verzweifelt versucht, sich ein Stück vom Soundcloud-Rapper Hype abzuschneiden, hätte das 80-minütige Dumpster Fire, das Trippie Redd letztes Jahr auf die Welt losließ, doch eigentlich Warnung genug sein sollen, um nicht noch den nächsten Edgelord für eine Rock-Kollaboration ins Boot zu holen.
Aber Rapper wollen heutzutage eben beweisen, dass Misogynie und komatöses Drogen-Gebrabbel besser klingen, wenn man sie mit Second-Hand-Gitarrenriffs unterlegt. Man will ja zeigen, dass der eigene musikalische Horizont weiter reicht als nur bis zum Rucksack oder zum Double-Cup.
So auch Trippie Redd. Der hört gerne Deftones, Marilyn Manson oder Korn. Schön für ihn, um aber zu verstehen, wie viel eigene Kreativität er bei der Rezeption dieser Genres mitbringt, genügt ein Blick auf sein Logo, für das Def Leppard nicht nur Pate standen, nein, er hat es einfach 1:1 kopiert. (Ist das legal?).
Gleiches gilt für den Inhalt von "Neon Shark vs. Pegasus", der Deluxe-Version seines letzten Albums, die wie auch schon bei Lil Uzi Vert oder Nav ein komplett eigenständiges Projekt darstellt. Wieso man das dann nicht als eben solches veröffentlicht? Weil die Vision eines Trippie Redd sich auf eben nicht weniger als 40 (ich wünschte es wäre ein Witz) Tracks beschränken lässt. Dass man damit vielleicht ein, zwei Streams mehr abgreifen kann, wenn jemand vergisst rechtzeitig den Pause-Button zu drücken, ist sicherlich nur Nebensache.
Rechtzeitig wäre in diesem Fall nach genau zehn Sekunden. Schon der erste Track "Pill Breaker" steht synonym für einen Sound, der so flach, so harmlos und so plastisch klingt, dass man mittlerweile meinen könnte, der Streaming-Algorithmus selbst wäre dafür verantwortlich. Dass dann mit Machine Gun Kelly und Blackbear auch noch die komplette erste Garde der missverstanden Weißbrote als Gäste gelistet ist, verdeutlicht, wo Trippie sich selbst in diesem Rap-Rock Mikrokosmos verortet. Nämlich nicht als geplagter Außenseiter oder musikalischer Outlaw der etwas zu sagen hat, sondern nur als harmloses Abziehbildchen eines Bilderbuch-Rockstars.
Und Travis Barker? Der trommelt irgendwo im Hintergrund geistesabwesend vor sich hin. Es ist schwer zu glauben, dass das der gleiche Mann ist, der mit Blink vor über 20 Jahren den Pop Punk nahezu perfektionierte. Sein gesamter Beitrag zur Instrumentation übersteigt nie das Level eines überambitionierten Show-Drummers, der seine Drumsticks vielleicht auf der Arschbacke balancieren kann, aber musikalisch nicht mehr drauf hat als der Schlagzeuger meiner Abiband.
Das gilt übrigens nicht nur für die hohlen Drums. Auch die Gitarren tönen fast ohne Ausnahme, als hätte man alte Riffs von Puddle Of Mudd oder Nickelback ausgegraben und isoliert. Dabei braucht es bei einem Album wie diesem nicht mal komplexes Gezupfe. Eine gute Hook und eingängige Riffs würden schon fast im Alleingang den Karren aus dem Dreck ziehen.
Aber mit Ausnahme von "Save Yourself" und "Red Sky" klingen die Hooks auf "Pegasus vs. Neon Shark" entweder fast unverständlich, oder sie torpedieren das Trommelfell mit schiefen Geschrei und einem Gesang, der wohl so klingen soll, als würde Trippie gerade durch die Hölle auf Erden gehen, aber eher tönt, als stünde er kurz vor einem Schlaganfall.
Womit wir auch beim größten Problem dieses Albums wären: Trippie selbst. Die flachen Instrumentals, die absolut nichtssagenden Lyrics, all das wäre verkraftbar, wenn der Hauptdarsteller genug Charisma oder Talent mitbringen würde, um mich nicht nach kürzester Zeit das Nervenkostüm aufs Äußerste zu strapazieren.
Sein Gecroone mag über melancholischen Trap Instrumentals hin und wieder funktionieren, aber in dieser Länge, gepaart mit absolut nichts, das das Klangbild ein wenig auflockert, und der unmöglich übertriebenen Art, wie er das Autotune an seine Grenzen bringt, gibt es wenig, was dieses Album auf der Habenseite hat, geschweige denn erträglich macht.
Einer dieser Lichtblicke ist Chino Moreno, mit dem sich Trippie auf "Geronimo" das Mikrofon teilt. Nicht nur steht ihm die (etwas billige) Deftones-artige Instrumentation ziemlich gut, auch Trippie, obwohl er stimmlich kein Land sieht, fügt sich insgesamt relativ erträglich ins Klangbild ein, was den Song zum wahrscheinlich größten Standout macht. Wenn er dann aber später auf "Leaders" Deftones "Back To School" interpoliert - dass er gerade den schlechtesten White Pony-Song wählt, überrascht nicht - vermisst man Moreno umso mehr.
Abschließend schießt "Dead Desserts" vollständig den Vogel ab. Wo die Tracks zuvor Barker etwas mehr Raum gaben, ein bisschen frei zu drehen, was sie zumindest instrumental halbwegs interessant macht, verliert Trippie auf dem Closer vollständig den Verstand. Zusammen mit Zillakami, der seine Sache ungewohnt schlecht macht, und Scarlxrd, der seine Sache gewohnt unerträglich macht, versucht er sich an einem Trap Metal-Banger, der klingt als hätte man ein verschwitztes Hot Topic-Shirt in Ton gegossen.
Müsste man diese künstlerische Bankrotterklärung mit einer Zeile auf den Punkt bringen, so sind es die eröffnen Worte auf "Save Yourself", die Genius folgendermaßen transkripiert: "(Burp) Fuck. Yeah (Haha)".
5 Kommentare mit 3 Antworten
Von Travis Barker habe ich im Hiphop-Kontext höchstens Dope Boys mit The Game in Erinnerung, seine Drums braucht echt keiner.
Trippie Redd = 0815 Mumble-Mitläufer
Whut?! Dann aber bitte mal asap die Psycho White EP mit Yelawolf checken!
Was zum Fick habe ich mir da gerade angehört?
Mich hat der Teil mit dem "komatösen Drogengebrabbel" neugierig gemacht. Fur "Misogynie" interessiert sich hingegen Gleep sehr. Und auch sonst ein Text für die Benutzer. Vielen Dank!
Ich warte mal Craze' Fachurteil ab.
Trippie Redd persern ist ja so bissl mein Guilty Pleasure, aber das ist wirklich mal SO RICHTIG SCHEISSE
Vereint das beste aus totproduziertem Kommerz-Pop-Punk-Dosenrock mit den nicht vorhandenen Vocal-Skills von Trippie Redd zu einer sterilen Grütze voller Auto-Tune und Snaredrums, die so lebendig klingen wie die modrige Leiche von Margaret Thatcher. Grausig. Ein musikalischer Verkehrsunfall.