laut.de-Kritik
Rap 2011 ist finster as fuck, gemein und brutal.
Review von Alexander AustelTyler, The Creator. Kein anderer Name sorgte in den letzten Wochen für mehr Wirbel in Musikkreisen. Die Diskussionen sind endlos, Meinungen gehen auseinander und es wird gezankt wie bei der Frage, ob erst das Huhn oder das Ei da war. Eines steht aber fest: Der Hype um den Teenager aus L.A. und dessen Crew Odd Future Wolf Gang Kill Them All ist riesengroß und stößt vor allem bei Jugendlichen auf große Begeisterung. Warum? Wahrscheinlich weil sie verstörend, provokativ und rebellisch sind - auf ihre Art!
Los geht es mit einem Dialog zwischen einem Therapeut und dem Patienten Tyler. Das Material ist zäh, mehr Intro als Song, und schleppt sich dunkel und langsam fast sieben Minuten dahin. "I'm not a fucking rapist, or a serial killer, I lied / I tried too hard, huh?!" stellt der Jungspund richtig. Die tiefe und dunkle Stimme überzeugt auch in "Yonkers", das mit einem nervig-düsteren Synthie-Beat unterlegt ist. Im Video zum Song verspeist der Hawaii-Hemd mit hochgezogenen Tennis-Socken kombinierende Schulabbrecher eine Kakerlake und erbricht anschließend. Nun, jedem das Seine.
Textlich faselt er vordergründig, was ihn alles ankotzt und größtenteils unzusammenhängenden Stumpfsinn: "Fuck everything man, that's what my conscience said / Then it bunny hopped off my shoulder, now my conscience dead". Doch sehet, ein Lichtblick: "I just want to know if my father would ever like me / But I don't give a fuck so he's probably just like me: a motherfucking Goblin".
Dieser Sound und die Art des Rappens ist neuartig, hebt den Sprechgesang aber nicht auf eine neue Ebene. Im Gegenteil, Flow, Beats und der Rap an sich sind eher mittelmäßig, die Songs kaum eingängig. In Erinnerung bleiben lediglich die mit Flüchen unterlegten fucking kranken Onanie-, Selbstmord- und Mordphantasien eines Pubertierenden, die wahrscheinlich der gesamten amerikanischen Jugend aus dem Herzen sprechen.
Manchmal beschleicht einen das Gefühl, dieser kleine Giftzwerg sei irgendwie im falschen Genre gelandet. Provokativ und aufstoßend wie er ist, wäre er im Punk sicherlich besser aufgehoben: "Kill people, burn shit, fuck school! schreit die Hook von "Radicals".
Kritiker werden schwer schlucken müssen, wenn der Kalifornier sie im Vorbeigehen in der Pfeife raucht: "Rebel and defiance makes my motherfucking cock hard / Fuck pigs, fuck God, God's a fucking retard". Das überlange Outro hätte allerdings nicht sein müssen.
Eigentlich ist erst "She", der vierte Track, ein richtiger Song mit Versen, Bridge und Hook, letztere von Frank Ocean gesungen, dem Nate Dogg von Odd Future. Das wirkt fast schon erleichternd nach den sperrigen, ersten Nummern. Mit "Transylvania" leert der Goblin Öl ins Feuer: "It's because, I'm Dracula bitch / Don't got a problem smacking a bitch / Kidnapping, attacking, with axes and shit / 'til she decides to take Dracula's dick". Sind das wirklich nur die schrägen Gedanken eines Bekloppten mit mittelschwerem Dachschaden, der vor kurzem seine Schamhaare entdeckt hat oder eher ein Fall für den Psychiater?
In "Nightmare" erklärt er wütend und mit einer Unmenge an 'Fucks', dass die Wolf Gang seine Familie ersetzt. Ziemlich persönliches Ding. Im letzten Track "Golden" beleuchtet Tyler wieder im Dialog mit seinem Therapeuten, wie alles begann und die Probleme vom Anfang.
Die Qualität des Creators kommt immer dann zum Tragen, wenn es um Vater oder Familie geht, wenn es persönlich wird. In diesem Punkt könnte der Hobby-Skater ruhig noch eine Schippe draufpacken. Ansonsten ist Rap 2011 finster as fuck, gemein und brutal. "And we don't fucking make horrorcore, you fucking idiots! / Listen deeper than the music before you put it in a box"!
So gerät der Albumtitel noch passender als der des Vorgängers "Bastard": Ein Goblin ist ein groteskes und teuflisches Fabelwesen, dass sich darauf spezialisiert hat, den Menschen in seiner Umgebung auf den Sack zu gehen. Und genau das tut Tyler, The Creator.
20 Kommentare
sehr anstregendes album aber mir gefällts sehr gut. Yonkers, Tron Cat, Sandwitches und Golden laufen bei mir rauf und runter. Cover, Booklet etc sind auch sehr cool gemacht. Rap hat sowas wie ihn bitter nötig!
"Fuck everything man, that's what my conscience said / Then it bunny hopped off my shoulder, now my conscience dead" ... ist also unzusammenhängender Schwachsinn? Tyler wäre besser im "Punk" aufgehoben? Da hat - egal wie prätentiös es sich anhört - jemand weder die Texte, noch den Hype wirklich verstanden. Erbärmliches Review, unabhängig davon, dass es die Musik an sich nicht abfeiert, denn die wurde eigentlich recht treffend analysiert. Aber, wie so oft, ist das eben bei weitem nicht alles.
bitter nötig, absolut.
was die platte aber kein stück weniger stressig macht. mir gefällts, obwohl es mir zugleich tierisch auf die nerven geht.
Baudelaires Vergleich zu Lynch Hung ist gar nicht mal unpassend. Erreicht zwar nicht die selbe Klasse aber wie gesacht, es passt halt doch schon.
Wow, das klingt für mich als DÄLEK-Liebhaber schon ziemlich gut! Schlägt auch in eine ähnliche Kerbe, wenn auch nicht ganz, was natürlich nicht sein muss.
Ich kann mich meiner ersten Eindrücke nicht erwehren: Das ist schön FETT, und wie!
Es stimmt - der HipHop/Rap von Heute hat so etwas mehr als nötig!
Eigentlich schlaegt das in keine aehnliche Kerbe, weder textlich noch musikalisch.