laut.de-Kritik
16 alte Singles und zwei neue Songs.
Review von Michael SchuhIm Hause U2 standen jüngst ähnliche Probleme an wie gerade bei Depeche Mode: Bald ist Weihnachten, doch zwei Hit-Compilations sind leider bereits veröffentlicht. Also muss man ein bisschen improvisieren. So rief das DM-Label den jüngsten Sampler schlaumeierisch als erste reine Best Of aus, U2s Firma kommt uns nun mit der ähnlich sinnvollen Begründung, die Iren hätten noch keine reine Singles-Platte draußen.
So weit, so korrekt. Trotzdem wünscht man sich manchmal nichts sehnlicher als einen ehrlichen (also einzeiligen) Pressetext zu einer nur kommerziell notwendigen Best Of, und zwar gerne in der ungeschönten Wortwahl eines Noel Gallagher, der auf die Frage des Spiegels, warum seine Hit-Compilation fast nur aus alten Songs bestehe, lakonisch ätzte: "Weil wir früher besser waren. Das weiß doch jeder. Warum um den heißen Brei herumreden? Ich habe begriffen, dass ich kein 'Live Forever' mehr schreiben werde."
Künstlerische Weitsicht, die auch Depeche Mode und U2 gut zu Gesicht stünde, wenngleich beide Bands auf ordentlichem Niveau stagnieren. Beiden ist auch die langjährige Zusammenarbeit mit dem holländischen Regisseur und Fotografen Anton Corbijn gemein, der bis auf das niedliche Jungrocker-Cover weitgehend alle Bilder im "18 Singles"-Booklet zu verantworten hat.
Schweden 1982, Paris 1984, Death Valley 1986, Berlin 1990, Marokko 1991, Nizza 2000 - allein an den Bildunterschriften ließe sich die Karriere der größten irischen Rockband in leuchtenden Lettern illustrieren. Doch die meisten Fans interessiert natürlich viel mehr der Abschnitt Dublin 2006, denn neben der Green Day-Kollaboration "The Saints Are Coming" (im Original von der schottischen Punkband The Skids) inklusive charity-kompatiblem "House Of The Rising Sun"-Textzitat ist mit "Window In The Skies" ein zweiter neuer U2-Song aus der Götterschmiede des Zottelproducers Rick Rubin enthalten.
Einen handfesten Grund zum Erwerb dieser Platte liefert leider auch er nicht. "Window In The Skies" ist einfach ein solider U2-Song, der wohl auch nicht mehr aussagen soll, als dass die Band weiterhin imstande ist, gemeinsam eingängige Musik zu komponieren. Bis zu einem neuen Album wünscht man sich da ein wenig mehr Inspiration.
Wer sich aber nicht daran stört, dass auf "18 Singles" keineswegs alle Singles der Band zum Zuge kommen (u.a. fehlen "Two Hearts Beat As One", "Angel Of Harlem", "The Fly" sowie alle Singles von "Zooropa" und "Pop"), wer keine Probleme mit nicht-chronologischen Reihenfolgen hat und wer außerdem noch auf eine homogen zusammen gestellte Tracklist pfeift, der ist mit vorliegendem Album bestens versorgt.
In die Musikgeschichte haben sich Bonos Jungs längst mehrfach eingeschrieben. Davon zeugen bis heute der elektrisierende Blues von "Desire" (1989), Bonos intensiver Vortrag in der einzig wahren Rockballade "One" (1992) und natürlich das für alle Ewigkeit vom Bürgerrechtssong zum Uniparty-Heuler herunter geschunkelte "Sunday Bloody Sunday" (1983). Zurück zu den Ursprüngen geht nur das parallel erscheinende Doppelalbum inklusive DVD: Darauf findet man neben acht weiteren Live-Tracks des Mailand-Konzerts 2005 auch das frühe Juwel "I Will Follow".
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