laut.de-Kritik
Früher war eben nicht alles besser. Nur harmloser.
Review von Stefan Mertlik"Wo Die Wilden Kerle Flowen" hat mit dem Autotune-Wahnsinn, dem Deutschlands Gold-Rapper verfallen sind, so wenig zu tun wie eine Baggy Pant mit Heavy Metal. VSK steht für Verbales Style Kollektiv und klingt auch so: Flashig, fett und was man während des ersten großen Deutschrap-Hypes sonst noch gesagt hat. Eine Reise zurück in eine Zeit, in der das Splash! Festival noch in Chemnitz und Falk Schacht bei VIVA Zwei war. Oder um es in den Worten von Steichholz MC zu sagen: "Jetzt pass mal auf Kleiner, leg mal kurz dein Smartphone weg / und ich erzähl dir mal wie das damals war mit Rap".
VSK besteht aus MC Schreibmaschine, Streichholz MC, Flowbotta, MC Bleistift, Doktor Podwich, DJ Ratzefummel, Masta Maik und Fanta Yokai – in Wirklichkeit allesamt Mitglieder von K.I.Z. und Nord Nord Muzik. Der Pressetext verrät, dass das Oktett die Werte propagieren möchte, für die ihre geliebte Kultur einmal stand: "Peace, Love, Unity & Havin Fun!" Der Ernst hinter diesem hehren Vorhaben kann bezweifelt werden. "Wo Die Wilden Kerle Flowen" klingt wie die Verballhornung einer längst begrabenen Szene.
Aufgrund der Machart geht das Album aber auch als liebevolle Hommage durch. Jeder Song steckt voller Details, die nur Besitzer von Mongo-Clikke-Pullovern in Gänze erfassen werden. Flows von früher werden eins zu eins reanimiert – inklusive Überbetonung und starrem Taktgefühl. Damalige Dauerbrennerthemen wie Kiffen ("Grüner Planet"), Repräsentieren ("Dein Traum wird wahr (Hahaha))" und Rap über Rap ("Unsere Kultur") finden sich auch hier wieder. Und wer braucht schon Anna, wenn er bei VSK "Tatiana" bekommt.
Die Grenze zwischen lustig und es tatsächlich gut finden, verschwimmt mit jedem Part. "Schreibmaschine, ich komm mit ausgefeilten Texten / bei denen du zweimal hinhören musst wie bei nem Backspin", machen zu viel Spaß, um sie zu kritisieren. Ruckzuck ist man drin in der Welt aus Wie-Vergleichen und simplen Reimketten, die man erst wieder verlassen will, wenn die nächstbeste Freestyle-Cypher gerockt wurde.
Auch wenn verbohrte Vertreter der Generation Ü30 früher alles besser fanden, Hip Hop hat sich in den letzten zwanzig Jahren weiterentwickelt. Heute kann und traut sich das Genre musikalisch und inhaltlich alles. Das hat sowohl positive als auch negative Begleiterscheinungen. VSK zeigen, wie schablonenhaft und einfach gestrickt der Sound damals war. Früher war eben nicht alles besser. Nur harmloser.
"Wo Die Wilden Kerle Flowen" lässt sich per Punktesystem nur schwer bewerten. Das Konzept stand häufig über der Umsetzung qualitativ hochwertiger Musik. So funktionieren Such-A-Surge-Momente wie "Die Fusion" als Reminiszenz hervorragend, aber nicht als ernst gemeinte Lieder. Einige unterhaltsame Hördurchgänge stecken dennoch in der Platte. Und wenn die geschafft sind, kommt der wirkliche Spaß: Die Lust, die alten Scheiben vom Dachboden zu holen.
15 Kommentare mit 19 Antworten
Irgendwie ist das die Platte, die ich von den Beginnern erwartet hatte.
dafür müsste eißfeldt halt weniger aufgeblasen und denyo wenigstens ein bisschen weniger wack sein und mad erkennbaren spaß an IRGENDWAS haben können. also, nein: die beginner hätten DAS nicht gekonnt.
du meintest sicher rainer
... an der sache mit dem sichtbaren spaß lassen die sich aber GANZ mühelos auseinanderhalten.
https://www.laut.de/News/EM-Tippspiel-Das-…
Wenn das schon das höchste des Mundwinkelgefühls ist, haben wir da aber noch Lust nach oben
ja, aber zeig mir DAS mal bei mad!
rainer IST DJ Mad, schon immer gewesen
https://www.abendblatt.de/hamburg-tipps/ta…
Da lächelt er...
weiß gar nicht, ob ich mir sorgen machen soll, weil du das für ein lächeln hältst - oder deswegen ein bisschen weinen?
Die Mundwinkel sind beide deutlich höher als die Mitte der Unterlippe, rein technisch gesehen ist das mindestens ein Lächeln, eher sogar schon ein Lachen oder ein Grinsen.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum DJ Mad auf 99% seiner Bilder nach 7 Tage Regenwetter aussieht - weil das immer noch besser ist als dieses Lachen.
https://www.rapblokk.com/wp-content/upload…
Aber hier lächelt er auch... glaub ich... ein bisschen dezenter.
Die Oldschool-Hip-Hop-Heads werden es ernst nehmen und dem "guten alten Deutschrap" hinterhertrauern.
Man hört den Jungs (oder sollte ich "Chungz" sagen) an, dass sie Spaß dabei hatten. Feier ich - sehr lustig. Ab ein richtiges Album ist es einfach nicht - es ist halt ein Spaß-Projekt. Aber wie gesagt, witzig isses ja schon.
Man könnte auch sagen, es ist ein Konzeptalbum
versteh den Sinn dahinter nicht. Mit dieser verklärten Verballhornung scheinbar vergangen ehrbarer Tage lenken K.I.Z und Co. doch nur von der eigenen Schaffenskrise ab und flüchten sich erneut in zwangsironische Maßnahmen
Weder ist dieses semi launige Karikieren alter Ideale Motivation für ernsthafte Hördurchgänge, noch macht es Lust auf nostalgische Spurensuche. Wenn schon diese Zeitspannen lässig belächelt werden, wieso soll mich dann die holzhammermößig augenzwinkernde Neuinterpretation überzeugen, denn ernstlich auf Albumlänge unterhalten können oder irgendetwas hängenbleiben
Millennial-Genrefremdling Jule konnte beim Wasabi/Schacht-Podcast so gar nix damit anfangen..."fühl ich nicht, total unswaggy" etc.
Und dann noch (bezogen auf das letzte VSK-Video) Falk fragen, ob Inlineskating so'n Hiphop-Ding ist - ich habe mich gleichzeitig alt gefühlt und fremdgeschämt
1/5 fuer diese Scheisse, sollte klar sein.
nices Teil