laut.de-Kritik
Kesha, QOTSA u.v.a. covern Dylan zugunsten von Amnesty.
Review von Giuliano BenassiEs sind zwei Institutionen, deren Wirken seit 50 Jahren parallel verläuft. Im Januar 1961 zog Bob Dylan nach New York, um die Welt kurz danach in vielerlei Hinsicht umzukrempeln, im Mai desselben Jahres veröffentlichte der britische Rechtsanwalt Peter Benenson einen Artikel mit dem Titel "The Forgotten Prisoners", aus dem die Aktion "Appeal for Amnesty, 1961" hervorging – die Geburtsstunde von Amnesty International.
Dass die Menschenrechtsorganisation einen starken Appeal unter Rockstars hat, zeigt sich an vielen gemeinsamen Projekten. Unter anderen spielten U2, Sting, Eric Clapton und Bruce Springsteen Benefizkonzerte für Amnesty, 2007 wurde John Lennon für eine Darfur-Kampagne posthum in die Pflicht genommen. "Chimes Of Freedom" stellt jedoch alles bis jetzt Gewesene in den Schatten.
Vier CDs, 80 Künstler, fast ebenso viele Songs – Jeffer Ayeroff, einst in den obersten Etagen von Warner und Virgin tätig, hat eine gewaltige Arbeit geleistet. Wenig Probleme hatte er mit dem Altmeister selbst, der ja bekanntlich nicht der einfachste ist – er gab kurzerhand die Rechte auf 400 Songs frei und verzichtete auf die Tantiemen, die nun an Amnesty fließen. Das gilt auch für die Rechte an den Aufnahmen der beteiligten Musiker, die die Sessions größtenteils selbst finanzierten.
So groß das musikalische Spektrum, so vielfältig die Interpretationen. Was selten bei Tribute-Alben gelingt, zieht sich hier wie ein roter Faden durch – die durchgängige Begeisterung für das Projekt.
Klar, nicht jeder Hörer wird von allen Versionen eingenommen sein, aber die Schnittmenge zwischen Alt-68er und Teenie-Göre ist erstaunlich groß. Das sonst suspekte, halb emanzipierte Disney-Produkt Miley Cyrus gibt die 75er Ballade "You're Gonna Make Me Lonesome When You Go" mit Akustikgitarren-Begleitung so inbrünstig wieder, dass Dolly Parton neidisch würde. Klingt "Ballad Of Hollis Brown" bei Dylan 1964 sachlich bis trostlos, geben ihm Rise Against mit ihren Verzerren eine wütende Note, die dem Stück durchaus steht.
Lenny Kravitz nahm das nach Jahrmarkt klingende "Rainy Day Women #12 & 35" auf den Bahamas mit einer Brass-Band auf, die nach seinen Angaben noch nie was von Dylan gehört hatte und dem Song dennoch gerecht wird. Sting gelingt mit seinem von einer Konzertgitarre begleitete "Girl From The North Country" sein bestes Stück seit "Shape Of My Heart" 1993.
Von den Interpreten der jüngeren Generation überzeugen neben Miley Cyrus auch K'Naan ("With God On Our Side"), We Are Augustines ("Mama, You Been On My Mind"), Zee Avi ("Tomorrow Is A Long Time"), My Morning Jacket (mit dem ergreifenden "You're A Big Girl Now") und überraschenderweise Kesha mit dem weitgehend ohne Instrumente auskommenden "Don't Think Twice It's All Right".
Unter den Alteingesessenen stechen Dylan-Experte Bryan Ferry ("Bob Dylan's Dream"), Mick Hucknall, der dem Altmeister stimmlich sehr nahe kommt und Pete Townshend mit seiner minimalistischen Interpretation von "Corrina, Corrina" hervor. "Ich möchte, dass der Song eine Person symbolisiert, die irgendwo alleine in eine Zelle gesperrt ist, das Opfer eines repressiven Regimes. Das könnte auch Guantanamo sein - es sind also nicht nur ausländische Regimes gemeint, sondern auch unsere eigenen", so der Mastermind von The Who.
Eine besondere Nennung verdienen die Avett Brothers, die unter der Leitung Rick Rubins kurzerhand Dylans Stimme aus dem 1969 mit Johnny Cash aufgenommenen "One Too Many Mornings" entfernt und ihre eigenen eingesetzt haben. Und Joan Baez, die mit Dylan eigentlich viele Hühnchen zu rupfen hätte, die sich für den guten Zweck aber nicht zweimal bitten lies und das obskure "Seven Curses" aus dem Hut zauberte.
Apropos Hut – den ziehen wir vor dem mittlerweile 92-jährigen Pete Seeger, der das Album mit "Forever Young" abschließt. Der Legende nach zog er Dylan bei seinem "elektrischen" Auftritt beim Newport Festival 1965 den Stecker und ist nun doch wieder dabei – passenderweise mit Kinderchor.
Ein Lob gebührt auch den Erstellern der Tracklist, die die Stücke sinnvoll aneinander gereiht haben. So kommt am Ende von CD 3 "Don't Think Twice, It's All Right" gleich zweimal in zwei völlig unterschiedlichen Fassungen vor, einmal von Kesha, einmal vom Kronos Quartet. Auf CD2 folgen auf Teenie-Star Cyrus Alt-Gewerkschaftler Billy Bragg und Tausendsassa Elvis Costello. Was für eine Kombination!
Der Altmeister selbst ist bei manchen Ausgaben auch noch mit von der Partie, mit dem titelgebenden Track aus dem Jahr 1964. Die Welt hat sich seitdem stark geändert, und das sicherlich nicht nur zum Besseren. Bei der Begeisterung und Hingabe, die diese Zusammenstellung versprüht, mag man die Hoffnung nicht aufgeben, dass das Gute doch noch eine gewisse Macht besitzt.
6 Kommentare
Miley Cyrus und die Queens of the stone age auf einer CD... und das Ding soll nen roten Faden haben? Ich bin Neugierig
@ Ente: Ich weis ja nicht... Allein wenn ich sowas lese: "Eine besondere Nennung verdienen die Avett Brothers, die unter der Leitung Rick Rubins kurzerhand Dylans Stimme aus dem 1969 mit Johnny Cash aufgenommenen "One Too Many Mornings" entfernt und ihre eigenen eingesetzt haben".
Warum zur Hölle verdienen die dafür ne besondere Nennung, hm Herr Benassi? Wenn er sowas für nennenswert hält, wirds mit dem roten Faden auch nicht weit her sein.
Das, mir liebste, Cover von "Don't Think Twice" immer immer noch das von Mike Ness.
Das, mir liebste, Cover von "Don't Think Twice" immer immer noch das von Mike Ness.
einziges Album wo Kesha 4 Punkte bekommt.
ich mag bob dylan nicht.
@ der dude
Das ist mir auch unbegreiflich, ich halte derartiges Vorgehen für ein Verbrechen höchster Güte!
Können die nicht ihre eigene Interpretation spielen??
Wie sagt man heute so schön:
epic fail