laut.de-Kritik

Die wütende Trantüte kehrt nicht mehr zurück.

Review von

Die dicke, wütende Trantüte, die Kollegin Sprenger beim letzten Vega-Album schmerzlich vermisst hat, wird wohl nicht mehr zurückkommen. Mit "V" setzt der Frankfurter den Weg fort, den er mit "Kaos" eingeschlagen hat. Das Ziel ist klar benannt: Mit dem offiziellen Majordebüt soll es nach oben gehen.

Das mittlerweile sechste Album des Frankfurters ertönt fein ausproduziert und bietet neben traditionellen Piano-Streicher-Loops fette, düstere Trap-inspirierte Bretter, die die Spannung über die komplette Spielzeit halten. Vegas markante Stimme fügt sich optimal in die surrenden Beats ein und erhält noch mal ein ordentliches Stück Tiefe.

Die Features wurden sorgfältig und durchaus stimmig ausgewählt - mit einer Ausnahme: Moses Pelham und "Deshalb Lieb Ich Dich". Die Bedeutung des Songs bleibt sowieso unklar, doch Pelham macht die Sache noch schlimmer: "Guck meine Gründe sind 1,2,3 / mit jedem Schlag einen". Was?!

Trotzdem macht es Spaß, Vega beim Rappen zuzuhören, denn man hört: Er hat Spaß. Vega findet die simplen, dafür aber umso aussagekräftigere Bilder, für die ihn seine Fans so schätzen. Im Kern steckt er da noch, der Freund von Niemand, und verteilt deftige Schellen, etwa in "Sag Den Pissern" gemeinsam mit Kumpel Face. Das höhere Tempo liegt Vega ziemlich gut und führt zu einer Hook, die nicht nur eingängig kommt, sondern auch ordentlich rasiert.

"Unser Lied" macht mit dem gut in Szene gesetzten KRS-One-Sample ebenfalls viel Freude. "Und ich schwör, ihr habt mein Herz gebrochen / ich dachte wirklich, dass die Autos euch gehör'n ihr Fotzen." Danke, das musste mal gesagt werden.

Etwas hat sich dennoch verändert. Etwas, dass sich auf "Kaos" bereits andeutete: Vega ist erwachsen geworden. Die Wut, es gibt sie noch, doch sie brüllt weniger laut. Vega macht sich Gedanken über den Platz, an dem er steht, die Wegmarken, die er hinter sich gelassen hat. Thematisch finden sich auf "V" vermehrt Songs, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen. Oder besser: mit dem Weg, den Vega bereits zurück gelegt hat.

Zwar beteuert er, wie in "Standby", "Ich bin immer noch der Kleine aus der Mittelstraße". Doch die Arrangements, die Worte, die Vortragsweise, sie alle sprechen eine andere, sanftere Sprache. Sehr deutlich wird das in "Delorean", das mit der halb gesungenen Hook schon fast poppige Züge hat.

Die Ode an seine Stadt, "Winter in Frankfurt", wirkt ebenfalls etwas zärtlicher als man es von Vega kennt. Diese neue Art der Einfühlsamkeit bringt aber auch Positives mit sich. Die Abschiedsballade "Für Vinko" schafft einen Gänsehaut-Moment. Und derselbe Kerl, der auf "Vincent" noch mit Lines wie "Wär' gern Teil eurer Community, doch ich red' nicht mit Frauen" unangenehm auffiel, rappt jetzt in "Ein Schluck": "Ein für alle DJs, Tänzer, Graffiti-Crews / ein für jede Frau, die das Mikro nimmt und zerfickt die Booth". Es bedarf verdammt viel Charakterstärke, sich so auch mit seinen eigenen Ansichten auseinander zu setzen. Hut ab.

Vega weiß, was er tut. Er weiß, wo er herkommt, und er weiß auch, wo er hingeht. Mit "V" öffnet er sich für die größere Masse, lässt ein Stück seiner Bissigkeit hinter sich. Leider büßt er dabei ebenjene Kanten ein, mit denen er sich in einige Rap-Herzen geboxt hat.

Nichtsdestotrotz bleibt sich Vega treu. Nicht einmal kommt die Frage auf, ob er wirklich hinter dem steht, was er da tut. In jeden Song steckt der Frankfurter ganz viel Herzblut. Und solange das der Fall ist, kann man ihm den Erfolg nur gönnen. Gleichgültig, ob man seine Mucke jetzt feiert oder nicht.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Ein Schluck
  3. 3. Winter In Frankfurt
  4. 4. Delorean
  5. 5. Lass' Sie Reden (Feat. Casper)
  6. 6. Für Vinko
  7. 7. Was Ihr Wollt
  8. 8. Sag Den Pissern (Feat. Face)
  9. 9. Standby
  10. 10. Deshalb Lieb' Ich Dich (Feat. Moses Pelham, Credibil)
  11. 11. Unser Lied
  12. 12. S6chsdr3i (Feat. Face)
  13. 13. Outro

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