laut.de-Kritik
Computer-Blues für den Herbst.
Review von Rinko HeidrichZwölf Jahre verbrachte Villagers-Sängers Conor O'Brien in der ruhigen Abgeschiedenheit des Küstenorts Malahide. Hier entstanden das von der Kritik umjubelte Debüt "How To Become A Jackal", der verspielte Nachfolger "Awayland" sowie das sehr reduzierte Folk-Album "Darling Arithmetic", das letzte dort aufgenommene Album, denn: "Ich wollte experimentieren, wieder lernen, etwas Groove-basierteres und Wärmeres machen. Etwas, zu dem man tanzen kann.".
Für dieses Vorhaben verließ O'Brien die Provinz und bezog eine Bude in der Dubliner Innenstadt, um dort das vierte Album "The Art Of Pretenting To Swim" aufzunehmen. Und jedem Neuanfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne: So kaufte er dem Elektro-Produzenten James Holden analoges Equipment ab und beschäftigte sich intensiv mit der Funktionsweise der neuen Studio-Gerätschaften, die ihn anfangs noch vor große Rätsel stellten. Liebgewonnene Gewohnheiten bleiben ja erst mal erhalten, gleichgültig, wohin die Reise geht.
Eine genaue Beobachtungsgaben ist Conor natürlich geblieben. In "Fool" heißt es "Like any modern dog /I choose what I can see /From any infomercial to the bodies on the street" - im Angesicht die Glitzerfassade in der Einkaufsstraße verliert auch der ewige Skeptikers das Wesentliche aus dem Fokus. In Video zu dem bittersüßen Track findet das Doppelleben zwischen Real Life und Internet-Lifestyle seine tragikomische Pointe.
Noch weiter geht "Love With At All It Brings", in dem Samples und Drumcomputer die Gitarre endgültig verdrängen. Die Maschine gibt den Takt vor, doch die weiche Stimme von Conor bleibt die Seele des Tracks - ein richtig guter Computer-Blues.
"Ada", das große Albumfinale, widmet sich der Wissenschaftlerin Ada Lovelace, die im 19. Jahrhundert eine Programmiersprache für einen Computer-Prototyp entwarf. Liebe und Hass sind in der Social Media-Welt zu Algorithmen geworden, und Conor O'Brien zeigt uns, wie man zu und mit diesen Codes tanzen kann. Eine längere und noch opulentere Version von "Ada" befindet sich auf der EP zu dem Album (mit John Grant und Lisa Hannigan als Gastvokalisten. In beiden Version transportiert der Song eine Verspultheit, die den progressiven Folk von Sufjan Stevens und den schwebenden Retro-Pop von Air ineinander verwebt.
Experimenteller, tanzbarer und wärmer - ein Villagers-Album bleibt am Ende trotz neuem und elektronischerem Ansatz ein Villagers-Album. Und ein herbstlich anmutendes Gesamtkuntswerk, dessen zahlreiche kleine Details sich nie aufdrängen.
1 Kommentar
Song-Poeme, die erst durch die elektronische Aufbereitung richtig funkeln – Sound-Überraschungen inklusive (https://www.peter-hamburger.de/blog/2018/0…)