laut.de-Kritik

Die kraftvolle Message weicht oftmals gepflegter Langeweile.

Review von

Jeder kennt sie mittlerweile: Die Panikmacher und Ewiggestrigen. Mit denen musste sich die irische Wahl-Berlinerin Wallis Bird die letzte Zeit im eigenen Bekanntenkreis rumschlagen. Da dürfte es nicht verwundern, dass Wut die zentrale Triebfeder hinter "Woman" war.

Bei "As The River Flows" handelt es sich nämlich "um eine Art Streitgespräch mit" einem "extrem rassistischen Typen" aus ihrer Schulzeit, so Wallis in einem Statement. Der "hat noch nie im Leben mit einem Schwarzen geredet und trotzdem dieses vernagelte Weltbild". Das lässt sich auch genauso gut auf viele demografisch schwache Regionen in Ostdeutschland übertragen, wo der Ausländeranteil nahezu gen Null tendiert, aber die AfD trotzdem weit über 20% der Stimmen erlangt. Und traurigerweise in naher Zukunft wahrscheinlich nicht nur dort.

Musikalisch baut das Stück zunächst einmal auf einem ruhigen barocken Arrangement auf, stößt aber kontinuierlich in souligere Gefilde vor, wobei Wallis' Gesang nahezu vor Erregung überschlägt und keine Zeit zum Luftholen findet, während das Schlagzeug geradeaus nach vorne poltert. Das erinnert durchaus an "Sinnerman" von Nina Simone. Wie bei der Jazz-Queen kommt es gegen Ende zur erlösenden Katharsis.

Nur schade, dass sich Bird, die fast sämtliche Instrumente im Alleingang einspielte, danach in "Grace" zu gemächlichen Gitarren-Akkorden und spirituellen Chören zu sehr in blumigen psychedlischen Sphären bewegt. Außerdem gerät die Botschaft des Albums letzten Endes zu naiv, um politisch wachzurütteln, nachzuhören in "Love Respect Peace". Mit Hippie-Slogans erreicht man schließlich keinem mehr, der über lange Zeit fremdenfeindliches Gedankengut eingeredet bekam und dieses nach und nach immer mehr verinnerlichte und festigte. Eher wäre Ursachenforschung angesagt, um rassistische Strukturen in der Gesellschaft rechtzeitig zu erkennen und dagegen zu wirken.

Trotzdem kann man nicht oft genug an Empathie, Zuversicht und die Kraft der Liebe plädieren. Für diese Werte steht Wallis auch vehement ein. "I am an angry pacifist", heißt es zu tanzbaren, schnellen Pub-Rock-Rhythmen in "That's What Life Is For". Ansonsten regiert größtenteils die Wärme des Souls. Der war "immer schon ein Ventil für Liebe und dem Wunsch nach Veränderung", erklärte sie im Gespräch. Donny Hathaway, Reverend Al Green oder Roberta Flack haben in schweren Zeiten Musik geschaffen, die im Herzen positiv war, die erzählte: 'Ja, vieles ist Mist, aber lasst uns das ändern!'". Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Zudem macht sich die Wahl-Berlinerin für den Feminismus stark. So stellt das schleppende, von geisterhaften Streichern durchzogene "Woman Oh Woman!" eine elegante Liebeserklärung an die weibliche Kraft dar. In "Salve!" gibt es dann kräftige, verspielte Funk-Akkorde in Anlehnung an Prince, wobei Birds Stimme stark an Annie Clark alias St. Vincent erinnert. Das sorgt jedenfalls für gute Laune, hat Groove und lässt die Beine nicht stillstehen.

Das lässt sich über einen Großteil der restlichen Stücke leider nicht sagen, herrscht in der Mitte doch durchgängig gepflegte Langeweile. "Brutal Honesty" fällt zwar mit sanfter Akustikgitarre und sphärischen Chören recht verträumt aus, hinterlässt aber melodisch keinen bleibenden Eindruck. "Time It Is Not Waiting" gleitet mit einsamen Piano-Tönen zu sehr ins Vage und Verschlossene ab, um hängen zu bleiben. "I Know What I'm Offering" schleppt sich mehr schwerfällig statt überzeugend nach vorne.

Danach setzt sich die Wut glücklicherweise wieder durch. "Repeal" erweist sich als krönender Abschluss. Der beginnt zwar zurückhaltend, schreitet jedoch ab Minute zwei mit marschierenden Schlagzeug-Klängen selbstbewusst voran. Die weichen dann einer langen Passage, bestehend aus Piano und Spoken Words, die unter anderem Geschlechteridentität thematisiert.

Anschließend nehmen die Drums wieder den Takt auf und Bird entlädt sich in einem entfesselten Schrei, während sich mit barocken Klängen der Kreis schließt. Es bleibt Gänsehaut zurück. Dieses Raue hätte letzten Endes auch dem gesamten Album gut getan. Durch das musikalisch oftmals zu schwunglose und unspektakuläre Klangbild kommt die kraftvolle Message nämlich nicht immer optimal zur Geltung.

Trackliste

  1. 1. As The River Flows
  2. 2. Grace
  3. 3. Life Is Long
  4. 4. Love Respect Peace
  5. 5. Woman Oh Woman!
  6. 6. Salve!
  7. 7. Brutal Honesty
  8. 8. Time It Is Not Waiting
  9. 9. I Know What I'm Offering
  10. 10. That's What Life Is For
  11. 11. Repeal

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