laut.de-Kritik

Tränen vor dem winterlichen Kaminfeuer.

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Wardruna-Auftritte sind selten, aber wenn die Norweger mit voller Produktion auf die Bühne steigen, dann meist mit mehreren meterhohen Hörnern, deren Dröhnen das Set angemessen bombastisch einläutet. Auf "Skald" ist von diesem Bombast kaum noch etwas übrig. Zwar bläst Einar Selvik zu Beginn ("Vardlokk") in ein Bukkehorn, doch sein Ton klingt einsam, etwas unbeständig, traurig. Dann singt Selvik a-capella. Im Gegensatz zu den regulären Studioalben des Nordic Folk-Projekts gibt es hier keine detailreich geflochtenen Arrangements, sondern nur seine Stimme und maximal ein begleitendes Instrument. Die besondere Atmosphäre Wardrunas bleibt intakt - nur ... anders.

Aufgenommen hat Selvik "Skald" als Ein-Mann-Konzert live im Solslottet Studio, Bergen. Im Vordergrund steht klar der sonore Textvortrag, und durch die Mikrofonierung Iver Sandøys wirkt es fast, als sänge Selvik unmittelbar vor einem im Raum. Man hört ihn atmen, manchmal raschelt es leicht, die Stimme bleibt aber immer klar und akzentuiert.

Welch beeindruckendes Volumen und wie viel Ausdruck sich der ehemalige Gorgoroth-Drummer in den vergangenen zehn Jahren als Sänger erarbeitet hat, zeigt das 15-minütige Rezitativ "Sonatorrek". Zumindest ich verstehe zwar keines der altnordischen Worte, trotzdem hört man gerne beim scheinbar endlosen Dichten zu. Auch, weil das Stück kurz vor Plattenende platziert ist und man längst im Bann des spartanischen Klangkosmos gefangen ist.

Als Highlights kristallisieren sich die schon mit anderen Arrangements bekannten Wardruna-Nummern "Voluspá", "Fehu" und "Helvegen" heraus - obwohl es sich bei den hier präsentierten 'Skaldic Versions' (Skalden sind quasi das skandinavische Gegenstück zu Minnesängern oder Barden) im Grunde um völlig neue Stücke handelt. Das rhythmische Element, das bei Wardruna sonst die musikalisch wahrscheinlich wichtigste Rolle spielt, fehlt hier komplett. Es stehen einzig die Melodien und der emotionale Gesang im Mittelpunkt. "Voluspá" rührt mit seinen langgezogenen Klagelauten über einem repetitiven Leier-Arpeggio zu Tränen. In "Fehu" hilft Sandøy als Background-Vokalist dabei, die Melodiebögen noch klarer herauszuschälen.

Nur selten nutzt Selvik auch die Instrumente als für sich allein stehendes Melodienwerkzeug, meist untermalt er damit nur den Gesang. Wie treffend, zeigt zum Beispiel "Vindavla", bei dem sowohl Vortrag als auch die Bogenstriche über die Tagelharpa immer energischer werden und sich gegenseitig zum dynamischen Höhepunkt aufschaukeln. Eine Ausnahme bildet "Ormagardskvedi", wo kurz der Raum bleibt, um in eine Lyra-Melodie zu versinken.

Wie die "Runaljod"-Trilogie fordert "Skald" die Aufmerksamkeit des Hörers, und wie dort liegt der Reiz der Musik weniger in den einzelnen Songs als vielmehr in der Gesamtatmosphäre. In rudimentärer Liedermacher-Form erreicht Selvik eine intime, sakral-hypnotische Stimmung.

Weltbewegend ist "Skald" deswegen zwar noch lange nicht, zumal es eben nur funktioniert, wenn man der Stimme Selviks und dem rohen Charme spartanischer Folk-Arrangements etwas abgewinnen kann. Aber seine Fans werden sich sich dem Kleinod sicher gerne vor dem winterlichen Kaminfeuer hingeben.

Trackliste

  1. 1. Vardlokk
  2. 2. Skald
  3. 3. Ein Sat Hon Uti
  4. 4. Voluspá (Skaldic Version)
  5. 5. Fehu (Skaldic Version)
  6. 6. Vindavla
  7. 7. Ormagardskvedi
  8. 8. Gravbakkjen
  9. 9. Sonatorrek
  10. 10. Helvegen (Skaldic Version)

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