laut.de-Kritik

Die Schlange beißt auch mit den Dritten noch kraftvoll zu.

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Whitesnake haben in den Achtzigern so ziemlich jeden Rock gelupft, bevor der Wind Of Change der Grunge-Bewegung sie ins musikalische Niemandsland gerissen hat. Trends vergehen, die Sehnsucht bleibt, also hält Sänger und einzig verbliebenes Original-Mitglied David Coverdale die Schlange auf Kurs. Nach der missglückten Hommage an seine ehemalige Band Deep Purple auf der Cover-Scheibe "The Purple Album" will es der 67-jährige noch mal wissen. Gleich der zweite Track "Gonna Be Alright" stammt aus einer Session mit Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page und geht mit seinen Call And Response-Strophen und coolen Harmonien als einer der Gewinner der Platte ins Ziel.

"Forever And Ever" spricht mit den Doppel-Lead-Gitarren, Coverdales gemäßigtem Timbre in Anlehnung an Phil Lynott sowie der Melodiegestaltung eine deutliche Thin Lizzy-Sprache. Gerade die Midtempo-Rocker wie "Will I Never" oder die bluesige Halbballade "Heart Of Stone" zeigen, wozu Whitesnake fähig sind, wenn sie sich nicht zu sehr auf die Erfolgsformel verlassen. Coverdale weiß um seine stimmliche Limitierung, verbleibt hier in mittleren Lagen und legt so Soul in seine Stimme. Weitestgehend verzichtet er auf kastriertes Kater-Krächszen à la Vince Neil.

Dafür lässt der Frontmann in den Texten nichts unversucht und produziert lyrische Ergüsse voller anzüglicher und horizontaler Anspielungen. Er scheint ein Patent auf Worte wie "Baby" oder "Rock" zu haben, der Marke "der Himmel ist blau, es lebe die Frau". Dabei gehört auch das nur zum Business, ist der stets blondgelockte Front-Pfau doch seit nurmehr 21 Jahren glücklich liiert. Hauptsache der Fan erhält die musikalische Vollbedienung zwischen Hardrock mit starker Blues-Attitüde und rockig aufgehübschten traditionellen Musik-Spielarten. Das Glamrock-Peinliche spielt sich in den Lyrics ab. Le Cock est mort? Noch lange nicht!

Musikalisch überzeugen die Herren in den meisten Fällen und beweisen somit, dass die Schlange auch mit ihren Dritten noch kräftig zupackt. Selbst junge Wilde wie The Temperance Movement oder Rival Sons orientieren sich mehr am Retro-Sound. Gerade die Produktion setzt auf Breitwand und Überwältigung. Dies geht zu Lasten der Dynamik, die anders als auf den Klassikern bis zum vorläufigen Break Up 1982 eindimensional gestaltet ist. Dafür zeigen Songs wie der Opener "Good To See You Again" oder die erste Single "Shut Up And Kiss Me" ordentlich Kante und verhindern so ein Abgleiten in klischeebehaftete Gefilde.

Während anderen Kollegen wie Tesla nurmehr wie ein Gerippe daher kommen, zeigen sich Coverdale und Co. auch im vierzigsten Jahr ihres Bestehens noch bumsfidel. Ähnlich der letzten Releases der Hardrock-Granden Uriah Heep ("Living The Dream") und Deep Purple ("inFinite") schöpft das Sextett aus ihrem riesen Fundus. Am eindringlichsten gelingt es Maestro Coverdale im akustischen Ohrenschmeichler "After All" sowie im monumentalem Abschluss "Sands Of Time", der mit Orientalik und Finesse ausgestattet durchaus auf Augenhöhe mit Zeppelin, Rainbow und Purple agiert.

Während Coverdale früher gerne mit einem Gitarristen am Songfundament arbeitete, gehen ihm nun mit Reb Reach und Joel Hoekstra zwei Saiten-Heroes beim Songwriting zur Hand. Erinnerungen an Bernie Marsden und Micky Moody ploppen im digital verseuchten Kurzzwitschergedächtnis auf. Fallen die Ideen mal etwas schwächer aus wie bei "Get Up" oder "Trouble Is My Middle Name", springen die Griffbrett-Akrobaten mit coolen Solospots ausufernd in die Bresche.

Dem Feuerwerk zu Beginn folgt eine deutlich vielgestaltigere zweite Hälfte. In Sachen Artwork zeigt die Band einen Abriss ihrer erfolgreichen Phase mit "1987" und "Slip Of The Tongue". Natürlich weht hier und da die Hurra und Hopp-Mentalität der Achtziger durch die Songs wie eine Armee Ventilatoren durch die gesträhnten Haare. Musikalisch spannt die Band den Bogen weiter und deckt viele Phasen ab, wenn auch bei etwas eindimensionalem Klangbild. Whitesnake zocken sich relaxt durch die Sound-Highlights ihrer Karriere. Nach zuletzt schwächeren Phasen zeigen sich Whitesnake im Alter nochmal deutlich vitaler.

Trackliste

  1. 1. Good To See You Again
  2. 2. Gonna Be Alright
  3. 3. Shut Up & Kiss Me
  4. 4. Hey You (You Make Me Rock)
  5. 5. Always & Forever
  6. 6. When I Think Of You (Color Me Blue)
  7. 7. Trouble Is Your Middle Name
  8. 8. Flesh & Blood
  9. 9. Well I Never
  10. 10. Heart Of Stone
  11. 11. Get Up
  12. 12. After All
  13. 13. Sands Of Time

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