laut.de-Kritik

Cloud-Rap ohne Zukunftssorgen.

Review von

Yael schreitet konzentriert voran. Weniger als ein Jahr nach Unterzeichnung ihres ersten Künstlervertrags legt die Wahlberlinerin bereits ihre zweite EP vor. Musikalisch frönt sie dem Cloud-Rap, ohne dabei in den Dadaismus eines Yung Hurn abzugleiten oder sich wie Lil Peep tiefer Melancholie hinzugeben. Vielmehr bewegt sie sich hauptsächlich im seit jeher vom Pop beackerten Feld des Lovesongs, an den gerade ein jugendliches Publikum emotional anknüpfen kann.

Doch sie fasst das Themengebiet noch weiter. Mit "L.U.V." möchte Yael laut Pressetext "verschiedenste Beziehungsebenen in all ihren Facetten" beleuchten. Dabei belässt sie mitunter im Vagen, um welches Verhältnis es ihr geht. Der trennende Effekt der Musik im einleitenden "100 BPM" ließe sich sowohl auf eine Zweierbeziehung übertragen als auch auf das Verhältnis zu ihrer rheinland-pfälzischen Heimat: "Wir haben uns beide entfernt. Ich hab' dir den Rücken gekehrt. Vielleicht treffen wir uns später im Leben und haben aus unseren Fehlern gelernt".

Eine größere Nähe pflegt Yael dagegen zu psychotropen Kräutern. Produzent Chriskey beschreibt in "Moonrocks" mit catchy Loops den Suchtkreislauf. In Abwesenheit der in Fachkreisen auch als 'Kaviar des Cannabis-Connaisseurs' bezeichneten Knospen findet die Sängerin keine Ruhe: "Liege wach im Bett und krieg' die Augen nicht zu, an alles, was ich denk', bist du." Geschickt spielt sie mit Motiven der Beziehungslyrik, um ihre Abhängigkeit zu den THC-reichen Produkten zu charakterisieren.

Abseits des Drogenkonsums geht sie in "KDDL" streng mit der Ideologie des Konsumismus ins Gericht: "Gucci, Louis, Prada, kauf dir deine Liebe. Sorry Homie, dafür werd' ich dich nicht respektieren". Yael liefert die diplomatische Variante von Pöbel MCs jüngsten Ausführungen ("Verpisst euch mit eurem opfermäßigen Modegelaber."), die sich von Eno bis Fler auf Halb-Rap-Deutschland münzen lassen. Musikalisch nähert sie sich mit dem Song am deutlichsten dem selbst gewählten Anspruch, sich mit der EP am "90er R'n'B" zu orientieren.

"Hin Und Her" schildert eine Liebesbeziehung, die trotz vielversprechender Vorzeichen auf keinen gemeinsamen Nenner kommt: "Ich lieb' dich, du liebst mich, doch wir komm' nicht klar". Asadjohn steuert dazu einen verträumten Trap-Beat bei, dessen schnelle Hi-Hats die innere Unruhe zu spiegeln scheinen, die sich im Kontrast zum nach außen getragenen versonnen Autotune-Vortrag befindet: "Ich ruf' dich an und du gehst nicht 'ran".

Gegen das uneindeutige "Hin Und Her" wirkt "Riskieren_Verlieren" regelrecht platt: "Baby, für dich würd' ich alles tun". Ähnliches gilt für den wohl schwächsten Song "Viel Zu Leise". Dabei fallen vor allem die Gastbeiträge von Arctic8 und Leam negativ ins Gewicht, die einen holprigen Flow mit einem grausigen Text kombinieren: "Mach mal bitte ganz, ganz laut. Ich hab' einen Blunt geraucht. Ey, mach so laut, dass die Nachbarn nicht schlafen. Nur so halb kann ich nicht haben".

Auch Yael kann sich keine halben Sachen leisten. Mit ihrem Umzug nach Berlin und dem damit verbundenen Einstieg in die Musikindustrie spielt sie gewissermaßen Lotto. Abgeschieden fühlt sie sich "weit weg auf einer Insel", durch "100 BPM" von der provinziellen Heimat und der ungewissen Zukunft getrennt ("Weiß nicht, wo es hin führt."). Und dennoch lässt sich völlig angstfrei Richtung Sonne treiben: "Keine Sorge, keinen Stress".

Trackliste

  1. 1. 100 BPM
  2. 2. Hin Und Her
  3. 3. Riskieren_Verlieren
  4. 4. Moonrocks (mit Loop)
  5. 5. KDDL
  6. 6. Viel Zu Leise (mit Arctic8 und Leam)
  7. 7. Lotto (mit Leam)

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