laut.de-Kritik

Was ist das schon wieder für ein Lyfë?

Review von

Was braucht man heutzutage zum Viralrapper in einer Welt, die in dieser Sparte eigentlich schon alles gesehen hat? Einen neuen Sound? Gimmicks? Social Media-Schabernack? Per se nichts davon. Vor allem, weil all diese Sachen zu dem Viralrap-Paket dazugehören, das wir inzwischen alle sehr gut kennen. Dagegen steht Yeat: Dieser etwas dusselig erscheinende weiße Rage-Rapper, der in den sozialen Medien mit Zurückhaltung glänzt und irgendwie die Fantasie der sehr jungen Raphörerschaft für sich gewonnen hat. Er hat nämlich dieses eine Attribut, das alle anderen schlägt: Er ringt Leuten die Frage ab, was das denn jetzt sein soll und ob er das ernst meine. Und diese neue EP macht zum ersten Mal kondensiert und unmissverständlich klar: Ja, tut er.

Schon auf seinem letzten Album "Up 2 Me" wirkte er von den Ken Carsons, den Destroy Lonelys und den Yung Kayos noch wie der bisher beste Shot des Genres, die nächste nischenübergreifende Star-Figur. Yeat konnte nämlich Vocal-mäßig von Thugger bis Playboi Carti eigentlich alles abrufen und hat neben seinem einprägsamen Look ein musikalisches Dickicht aufgebaut, das im positiven Sinne überrumpelnd wirkt. "2 Alive" hatte aber noch einen etwas Spray-and-Pray-igeren Ansatz mit den Songs: Draufgekommen ist von Killer bis Filler alles, was eben entstanden ist. Sollen die Kids doch entscheiden, was die Hits sind.

Dieser Ansatz hat sich komplett verändert. Klar, 12 Tracks sind deftig für eine EP und würden bei manch anderem MC auch schon locker als Album durchgehen, aber der große Unterschied zu seiner bisherigen Arbeit scheint, dass er sich dieses Mal doch etwas bewusster in die Kuration seines Materials eingeschaltet hat. "Lyfe" klingt im Grunde nicht groß anders als bisher, diesmal sind allerdings nur die Highlights drauf. Mehr "Turban" und "Get Busy", weniger "Stayed The Same".

Das zeigt sich schon in der fulminanten Lead-Single "Talk". Ein Presslufthammer von einem Beat sortiert sich mit einem mahlenden Groove um diesen Synth, der wie eine Hydraulikschraube klingt. Es ist ein pumpender Song und Yeat bewegt sich im Gleichschritt: "Real twizzy shit right here", "jump out at the show" (ich schwöre, ich habe die längste Zeit "Joe Budden the show" verstanden) und das an Cartis "Sky" angelehnte "it's the first of the month" setzen Vocal-Highlights.

Generell muss man ihm zugestehen, dass die enge Zusammenarbeit mit Produzent BNYX der Musik sehr gut tut. Während Yeat auf vorigen Alben manchmal noch klang, als würde er auf seine eigenen Type-Beats rappen, einfach weil der Rage-Sound noch nicht so viel musikalische Auffächerung gefunden hat, kommen immer klarer herausgearbeitete Motive und Sequenzen vor, die die Songs für sich alleine stehen lassen. Das melodisch unklare, hypnotische Synth-Wirrwarr auf "Krank", die irgendwie industriellen Sounds von "Holy 1" könnten auch am Anfang einer Nu-Metal-Ballade stehen.

Dazu kommen herausragende Songs am Anfang und am Ende: "Flawless" überlässt zwar Lil Uzi Vert mit dem einzigen Verse einen Großteil der Arbeit, aber der zeigt mit einem fantastischen Flow auch, warum ihm dieses Vertrauen entgegengebracht wird. Und der Closer "Killin Em" gibt die bisher analogsten Klangfarben mit einer emotrappigen akustischen Gitarre zwischen die Rage-Bässe und lässt Yeat Platz für seine melancholischste – und vielleicht mit beste Hook bisher: "Gun gon' shoot, it go killin' 'em / Memphetamines killin' 'em, 'phetamines killin' 'em".

"Lyfe" wirkt wie die Verbesserung von Yeats Material an allen Fronten, ohne die Grundformel dafür aus den Augen zu verlieren. Die Energie bleibt rasant, die Sound-Konstellationen undurchsichtig und drückend, seine Vocals so vielseitig und exzentrisch wie immer. Abgesehen davon, dass sich mit Nummern wie "Talk" oder "Killin' Em" ein paar seiner bisher besten Songs auf dieser neuen EP befinden, zeigt sie auch spürbaren künstlerischen Fortschritt. Es klingt gleichzeitig immer noch wie progressives, an der Kante des Genres spielendes Material, aber es ist weniger erschlagend, im Gesamtwerk ein wenig durchdachter. Wer verstehen will, warum dieser seltsame Typ gerade so relevant ist, erhält mit diesem Tape beste Aufklärung.

Trackliste

  1. 1. Flawless (feat. Lil Uzi Vert)
  2. 2. Up Off X
  3. 3. Out The Way
  4. 4. Wat It Feel Lyke
  5. 5. Got It All
  6. 6. Can't Stop It
  7. 7. Krank
  8. 8. Talk
  9. 9. Come On
  10. 10. System
  11. 11. Holy 1
  12. 12. Killin Em

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