24. Mai 2013
"Der ganze Zirkus ist echt hart"
Interview geführt von Kai ButterweckVier australische Hardrock-Nerds, davon zwei Brüder, mit wallenden Mähnen und reichlich Adrenalin im Blut: Airbourne stehen für all das, was am Silvesterabend des Jahres 1973 seinen Ursprung fand. Denn der Gründungstag von AC/DC ist dem Quartett aus Victoria mindestens genauso wichtig wie die eigenen Geburtstage. Jüngst ist das dritte Airbourne-Album mit dem Titel "Black Dog Barking" erschienen.Berlin, Tag der Echo-Verleihung: Vor einem dekadenten Fünf-Sterne-Bunker herrscht bereits zur Mittagszeit reger Trubel. Denn bereits am Vorabend lagen sich illustre Musikschaffende wie Klaus Meine oder die Jungs von Linkin Park an der Hotellobby-Bar in den Armen und tauschten Business-Geschichten aus. Auch die beiden Airbourne-Brüder Joel und Ryan O'Keeffe stampfen am Tag der Verleihung des größten deutschen Musikpreises durch die feudalen Gänge des High End-Tempels unweit des Brandenburger Tores.
Zwar haben die australischen Rocker nur bedingt was mit der abendlichen Zeremonie zu tun, doch wenn man schon einmal da ist, dann kann man sich ja auch unter Gleichgesinnte mischen. Zwischen roten Teppichen und barockem Prunk wirken die beiden Langhaar-Dudes mit ihren schweren Lederkutten wie zwei Plattenbau-Mietskasernen auf dem Kurfürstendamm. Den beiden Starkstrom-Rittern scheint das ungewohnte Umfeld aber zu gefallen, denn als wir die prachtvolle Interview-Suite betreten, empfängt uns die Brüderschaft breit grinsend inmitten von vollgeschmierten Fast Food-Servietten und angebissenen Pizza-Ecken.
Hi, ihr zwei. Fünf-Sterne-Pizza zum Mittag?
Joel: (lacht) Naja, nicht wirklich. Die haben so leckeres Zeug hier nicht auf der Speisekarte, also mussten wir uns was bestellen.
Ryan: Willst du ein Stück?
Oh, nett von dir. Aber nein, danke. Wie geht's euch? Zwei lange Promo-Tage zwischen Anzugträgern und Tiffany-Leuchten sind doch eigentlich nicht so euer Ding, oder?
Ryan: Och, warum nicht? Wir müssen es ja nicht bezahlen (lacht).
Joel: Ich find's hier eigentlich ganz spannend. Ich meine, guck uns mal an – wenn wir hier durch die Gänge schlendern, nehmen alle sofort ihre Handys in die Hand und ziehen die Augenbrauen hoch. Das ist schon witzig.
Ihr seid ja nicht die einzigen Rockstars hier.
Ryan: Stimmt.
Joel: Wir haben ein paar Mitglieder von Linkin Park gesehen und gestern Abend haben wir Klaus Meine von den Scorpions in der Lobby getroffen.
Ryan: Ja, das war echt heftig. Wir kommen da rein und da sitzt plötzlich Klaus Meine!
Ihr seid Scorpions-Fans?
Ryan: Ich kenne niemanden, der einen Marshall-Amp zu Hause hat und nicht die Scorpions verehrt. Das sind echte Legenden.
Joel: Ich weiß ja nicht, wie es bei euch so abgeht, aber wenn man nach Australien kommt und die Leute nach deutschen Bands fragt, dann hört man drei Namen: Rammstein, Kraftwerk und die Scorpions.
Und? Hat er euch erkannt?
Joel: Ich hoffe doch (lacht).
Ryan: Wir haben ein bisschen gequatscht, aber nichts Weltbewegendes. Ich wusste auch gar nicht so richtig, was ich sagen sollte. Ich stand ein bisschen neben mir.
"Wir haben sieben Tage die Woche geschwitzt, geflucht und geblutet"
Ok, lasst uns die Vergangenheit beiseiteschieben und über euer neues Album "Black Dog Barking" sprechen – für mich persönlich euer härtestes Album bisher. Seht ihr das auch so?Joel: Ja, absolut. Wir haben in der Vergangenheit schon hart gearbeitet, aber diesmal haben wir noch eine Schippe draufgelegt. Wir haben sieben Tage die Woche geschwitzt, geflucht und geblutet. Ich glaube, unser Produzent Brian Howes überlegt es sich dreimal, ob er nochmal mit uns ins Studio geht (lacht).
Die meisten aggressiven Parts auf dem Album sollen an diversen Straßenkreuzungen Melbournes ihren Ursprung gefunden haben. Stimmt das?
Ryan: Oh, yeah. Du bist gut informiert.
Joel: Ryan und ich kümmern uns ja im Wesentlichen um das Songwriting. So war es auch diesmal. Wir saßen also rum und überlegten uns, wie und wo wir uns am besten mit neuen Ideen beschäftigen können. Wir kamen dann auf die Idee, uns einfach ins Auto zu setzen, loszufahren, die Fenster runter zu kurbeln und zu gucken, was passiert. Es ging um das Leben auf der Straße, all die Leute und der Verkehr. Wir wollten mittendrin sein und so viel wie möglich aufsaugen. Naja, das klappte eigentlich auch ziemlich gut. Manchmal drehten wir halt ein bisschen durch.
Inwiefern?
Ryan: Wir sind halt Brüder, und da ist man nicht immer einer Meinung. Also kam es manchmal auch zu heftigen Wortgefechten zwischen uns. Die fanden dann meist statt, wenn wir an irgendeiner roten Ampel standen. Die Leute in den Autos neben uns und vor allem die Fußgänger vor uns sind da ganz schön zusammen gezuckt. Aber es war gut und hilfreich – für uns und natürlich auch fürs Album. Denn diese Aggressionen haben wir ungefiltert mit ins Studio genommen.
"Es geht nicht um Ruhm, haufenweise Kohle und aufgetakelte Groupies"
Ihr seid seit eurer Gründung als Band unterwegs, die wie kaum eine andere die klassischen Basics des Genres lebt. Trotz der Erfolge in der Vergangenheit legt ihr keinen Wert auf gängige Starallüren, sondern weist stattdessen immer wieder darauf hin, dass es euch nur um die Musik geht. Mit "Hungry" habt ihr jetzt einen Song auf dem neuen Album, der euch inhaltlich wieder zurück in die Zeit katapultiert, als alles anfing. Demnach: der wichtigste Song auf dem Album?Ryan: Ja, ich denke schon. Wir haben dieses Gefühl noch nie so detailliert beschrieben. Ich meine, mittlerweile ist alles eine Nummer größer geworden. Die Bühne, der Tourbus, die Hotels: das kann man oberflächlich nicht mehr mit der Zeit vergleichen, als wir mit der Band anfingen. Wir sind aber trotzdem noch Airbourne, nämlich vier Typen, die einfach nur Musik machen wollen und auch heute noch mit zerrissenen Jeans und dreckigen Fingernägeln durch die Gegend laufen. Im Innern von uns hat sich nichts verändert. Und genau das wollten wir mit diesem Song vermitteln.
Joel: Der Song beschreibt ja den klassischen Anfang einer Band, so wie wir es damals empfunden haben. Man hat einen kleinen, stinkigen Bus, ein paar zerschredderte Amps und leere Taschen. Man will spielen. Es geht darum, seinen Traum zu leben. Der besteht aber nicht aus Ruhm, haufenweise Kohle und aufgetakelten Groupies. Der Traum heißt Rock'n'Roll. Es ist die Musik, um die es geht. Und genauso fühlen wir uns auch heute noch. Das ist unser Antrieb, unser Motor.
Habt ihr das Gefühl, dass es zu wenigen Bands heutzutage um genau diesen Antrieb geht?
Joel: Grundsätzlich ziehe ich vor jedem den Hut, der es in diesem Business nach oben schafft. Da spielt es keine Rolle, ob es um Bands wie Coldplay, Nickelback oder um irgendeinen gehypten Songwriter geht. Wichtig ist einfach nur, dass man einen ehrlichen Weg gegangen ist. Der ganze Zirkus hier ist echt hart. Aber es gibt natürlich auch "Projekte", die mit der Seele des Ganzen nichts zu tun haben.
Zum Beispiel?
Joel: Naja, guck dir doch diese ganzen X-Factor- und Idols-Leute an. Das sind doch gezüchtete, zutiefst bemitleidenswerte Industrie-Opfer, die für ein halbes Jahr Ruhm ihr ganzes Leben in den Müll schmeißen. Oder kennst du irgendeinen Casting-Champion, der länger als zwei Jahre im Business überlebt hat? Ich nicht.
Ryan: Diese Leute werden einfach geblendet. Man lockt sie mit Versprechungen und die Aussicht auf Weltruhm, doch spätestens ein Jahr später wirft man den nächsten Kandidaten ins Rennen. Das kann gar nicht gutgehen. Wie auch? Es gibt so viel was man braucht, um in diesem Geschäft zu bestehen. Aber diese jungen Menschen werden einfach nur verfüttert. Die standen gestern noch beim Metzger um die Ecke hinter der Theke, und sollen einen Tag später die großen Bühnen zum Kochen bringen.
Es geht nur um das schnelle Geld, das mit Hilfe von orientierungslosen Träumern jedes Jahr aufs Neue wieder in die gleichen Taschen fließt.
Joel: Das ist einfach der falsche Weg. Wenn man raus will, um seine Ideen und Visionen zu verbreiten, dann sollte man sich drei oder vier Gleichgesinnte suchen und eine richtige Band gründen. Man muss durch kleine Clubs ziehen und sich den ganzen Scheiß richtig erarbeiten. Erst dann entwickelt man ein Herz für sein Schaffen. So haben wir das gemacht.
Ryan: Und guck dich um: wo sind wir gelandet? (lacht)
Joel: Naja, wir sitzen hier in Berlin in diesem Prachtbunker und lassen uns Pizza kommen. Vorhin haben wir sogar eine Flasche Whiskey geschenkt bekommen. Was will man mehr?
Ryan: Und nicht zu vergessen: Wir haben Klaus Meine getroffen. Allein dafür hat sich die ganze Plackerei schon gelohnt (lacht).
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